Sabine Oberhuber begann, Wirtschaft, Politik und Geschichte zu studieren, mit dem Ziel, von innen heraus zum gesellschaftlichen Wandel beizutragen. Sie war als Corporate Strategist und Manager Internet Strategy in der strategischen Planung für Reed Business Information Niederlande und Kontinentaleuropa tätig. Als Mitbegründerin von Turntoo, entwickelt sie heute Geschäftsmodelle und Strategien für Unternehmen die den Schritt in Richtung Kreislaufwirtschaft wagen wollen.
Was ist Circular Economy?
Das ist mittlerweile für viele Leute eine Definitionssache. Für uns ist Circular Economy das Bewusstsein, dass wir alles, was wir an Materialien und natürlichen Rohstoffen zum Leben brauchen, so nutzen müssen, dass alle Generationen, die nach uns kommen, genau den gleichen Zugang zu alldem haben, wozu wir auch Zugang haben. Es ist das Bewusstsein, dass alles was wir brauchen und nutzen nur einen zeitlichen Charakter hat und dementsprechend konzipiert und produziert werden muss. Wir müssen unsere Ressourcen also im Kreislauf halten, sodass nichts verloren geht. Dazu gehört für uns die materielle Dimension aber auch das Bewusstsein für die Biodiversität, aber letztendlich ist es auch eine soziale Frage. Es benötigt einen sozialen und kulturellen Wandel und nicht einfach nur ein anderes Materialmanagement.
Wie sind sie in diesen Bereich gekommen? Circular Economy ist ja noch nicht der klassische Karriereweg.
Ich habe Wirtschaft studiert, um irgendwann mal die Wirtschaft zu verändern. Ich habe als junger Mensch erkannt, dass da der Schlüssel liegt und dass unser System noch völlig verkehrt aufgestellt ist. Im Studium habe ich mich in der Ökonomie immer wieder unglaublich über bestimmte Glaubensgrundsätze geärgert. Irgendwann wurde ich gefragt, was ich später mal machen will und mir war unterbewusst gleich klar, dass ich in die Richtung Circular Economy gehen will. Damals gab es das in dieser Form aber noch gar nicht, meist ging es da noch um juristische oder Compliance Themen. Das hatte kaum mit Innovation und Kreativität zu tun. Im Studium habe ich mich selber auf Marketing, Strategie und Finanzen konzentriert. Für mich war klar, dass da letztendlich die Hebel liegen. 2010 habe ich gemeinsam mit meinem Mann, Thomas Rau, der ein Architekturbüro besitzt, das auf nachhaltiges Bauen spezialisiert ist, ein Projekt realisiert, wo wir die ersten Grundzüge von “Circular Business Models“ ausprobierten. Damals nannten wir es noch “Performance Based Consumtion“. Die gute Resonanz auf dieses Projekt hat dazu geführt, dass wir Turntoo gründeten. Seitdem engagieren wir uns und haben auch ganz viele Themen im Bereich Circular Economy angestoßen oder gegründet, wie z.b. Madaster, das Kadaster für Material.
Turntoo ist eines der ersten Circular Economy Unternehmen. Worauf genau sind Sie eigentlich spezialisiert?
Von unserer Ausrichtung sind wir darauf spezialisiert Organisationen zu unterstützen sich von linearer Wirtschaft in Richtung Kreislaufwirtschaft zu verändern. Dem niederländischen Staat haben wir beispielsweise geholfen, die erste Kreislauf-Einkaufsstrategie zu realisieren – dabei musste der ganze Lifecycle von Bestellungen mitbedacht werden. Momentan sind wir darauf spezialisiert große Unternehmen zu begleiten. Letztes Jahr haben wir beispielsweise die Schweizer Bundesbahn (SBB) bei der Entwicklung ihrer Kreislaufstrategie begleitet.
Warum ist unsere Gesellschaft noch nicht in einer Circular Economy? Was hält uns davon ab?
Ich glaube wir brauchen strengere gesetzliche Rahmenbedingungen. Es ist immer noch sehr einfach, die sogenannten externen Effekte auf die Gesellschaft abzuwälzen. Das macht es noch viel zu einfach nach Friedmann zu sagen „The Business of Business is Business“. Lineare Wirtschaft ist etwas, das im Laufe der Zeit ins Bewusstsein übergegangen ist. Unsere Produkte sind noch so entwickelt, dass sie auf einer Einbahnstraße funktionieren und oft nicht wiederverwendet werden können. Die Umstellung auf Kreislaufwirtschaft ist relativ komplex und wir haben derzeit noch ein relativ starres System. Die momentanen globalen Wertschöpfungsketten lassen es noch nicht so einfach zu, dass Produkte zu Herstellern zurückgebracht werden, um sie zu reparieren. Kreislaufwirtschaft macht diese Ketten komplexer, weil das Endprodukt wieder zum Anfang zurückgeführt wird, um dann wieder zu den Konsument*innen zu gelangen. Als Firma muss damit angefangen werden zu sagen: „Ich verstehe meine Produkte als die Rohstoffe von morgen“. Darüber muss jetzt einfach nachgedacht werden, um Produktionen und Wertschöpfungsketten neu zu organisieren. Ich muss überlegen wie meine Produkte zurückkommen, welche Absprachen ich mit Kund*innen haben werde, oder ob ich mein Produkt eher zu einer Dienstleistung umwandle.
Gibt es Unternehmen und Produkte, die Circular Economy bereits gut umsetzen und als Vorbilder gesehen werden können?
Ein gutes Beispiel ist Husqvarna, sie bauen derzeit ein Sharing-Modell, in dem Gartengeräte über Boxen, die an zentralen Stellen aufgestellt sind, ausgeliehen werden können. Hier kommt der Aspekt dazu, dass Geräte gemeinsam genutzt werden. Das Anbieten der Produkte wird dadurch zu einer Dienstleistung und der Bedarf Produkte zu erzeugen, die lange halten steigt. Es ist dann wichtig langlebige, leicht zu reparierende Produkte zu haben, damit das Geschäftsmodell greift. Philips produziert MRI Scanner beispielsweise so, dass sie refurbished werden. Dadurch können sie mehrere Lebenszyklen durchlaufen. Nicht alle Krankenhäuser haben dieselben hohen Anforderungen an Apparate wie z.B. Universitätskrankenhäuser, d.h, andere Krankenhäuser, können in einem zweiten oder dritten Nutzungszyklus auf diese, noch immer sehr hochwertigen Geräte zurückgreifen. In der Produktmarketingstrategie ergeben sich dadurch ganz neue Möglichkeiten.
Was kann die einzelne Person im eigenen Umfeld tun, um einen Beitrag zur Circular Economy zu leisten?
Erste Schritte können überall gemacht werden. Auf der einen Seite können wir als Konsument*innen wählen, ob defekte Geräte repariert werden, statt neue Geräte zu kaufen. Auf der anderen Seite fällt es Unternehmen oft auch leicht zu argumentieren, dass es Konsument*innen bevorzugen neue Geräte zu bekommen, statt sie reparieren zu lassen. Wir können beispielsweise auch schauen, wo unsere Einflussbereiche liegen. Unser erstes Projekt mit Philips ist beispielsweise so entstanden, dass wir gesagt haben, wir wollen keine Lampen mehr kaufen, wir wollen nur Licht. Wir haben das Projekt damals mit dem Salesmanager und der Nachhaltigkeitsabteilung umgesetzt ohne das Management zu informieren. Als das Projekt fertig war wollte jeder damit assoziiert werden. Oft bedarf es einfach nur den Mut sich einzubringen und neue Dinge vorzuschlagen oder auszuprobieren.
Am 29.11 erscheint der Circular Economy Bestseller „Material Matters“, von Sabine Oberhuber und Thomas Rau, in einer Neuauflage bei Econ:
Thomas Rau und Sabine Oberhuber präsentieren ein zukunftsweisendes Wirtschaftsmodell, in dem der Konsument nicht länger Eigentümer sondern Benutzer ist, Materialien Rechte bekommen und Abfälle der Vergangenheit angehören. Auf eine spannende und verständliche Weise machen die Autoren komplexe Zusammenhänge verständlich und führen den Leser in ein neues Denken ein, das wir brauchen um zukunftsfähig zu werden.
Stimmen zum Buch:
»Dieses Buch bietet eine zugängliche und praktische Vision der Circular Economy aus der Sicht von zwei Menschen, die eine Schlüsselrolle bei ihrer Verwirklichung gespielt haben und weiterhin spielen.« Dame Ellen Mac Arthur, Gründerin der Ellen Mac Arthur Foundation