Immer wieder wird geätzt, dass die „jungen Leute“ nur die Rosinen aus den Job-Brötchen picken wollen, über wenig Durchhaltevermögen besitzen und sich zu schade für sogenannte „Bullshit-Jobs“ sind.
Es fällt mir schwer, mich hier eindeutig zu positionieren.
Denn ich bin Journalistin geworden, um den „heißen Scheiß“ statt „Bullshit“ hautnah zu erleben. Manchmal ist es mir tatsächlich gelungen, sehr oft gab es aber auch Leerläufe und weniger inspirierende Arbeitsaufträge. Doch der Traum nach der nächsten großen, aufregenden, berührenden Geschichte hat mich weitermachen lassen.
Nun bin ich in einem Alter, in dem ich mir die eine oder andere Rosine rauspicken möchte. Hätte ich diese Einstellung bereits früher haben sollen und die leeren Kilometer anderen schenken sollen? Im Nachhinein weiß man es einfach nicht. Die richtige Abbiegung ergibt sich im Gehen und das wird jede Generation so erleben.
Ich gestalte also meine berufliche Bucket List immer wieder etwas um. Seit wenigen Wochen steht ein Name ganz oben: Özlem Türeci, Wissenschafterin und Mitgründerin von Biotech. Jetzt erst? Jetzt erst so deutlich. Gemeinsam mit ihrem Mann Ugur Sahin forscht sie seit mehr als sechzehn Jahren an einen Impfstoff, der die Menschheit von der Geißel Krebs als Todesurteil für noch immer viel zu viele Menschen befreien soll. Das Wissen, das sie ansammelten, ermöglichten die schnelle Entwicklung des Corona-Impfstoffes.
Das sind Themen, die polarisieren. Als Journalistin und Mensch fasziniert mich die Konsequenz, die Brillanz, die Bestimmtheit, die von allen Aussagen und Eindrücken Özlem Türecis ausgeht. In meinem Laien-Auge drängen sich Vergleiche mit der außergewöhnlichen Persönlichkeit Marie Curies und ihren bahnbrechenden Erkenntnissen für die Menschheit auf.
Natürlich kann nicht jede von uns Atomforscherin, geniale Medizinerin oder Forscherin sein. Aber wie wäre es, in seinem Bullshit-Job einen Sinn zu suchen, wie man das Rad ein wenig weiter drehen könnte?
Özlem Türeci war heuer für eine Minerva in der Kategorie „Lebenswerk“ nominiert. Gewonnen hat die wunderbare Zeitzeugin Erika Freeman, die uns alle mit ihren in 97 Jahren ausgereiftem Esprit und Lebenswitz umgehauen hat. Never give up! Ich werde meine Bucket List gut pflegen und wer weiß, was in einem Jahr bei der nächsten Minerva geschieht …