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Presenter’s Paradoxon – Manchmal ist weniger mehr

Ein gutgemeintes Mehr muss nicht automatisch besser bedeuten im weiten Feld der Diversität. Mit dieser Erfahrung werden engagierte weibliche Führungskräfte nicht selten konfrontiert – und sollten im Interesse aller möglichst pragmatisch ihre Learnings daraus ziehen.

Als gerichtlich zertifizierte Mediatorin und Unternehmerin aus Leidenschaft, bin ich immer auf der Suche nach innovativen Ansätzen in der Personalpolitik. Neulich musste ich erfahren, dass ein gutgemeintes Mehr an Zugehen auf die Angestellten nicht automatisch besser ist.

Die junge, weibliche Assistenz in Ausbildung sitzt letzte Woche mit Hängeohren am Empfang – ist es die drückende Stadthitze oder die knatternde Klimaanlage? Überlastung kann es in der aktuellen Sommer- und Urlaubszeitflaute wohl nicht sein.

Mütterlich geprägt, frage ich in der Giraffensprache der Mediation – respektvoll, wertschätzend und empathisch – wo denn der Schuh drückt. Schon fließen die Tränen: „Wir“ haben Liebeskummer, ich leiste erste Hilfe: Distanzierte Nähe als Muss in meiner Funktion als Big Boss (oder besser: Kümmererin vom Dienst), Mitgefühl und aufrichtige
Anteilnahme halten sich professionell die Waage. Schließlich packe ich das Mädel zusammen und fahr mit ihr in den Kosmetikladen meines Vertrauens, wo sie auch lustige Stangenware an italienischen Modeartikeln verticken.

Achtung auf die kollektivistische Kultur

Die geschulten Verkäuferinnen erkennen sofort das Problem: Ein wenig natürliche Schminke, Modeschmuck, Haarreifen und eine kleine Auswahl an variierbaren Kleidungsstücken für eine Woche sind rasch gefunden. Das Mädel zeigt leuchtende Augen und ein strahlendes Lächeln – wir alle waren glücklich und, wie ich hoffte, die Motivation zu arbeiten wieder hergestellt. Doch es kam anders: In den folgenden Tagen war ihr Outfit das gleiche wie vor unserem Ausflug in den Kosmetikladen, die Haare nicht gebändigt, die Stimmung auf Halbmast.

Was war geschehen? Bei dem Mehr an Zuwendung, ausgedrückt durch unseren gemeinsamen Einkaufsausflug, habe ich die kollektivistische Kultur nicht mitbedacht, der das Mädchen angehört. „Ich finde das eigentlich unfair, dass ich alles alleine bekommen habe und es nicht mit meinen Schwestern teilen kann, weil das nur Kleidung fürs Büro ist“, so die junge Frau. „Wenn ich nicht teile, erzeuge ich dadurch den Groll der ganzen Familie und bringe alle gegen mich auf“. Ihre große Schwester und die Mama würden das auch so sehen.

Kulturelle Unterschiede spielen eine wesentliche Rolle bei der Wirkung des Presenter`s Paradoxon, demnach Mehr nicht immer besser ist. Hätte ich es bei verbaler Zuwendung und Empathie belassen, wäre alles gut gewesen. Das Mehr des Einkaufsausfluges hat den Familienfrieden gestört – ein weiteres Learning im lebenslangen Segelkurs durch die Personalpolitik.


Zur Autorin:

Claudia Stadler ist Gesellschafterin-Geschäftsführerin der Steuerberatungskanzlei cSt causa in Wien und bietet Klient*innen individuell maßgeschneiderte Lösungen an. Sie ist seit 2017 gerichtliche Mediatorin und daher auch Expertin für konfliktfreie Lösungen.

Fotomaterial(c) Canva

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