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Lost in Transition

Zwei Jahre habe ich nun für sheconomy geschrieben. Etwas wehmütig, aber auch passend, möchte ich mich in meinem letzten Artikel einem Herzensthema widmen: Übergänge oder Career Transitions, die Schwelle vom Abschied zum Neubeginn. Warum diese häufig scheitern und wie sie gelingen – Hintergrundwissen, Impulse und Handlungsempfehlungen.

Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne. Das Zitat von Hermann Hesse wird inflationär in den sozialen Medien genutzt, ist zwar wahr, ignoriert aber die Tatsache, dass in jedem Anfang auch ein Risiko steckt. Wie wir etwas beginnen, ist ausschlaggebend dafür, wie es enden wird. Das gilt auch für Career Transitions. Übergänge passieren täglich im Kleinen, und in jedem Leben auch im Großen. Sie bewusst und achtsam zu (er-)leben und zu begehen, sollte als Geschenk an uns selbst gesehen werden. 

Das Edelstein-Prinzip

Fangen wir mit einer Parabel an. Nehmen wir an, Sie bekommen ein Sammelsurium an mehr und weniger wertvollen Edelsteinen angeboten, das Sie nur als Gesamtpaket erwerben können. Auf welche Steine werden Sie sich konzentrieren? Fällt Ihr Blick auf die zwei, drei glänzendsten Stücke? Genau das passiert unerfahrenen Edelsteinhandelnden. Sie lassen sich vom Schein der wertigen Steine so sehr blenden, dass sie den Gesamtwert der Sammlung überschätzen. Was tun erfahrene Steinsammelnde? Genau das Gegenteil. Die Prachtstücke werden erst mal zur Seite gelegt und der Wert der verbleibenden Steine eingeschätzt. Kann man sie gut verkaufen und wenn ja, zu welchem Preis? Für den Erwerb der Sammlung sind die weniger guten Steine entscheidend.

Auch bei Entscheidungen zu Karriereübergängen sollten wir nach diesem Prinzip agieren. Denn leider ist es so: Über 40 Prozent aller Karriereübergänge scheitern. Dafür gibt es zwei Gründe: Erstens laufen wir schnell Gefahr, von ein paar glänzenden Verheißungen geblendet zu werden und den Rest dabei zu übersehen. Zweitens schaffen wir es nicht, den Übergang so zu gestalten, dass wir ihn erfolgreich navigieren, sinnhaft agieren und gut aufgestellt in die neue Position wachsen. Eine neue Karriereoption enthält viele Elemente, die uns reizen. Ein vielversprechender Titel, ein hohes Gehalt, ein top-ausgestattetes Büro, eine Seilschaft, auf die wir vertrauen. Reizvolle Versprechungen sind die funkelnden Diamanten der Karrierewelt. Mein Rat: Legen Sie sie zur Seite. Schauen Sie sich erstmal den Rest an. 

Fragen Sie sich:  

  1. Was wird von mir gefordert? Was muss ich tatsächlich unternehmen, um die Herausforderungen zu meistern? 
  2. Steht dies im Einklang mit meinen Werten, persönlichen Zielen und meinem Wachstum?
  3. Wie sind die Menschen, mit denen ich in Zukunft zusammenarbeiten werde?
  4. Woran werden meine Leistungen gemessen?
  5. Und vor allem: Ist die zukünftige Rolle mit den Autoritäten, Verantwortungen und Ressourcen ausgestattet, die ich brauche, um erfolgreich zu sein? 

Wenn Sie diese Fragen zu Ihrer Zufriedenheit beantworten und mit gutem Gewissen befürworten können, können Sie das Gesamtpaket annehmen und werden mit größerer Wahrscheinlichkeit am Ende auch erfolgreich sein. Trauen Sie sich, zu verhandeln, falls Ihre Antworten nicht befriedigend ausfallen, oder aber auch, nein zu sagen. Gerade am Beginn eines neuen Arbeitsverhältnisses (oder besser noch davor) stehen unsere Chancen gut, etwas zu fordern und zu verändern. 

Zu gut, um wahr zu sein, ist in der Regel auch zu gut, um wahr zu sein

Als Transformationsbegleiterin arbeite ich immer wieder mit Menschen, die sich in Karriereübergängen befinden. Es ist sinnvoll, sich gerade am Beginn dieser Phase Unterstützung zu holen. Oft kommen Strategie-Entscheider*innen erst in einem späteren Stadium zu mir, nämlich erst dann, wenn sie Karriereübergänge nicht oder falsch genutzt haben. Das Thema ist für viele schmerzhaft. Übers Scheitern spricht man nicht. Doch es passiert selbst den Besten. Mehr Führungskräfte, als man vermuten würde, beginnen neue Rollen ungelenk oder haben schon am Anfang kaum Chancen auf Erfolg.

Die Folge: Aufhebungsverträge nach der ersten Amtszeit, Kündigungen oder aber das berüchtigte Abstellgleis. Versprechen, die im Vorfeld einer neuen Positionierung gemacht wurden, gelten plötzlich nicht mehr, und die vorab schöngeredete Realität sieht mit Antritt völlig anders aus. Aus meiner Erfahrung weiß ich vor allem eines: Zu gut, um wahr zu sein, ist in der Regel auch wirklich zu gut, um wahr zu sein. Umso wichtiger ist es, zu hinterfragen und einen breiten Blick zu bewahren, bevor man sich für eine neue Position entscheidet.

Fehlentscheidungen sind teuer

Laut einer Studie der Society for Human Resource Management (SHRM) aus dem Jahr 2017 können die Kosten für das Scheitern einer neu eingestellten Führungskraft das bis zu Fünf- bis Zehnfache ihres jährlichen Gehalts betragen. Die finanziellen Auswirkungen umfassen Kosten für die Einstellung, Einarbeitung, mögliche Abfindungen und den Verlust von Produktivität. Zusätzlich zu den direkten Kosten können gescheiterte Karriereübergänge auch zu einer negativen Auswirkung auf das Arbeitsklima und die Motivation der Mitarbeitenden führen. Es ist daher von entscheidender Bedeutung, dass Unternehmen und Personalverantwortliche Kandidat*innen nicht nur im Einstellungsprozess überprüfen, sondern sie auch in der Transition aktiv begleiten. Dies geschieht viel zu selten. Eine erfolgreiche Integration neuer Führungskräfte kommt nicht automatisch und ist sowohl eine Bring- als auch eine Holschuld.

Ein Übergangsprogramm, das die Lernkurve der neuen Führungskraft unterstützt, fördert die frühe Bindung an das Unternehmen und stärkt das Teamgefühl. Derartige Onboarding Programme sollten als Standardmaßnahme in Unternehmen etabliert werden, um die Erfolgschancen neuer Führungskräfte zu erhöhen und die Kosten für gescheiterte Besetzungen zu reduzieren. Um das Potenzial neuer Leader*innen und Manager*innen optimal auszuschöpfen, rate ich darüber hinaus zu einer Coaching-Begleitung. Dies ist in den USA seit Langem üblich. Die Kosten für derartige Maßnahmen sind immer geringer als die Kosten für gescheiterte Besetzungen. 

Lesen Sie … 

Bei erfolgreichen Karrierewechseln greife ich gerne auf das Buch „Die entscheidenden ersten 90 Tage“ von Michael Watkins zurück. Dieses Buch ist so einfach wie klar. Wenn Sie es als Basis nehmen, lassen sich viele Fallen der ersten Monate vermeiden. Watkins sagt, egal, welche Erfolge Sie vorher gefeiert haben, beim Wechsel in eine neue Führungsposition ist alles anders. Wer in seiner neuen Rolle ausschließlich altbewährte Rezepte anwendet, statt sich aktiv auf neue Aufgaben einzurichten, wird scheitern. Der Schlüssel besteht darin, Ihre Strategie an die Situation anzupassen. Das erfordert Arbeit. Vor allem an sich selbst. 

… und nehmen Sie sich meine konkreten Handlungsempfehlungen für erfolgreiche Career Transitions zu Herzen 

Gemeinsam mit der Personalberaterin Stephanie Schorp von Comites biete ich Seminare für Top-Manager*innen zu diesem Thema an. Hier sind unsere Tipps für alle, die ja zu einer neuen Aufgabe gesagt haben: 

Zuhören statt Handeln 

Wenn Sie gerade in einer neuen Position angefangen haben, tun Sie vor allem eines: wirklich zuhören. Sagen Sie zunächst nicht viel. Analysieren Sie nicht zu sehr. Und gehen Sie auf keinen Fall gleich in die Offensive. Unterdrücken Sie den Wunsch, von Anfang an brillieren und alle mit Ihren genialen Ideen begeistern zu wollen. In Situationen, in denen es um Neuausrichtung oder nachhaltigen Erfolg geht, besteht kein dringender Bedarf an frühzeitigem Handeln. Sie können es sich leisten, sorgfältig zu analysieren, bevor Sie erste kritische Thesen teilen. 

Bleiben Sie in einer freundlichen Ehrlichkeit dabei. Es ist Führungsarbeit, etwas über die Politik und Kultur einer Organisation zu lernen. Es braucht Zeit. Daher muss das Zuhören, Beobachten und Sammeln von Informationen Ihr Auftrag sein. Nicht für eine oder zwei Wochen, sondern für mindestens zwei bis drei Monate. Der schnellste Weg, sich ins Aus zu begeben, ist es, zu kritisieren, was vor ihnen war. 

Beantworten Sie drei Fragen

Es ist wichtig, sich bei erfolgreichen Transitionen mit drei Fragen auseinanderzusetzen und die Antworten darauf ihrem neuen Team zu kommunizieren: 

  1. Was wird sich nie ändern? Was wird auch mit Ihnen als neue Führungskraft immer gleichbleiben? 
  2. Was ist jetzt nicht mehr möglich, was vorher möglich war? Diese Frage hilft auch dabei, zu verdeutlichen, inwiefern Sie Dinge ändern wollen. Was möchten Sie anders machen, was vorher Standard war? 
  3. Was ist jetzt möglich, was vorher nicht möglich war? Diese letzte Frage ist das Gegenstück zur zweiten Frage und bezieht sich ebenfalls auf Veränderungen, die Sie umsetzen möchten. Was möchten Sie ermöglichen, was vorher nicht möglich war? 

Setzen Sie sich mit Übergangsmodellen auseinander

Das gilt sowohl für Führungskräfte in neuen Positionen als auch für Personalabteilungen und Unternehmen im Allgemeinen. Ein bewährtes Übergangsmodell ist das Modell nach William Bridges, einem amerikanischen Autor, Redner und Organisationsberater, welches Organisationen und Einzelpersonen dabei unterstützt, die persönliche und menschliche Seite des Wandels zu verstehen und effektiver zu bewältigen. Das Modell zeigt die drei Phasen auf, die jede*r Einzelne während eines Wandels durchläuft: 

  1. die abschließende Phase oder das „Loslassen“ 
  2. die neutrale Zone 
  3. und der Neubeginn. 

Indem man sich mit diesen Phasen auseinandersetzt, kann man den Übergangsprozess besser verstehen und gezielt Maßnahmen ergreifen, um eine erfolgreiche Transition zu gewährleisten. 

„Ein guter Anfang macht ein gutes Ende.“ (Louis L’Amour) 

Mit diesem Artikel verabschiede ich mich nun, da meine Unternehmungen gewachsen sind und ich mich anderen Aufgaben zuwenden werde. Ich bedanke mich von Herzen bei den Leser*innen und das wundervolle Feedback auf bisherige Veröffentlichungen. Mein Dank gilt auch meiner Partnerin Daniela Luschin, ohne die diese Kolumne nie geschrieben worden wäre. Sie nimmt mir stets aufs Neue die Angst vor dem weißen Blatt und war federführend in jeder Ausgabe. Danke. Und take care.


Über die Autorin:

Sabine Gromer hat 20 Jahre ihrer Karriere in der Finanzwelt verbracht, in dieser Zeit verschiedenste Führungsrollen übernommen und in London, New York, Hongkong und Tokio gelebt. Zuletzt war sie als Managing Director die Global Head of Organisational Effectiveness bei der Rating-Agentur S&P Global Ratings (ehemals Standard & Poor’s Ratings) in London. Vor zweieinhalb Jahren ist sie nach Wien gezogen und hat sich mit der Gründung ihres Unternehmens MagnoliaTree einen Lebenstraum erfüllt. Heute wirkt sie als Executive Coach für Strategieentscheider*innen und als Transformationsarchitektin für Change Leadership und erforscht die Essenz von Würde.

Fotomaterial(c) Antje Wolm

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