Wie schnell aus einem coolen Berliner Start-up, ein Unternehmen werden kann, das von noch sehr viel cooleren Frauen auf der ganzen Welt boykottiert wird, zeigt die Geschichte des Online-Versandhändlers Zalando. Seit seiner Gründung vor elf Jahren hatte das Unternehmen keine Frau im Vorstand. So weit, so schlimm. Doch es kam noch besser: In seinem Jahresbericht hatte das Unternehmen Jahr für Jahr geschrieben, dass es keinerlei Pläne gebe, das zu ändern. Ging es um die Frauenquote, antwortete Zalando also stets mit Zielgröße Null. Höchst absurd, wenn man bedenkt, dass rund 70 Prozent der Kundschaft Frauen sind. Davon zeigten sich viele Frauen naturgemäß wenig begeistert und antworteten ihrerseits wiederum mit Boycott.

In der Rolle des üblen Missetäters in Sachen Gleichberechtigung ruhte man sich zwar eine Zeit lang aus, gefiel sich dann aber doch nicht so gut darin. Deshalb möchte man nun die Ziele für Diversität im Management anpassen und bis Ende 2023 ein ausgewogenes Verhältnis von Männern und Frauen auf den sechs obersten Führungsebenen erreichen. Ziel sei ein »40/60/*-Korridor«. Das bedeutet, dass der Anteil von Männern und Frauen auf der jeweiligen Ebene zwischen 40 und 60 Prozent liegen soll und auch »nichtbinäre Geschlechter« einbezogen werden sollen.

Und die Argumentation, die zu mehr als einem Jahrzehnt mit Zielgröße Null geführt hat? Eine klare Ausrichtung des Unternehmens in Richtung Wachstum, erklärte Rubin Ritter, einer der drei Co-Chefs, in einem Gespräch mit der SZ. Das stimmt zwar – immerhin ist die Firma zwischen 2010 und 2019 von 500 MitarbeiterInnen auf rund 14.000 angewachsen – trotzdem hält die Argumentation nicht ganz. Schließlich gibt es eine Vielzahl an Studien, die belegen, dass Firmen mit Frauen im Vorstand besser wirtschaften. Keine Studie braucht es, um zu bestätigen, dass der Strategiewechsel des Online-Versandhändlers längst überfällig ist. Vielleicht ist es sogar schon zu spät, um die gesamte Länge, die man nun in die falsche Richtung zurückgelegt hat, wieder zurückzurudern. Das Wasser steht Zalando momentan auf jeden Fall bis zum Hals. Und das ist in diesem Fall ganz gut so, schließlich gibt es in Sachen Führungsverständnis noch ordentlich Luft nach oben.