StartBusinessSuccessMareen Eichinger: Erfolg außerhalb der Komfortzone

Mareen Eichinger: Erfolg außerhalb der Komfortzone

Berlin, 18. Mai 2021

Vor elf Jahren gründete die gebürtige Mecklenburgerin Mareen Eichinger mit 26 Jahren in Berlin die Agentur macheete und blickt heute mit ihrem Team auf bereits über 800 erfolgreiche Projekte zurück. Angefangen hat alles mit nur einem Kunden, einer selbstgebauten Website, dem falschen Agenturnamen und null Euro Kapital im eigenen Wohnzimmer der damaligen Gründerin. Heute sitzt die Boutique-Agentur direkt im Herzen von Berlin und berät in einem Ladengeschäft nationale und internationale Unternehmen, Marken und Personalities.

Glückwunsch zu elf Jahren macheete. Du hast etwas aufgebaut, wovon viele Menschen träumen. Du bist dein eigener Chef, hast ein eigenes Büro und eigene Mitarbeiter:innen. Würdest du dein Leben als wahr gewordenen Traum bezeichnen oder hattest du früher ganz andere Pläne?

Mareen Eichinger: Selbstständig zu sein ist für mich die größte Erfüllung. Ein Unternehmen zu führen, spannende Kund:innen und ein motiviertes Team um mich herum zu wissen, ist etwas, das mich jeden Tag glücklich macht. Dabei war ich mir nie bewusst, dass es das ist, was ich eigentlich möchte. Als ich mit knapp 16 Jahren die Realschule abschloss, ging ich in die Hotellerie. Eine solide Grundausbildung war vor 20 Jahren für mich und meine Eltern ein wichtiger Meilenstein. In der Lehre habe ich neben dem fachlichen Handwerk viele Soft-Skills erlernt, die mir bis heute zu Gute kommen. Als Hotelfachfrau ist der respektvolle und freundliche Umgang mit Menschen enorm wichtig und diese Erfahrung war Gold wert. Gepflegter Smalltalk ist in der Agenturwelt entscheidend. Rückblickend ist ein so junger Mensch aber gar nicht in der Lage, sich auf eine lebenslange Beziehung mit nur einem Berufsfeld einzulassen. Das wusste ich auch damals schon, sodass schnell klar wurde: Ich will mehr. Also beschloss ich, die Fachhochschulreife nachzuholen, um zu studieren. Nach dem Fachabi habe ich anschließend nochmals 1,5 Jahre auf Mallorca und in Österreich in der Hotellerie gearbeitet, um dann in Wien mein Studium zum Bachelor of Arts in Business zu beginnen. Im Studium entdeckte ich so meine Liebe zur Markenkommunikation.

Nach dem Studium bist du nach Berlin gezogen. Woher kam die Entscheidung in die Hauptstadt zu gehen, um dann in einer Agentur anstatt in einem großen Unternehmen zu arbeiten?

Eichinger: Während des Studiums lebte ich in Wien, Zürich und Kapstadt, doch vermisste Deutschland irgendwann schon sehr. Ich habe mich am Anfang in vielen Berliner Agenturen und Unternehmen beworben und einige Absagen kassiert. Niemand wollte eine Hotelfachfrau, die Tourismusmanagement studiert hatte, einstellen. Am Ende habe ich in den Bewerbungsgesprächen gesagt: “Ich arbeite eine Woche kostenlos zur Probe für euch, damit ihr seht, dass ich genau die Richtige bin.” Dadurch habe ich bei einer 360-Grad-Agentur eine Chance für einen Probetag bekommen und nach ein paar Stunden hatte ich ein Volontariat in der Tasche. Ich habe mich ein ganzes Jahr unfassbar reingekniet, abends nebenbei noch einen Lehrgang an der deutschen Presseakademie gemacht und keine Sekunde diese Entscheidung bereut.

Der Schritt in die Selbstständigkeit ist kein leichter, warum bist du ihn trotzdem gegangen?

Eichinger: Im Jahr 2010 kam die Wirtschaftskrise. Viele Agenturen haben das nicht überlebt und ich wurde ganz klassisch aus wirtschaftlichen Gründen gekündigt. Ich war nebenher in der Musikszene aktiv und habe unentgeltlich für ein Online-Magazin eine eigene Kolumne geschrieben. Dann wurde ich von einer Band gefragt, ob ich nicht für sie Pressearbeit machen möchte. So nahm alles seinen Lauf und ich traute mich beim Arbeitsamt Gründungshilfe zu beantragen, denn leben konnte ich vom ersten Auftrag nicht. Damit hatte ich einen Puffer von sechs Monaten, um aus dieser Idee, in die ich da reingestolpert bin, etwas zu machen. Außerdem dachte ich mir: Ich bin jung und habe nichts zu verlieren. Wenn ich scheitere, dann ist mein Leben nicht zu Ende. Ich konnte also nur an Erfahrung gewinnen.

Du warst 26 Jahre jung bei deiner Gründung und hattes gerade mal 1,5 Jahre Agenturerfahrung. Businessplan, Kapital und Corporate Design: Wie lief die Gründung bei dir ab?

Eichinger: Zum einen brauchte ich viel Mut diesen Schritt zu wagen und zum anderen brauchte ich Kontakte, um an Aufträge zu kommen. Ich habe meine erste eigene Website mit iWeb von Apple allein gebaut, mir ein Logo mit Word zusammengesetzt und habe die sozialen Medien, die damals aus Facebook und Twitter bestanden, genutzt, um der Welt zu erzählen, dass es mich und mein Unternehmen nun gibt. Das war eine aufregende, aber auch angsteinflößende Zeit. Zu der gehörten viele finanzielle und existenzielle Sorgen, weil ich wirklich keinen Cent Kapital auf dem Konto hatte. Aber ich habe das Momentum auch genutzt, weil ich wusste, ich habe nichts zu verlieren und eigentlich kann auch alles passieren. Als ich für ein sehr großes Musikevent in Berlin als PR-Beraterin engagiert wurde, sah ich Licht am Ende des Tunnels und wusste: Ich kann das schaffen!

Zu einer Gründung gehört auch immer der passende Name. Welche Bedeutung steckt hinter dem „macheete“?

Eichinger: Ich würde jetzt gern eine spannende Geschichte erzählen, aber dann müsste ich lügen. Für ein paar Monate hieß die Agentur damals “markenliebe”. Bis mich eines Tages jemand anschrieb, dass er den Namen für sich schon markenrechtlich geschützt hatte und mich bat diesen nicht mehr zu verwenden. Sonst wäre es wohl teuer geworden. Das war ein erstes wichtiges Learning für mich. Es gibt also ein Markenregister beim Deutschen Patentamt. Danach war es ein reines Brainstorming, um einen neuen Agenturnamen zu finden, der noch nicht geschützt war. Das war wirklich ein schwieriges Unterfangen, denn alle guten Ideen waren schon vergeben. Aber dann ergab sich das Stichwort “Die Machete”. Kombiniert mit meinem Vornamen Mareen entstand so macheete mit Doppel e. Ein stand-alone Name, der jedem im Kopf bleibt und am Anfang überhaupt nicht verrät, was wir machen. Aber genau das war mein Ziel: sich als Agentur selbst zu branden und vorrangig als Marke aufzutreten und nicht als Dienstleister.

Um in der Agenturwelt zu überleben braucht es ein dickes Fell, aber welche Eigenschaften sind noch wichtig, um in dieser Branche erfolgreich zu werden?

Eichinger: Eine große Portion Selbstbewusstsein und viel Humor stehen an erster Stelle. Als Geschäftsführer:in sollte man ein wahrer Allrounder sein und auch gute Nerven mitbringen. Denn der Umgang mit Kund:innen und neuen Projekten stellt einen immer mal wieder auf die Probe. Kein Tag gleicht dem anderen und jedes Projekt ist individuell zu betrachten. Für Kund:innen zählen meistens Know-how und Referenzen. Leider hat man oft Letzteres am Anfang nicht. Daher sollte man selbst sehr kommunikativ sein und sich und seine Leistungen verkaufen können. Ein großes Netzwerk ist sicherlich auch von Vorteil, um an Aufträge zu gelangen und das benötigt viel Zeit. Die Agenturwelt kennt keine Beständigkeit und man muss schnell lernen, sich an die Bedürfnisse des Marktes, der Kund:innen und auch an die der Mitarbeiter:innen anzupassen. Die Agenturwelt ist aber auch voll mit tollen Visionen, Kreativität, Toleranz und kommunikativen Menschen. Ich habe durch die Arbeit so viele tolle Personen kennengelernt, die am Ende nicht nur Kolleg:innen oder Kund:innen geblieben, sondern zu echten Freund:innen geworden sind. Das und vor allem, dass es kein Dresscode gibt, liebe ich an meinem Job. Ich sage ganz oft zu anderen, die mich fragen, warum es macheete schon so lange gibt: An dem Tag, an dem ich auch bei Kund:innen ich selbst war, fing ich an erfolgreich zu sein.

Arbeiten wann und wo man will, dafür werden Selbstständige oft beneidet. Was ist das Beste an der Selbstständigkeit für dich?

Eichinger: Das Coolste ist wohl, dass ich Entscheidungen oft sehr eigenständig treffen kann und ich auch bei der Arbeit ganz bei mir selbst bin. Dass ich meine Vision von einer kreativen Agentur umsetzen kann und durch die Fehler, die ich dabei mache, stets lerne besser zu werden. Der Selbstständigen-Mythos “Arbeiten wann man will” ist längst überholt seitdem wir bei macheete ein Team sind. Da setzt man sich als Chef:in nicht erst um 15 Uhr ins Büro oder macht Montag einfach blau, denn man hat auch eine Vorbildfunktion für die anderen. Eigentlich arbeite ich von allen am meisten, denn Selbstständigkeit heißt eben nicht “from 9 to 5”. Dessen sollte sich jeder bewusst sein, der diesen Schritt wagt. Ich sage immer, wenn es um das Thema Hobbys geht: macheete ist mein Hobby, eigentlich arbeite ich nie. Und was gibt es Schöneres als die eigene Leidenschaft zum Beruf gemacht zu haben?

Was würdest du einer Person, die gerade vor der Gründung steht, mit auf den Weg geben?

Eichinger: Ich kann es nicht oft genug sagen: Bitte, einfach loslegen! Ich hatte weder einen richtig guten Businessplan, noch eine wirklich konkrete Idee wie die kommenden Jahre aussehen würden. Ich bin ein kompletter Bauchmensch und wenn mein Gefühl sagt, tue es, dann folge ich ihm. Natürlich sollte man zu jeder Zeit die finanziellen Risiken abwägen und sich nicht blindlings in eine Katastrophe stürzen. Als Gründer:in benötigt man natürlich auch das nötige Know-How für sein Fach, ein Gespür für die Branche, muss Veränderungen mögen, ein gutes Team aufbauen und vor allem an sich glauben. Mit einem guten Mindset und einer gesunden Portion innerer Überzeugungen kann jeder von uns viel bewegen. Vor allem am Anfang müssen Gründer:innen oft raus aus der eigenen Komfortzone. Denn ausserhalb der Komfortzone fängt der Spaß und vor allem der Erfolg erst richtig an.

Wie geht man als Gründer:in damit um, wo es nicht gut läuft? Gab es Zeiten, wo du dachtest, jetzt könnte es eng werden?

Eichinger: Es gab einige Zeiten, wo ich dachte, jetzt wird es eng. Müsste ich die Umsätze der vergangenen Jahre darstellen, würde ich einfach eine Sinuskurve zeichnen und alles wäre erklärt. Irgendwie kam bei uns lange nach einem tollen Jahr, immer ein Jahr was tendenziell enttäuschend war. Ich habe versucht das zu reflektieren und bin schnell zur Erleuchtung gekommen, dass immer, wenn es super läuft, wir keinerlei Akquise machen. Auch als Agentur flattern die Aufträge nicht einfach so ins Haus und man ist von vielen Faktoren abhängig, auch von der aktuellen Wirtschaftslage und der Stimmung am Markt. Während der Zeit als ich Mutter geworden bin, hatte ich selbst nicht so viel Zeit und Power und habe macheete kurzzeitig fast komplett allein geführt. Heute nach 11 Jahren weiß ich, dass es enorm wichtig ist, auch als Agentur zu kommunizieren und ständig an sich zu arbeiten, auch wenn wir momentan wirklich viele Anfragen bekommen, ohne viel dafür getan zu haben. Darüber freue ich mich enorm, aber ich weiß auch, dass die Kurve eines Tages wieder runtergeht. Wir machen dann trotzdem weiter, weil wir gut sind und gelernt haben, auch in schwierigen Zeiten einen kühlen Kopf zu behalten.

Der Begriff der “Work-Life-Balance“ spielt gerade bei Selbstständigen eine große Rolle. Wie gehst du als Unternehmerin damit um?

Eichinger: Wer das Buch “The One Thing” gelesen hat, weiß, dass die Work-Life Balance eine Illusion ist. Für mich suggeriert der Begriff, dass arbeiten nicht zum Leben gehört, denn er teilt unseren Alltag in die Bereiche Arbeit und Leben ein und vermittelt man müsse sich stets dazwischen entscheiden. Als vom Erfolg getriebener Mensch weiß ich, dass so ein Gleichgewicht unmöglich ist, wenn man ein Ziel vor Augen hat. Wenn ich als Unternehmerin ständig auf die perfekte Balance zwischen Arbeit und Leben achten müsste, so könnte ich mich nicht wirklich intensiv auf eines von beiden konzentrieren. Daher gibt es Phasen in meinem Leben, die sehr arbeitsintensiv sind. Dem folgen aber immer Phasen, in denen ich mich sehr intensiv mit mir selbst auseinandersetze. Als Unternehmerin priorisiere ich eher anstatt auszubalancieren und frage mich: Ist die Arbeit um 22 Uhr abends wirklich so wichtig, wie ich gerade denke? Oft ist sie es dann nicht und ich schalte einen Gang zurück. Sich selbst stets zu hinterfragen in dem was man tut, ist als Unternehmer:in, aber auch als Mensch enorm wichtig.

Wir geben dir zum Abschluss 5 Schlagwörter. Gib uns in 1-2 Sätzen wieder, was dir dazu spontan einfällt.

  • Networking: Gehört in der Gründerszene und auch später zum A und O. Ein gutes Netzwerk kann über Durststrecken hinweg helfen.
  • Digitalisierung: Sollte jedes Unternehmen sich ganz groß auf die Fahne schreiben.
  • New Work: New work wird the new normal – dank Corona. Flexibilität und Agilität ist vor allem bei Arbeitgebern gefragter den je.
  • Mindset: Ein Positives ist unfassbar wichtig, bevor man zu Kundenterminen oder Pitches geht. Innere Überzeugung kann am besten verkaufen.
    Weiterbildung: Stets und ständig. Nicht nur als Unternehmer, sondern auch als Mensch unabdingbar.

Über macheete

macheete wurde 2021 von Mareen Eichinger gegründet und zeigt sich seitdem für die Konzeption und Umsetzung von Kommunikationskampagnen in den Bereichen Brands, Products, People und Lifestyle um. 

Fotomaterial© macheete/PR

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