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Karrierewege für Spätaufsteher*innen

Von Antonia Wallner

Wer Karriere machen will, muss so wie Apple-Chef Tim Cook um 3 Uhr 45 aufstehen – oder zumindest pünktlich um acht Uhr im Büro sein? Nicht unbedingt. Es gibt zum Glück auch Jobs, in denen Spätaufsteher*innen nach ihrer inneren Uhr leben können.

Gehören Sie zu den Menschen, die spätabends erst so richtig auf Touren kommen? Ist Sonnenaufgang für Sie ein Zeichen dafür, dass es langsam Zeit wird, ins Bett zu gehen? Meiden Sie Acht-Uhr-Termine wie der Teufel das Weihwasser? Und ist die Hölle für Sie überall dort, wo vor zehn Uhr vormittags ein Wecker läutet? Dann sind Sie vermutlich eine sogenannte „Eule“ – ein Chronotyp, der morgens schwer in die Gänge kommt und dafür abends länger leistungsfähig bleibt. Menschen dieser Art haben es in unserer Gesellschaft nicht immer leicht. Ob Schulwesen, Arbeitswelt oder Alltagsorganisation – auch rund 250 Jahre nach der Erfndung des elektrischen Lichts scheint das moderne Leben vor allem auf den Biorhythmus von Morgentypen– auch „Lerchen“ genannt – ausgerichtet zu sein. Businessmeetings werden gerne auf den Vormittag gelegt, Ämter schließen häufig zu Mittag, und Sprüche wie „Der frühe Vogel fängt den Wurm“ oder „Morgenstund’ hat Gold im Mund“ werden eifrig verwendet, um Frühaufsteher zu ehren. Wer morgens leicht aus den Federn kommt, gilt als fleißig und arbeitsam. Umgekehrt haftet Spätaufsteher*innen der Ruf an, faul und unpünktlich zu sein. Was ebenso unfair ist wie die Bezeichnung „Langschläfer*in“. Schließlich schlafen Eulen nicht länger als Lerchen, im Gegenteil: Dadurch, dass sie später zu Bett gehen und von ihrer Umwelt dazu gezwungen werden, trotzdem morgens aktiv zu sein, ist ihre Nachtruhe zumeist deutlich kürzer als die von Leuten, die um neun Uhr abends vor dem Fernseher zu schnarchen beginnen.

Folge deinem Biorhythmus

Mittlerweile gibt es zahlreiche Studien, die belegen, dass Abendmenschen im Berufsleben keineswegs zu den Schlafmützen zählen. So hat etwa eine Untersuchung der Universität Southampton ergeben, dass sie durchschnittlich höhere Einkommen erzielen und weniger oft körperliche Arbeiten verrichten, dafür überdurchschnittlich oft Besitzer*innen von Eigenheimen sind. Auf der Plattform Research Gate liest man, dass sie das bessere Gedächtnis haben, Frühaufsteher*innen bei den kognitiven Fähigkeiten schlagen und offener für Neues seien. Und laut einer Untersuchung unter Rekruten der US-Airforce sind Abendmenschen eher in der Lage, um die Eckezu denken – selbst dann, wenn sie diese Denkaufgabe frühmorgens gestellt bekommen.

Trotzdem sollten Eulen versuchen, in einem Job tätig zu sein, der ihnen erlaubt, ihrem natürlichen Biorhythmus zu folgen. Denn das Leben gegen die innere Uhr kann einer Studie der Universität Pittsburgh zufolge zu einem „sozialen Jetlag“ führen. Mögliche Folgen sind psychische Probleme, Übergewicht oder Krankheiten wie Diabetes. Dazu kommt, dass Arbeit einfach mehr Spaß macht, wenn man ausgeschlafen ist und sich mit der aktuellen Tageszeit wohlfühlt. Zum Glück gibt es zahlreiche Berufe und Branchen, die es Spätaufsteher*innen leichter machen, ganz in ihrem Element zu sein. Dazu zählt die (derzeit stark unterbesetzte) Gastronomie – sofern man kein Frühstückslokal betreibt – und die Arbeit im Rahmen von Abend-Events, etwa am Theater, im Kinooder in Konzert-Locations. Kreativlinge wie Texter*innen und Grafiker*innen starten häufig später in den Tag und werken dafür bis spät, vor allem, wenn sie freiberuflich tätig sind.

Aber auch Taxifahrer*innen, Zugbegleiter*innen und Tankstellenbedienstete haben perfekte Chancen auf Abenddienste, ebenso wie Menschen, die in der Hotellerie, in Tanzschulen oder in Fitnessstudios tätig sind, die zumeist abends ihre Hauptgeschäftszeit haben. Ähnliches gilt für Casinos: Hier kann man in Österreich seit 2006 als Croupière für Ordnung am Spieltisch sorgen – mit Arbeitszeiten bis in die frühen Morgenstunden. Besonders nachtintensiv und somit für nur ganz eingefeischte Eulen geeignet sind Berufe wie DJane oder Sicherheitsbeauftragte: Security-Jobs bestehen zu 70 Prozent aus Nachtarbeit. Und natürlich sind auch Detektiv*innen und Polizist*innen häufig in der Dunkelheit unterwegs – wobei man hier, ebenso wie im Gesundheitsbereich, auch Frühdienste einkalkulieren sollte.

Ideal für Langschläfer*innen: IT-Jobs

Ein Berufsfeld, in dem besonders viele männliche Eulen nisten, in das aber erfreulicherweise auch immer mehr Frauen vordringen, ist der IT-Bereich. Tatsächlich kommt das Klischee von den Nerds, die ihre Nächte vor dem Bildschirm verbringen und vormittags nur selten im Büro anzutreffen sind, nicht von ungefähr. Das liegt laut dem Entwickler Swizec Teller nicht zuletzt daran, dass nach Sonnenuntergang einfach mehr Ruhe herrscht. In seinem autobiografischen Buch „Why Programmers Work At Night“ erklärt er, dass die Kunst des Programmierens im „Flow“ liege – also im konzentrierten, intrinsisch motivierten Arbeiten ohne Unterbrechung, Ablenkung, Zwang oder Druck. Kluge Firmenchefs haben längst erkannt, dass man Mitarbeiter*innen aus diesem Bereich möglichst nicht zu Neun-Uhr-Besprechungen und fixen Arbeitszeiten drängen sollte, weil man damit ihre Kreativität und ihre Motivation reduziert – und zudem jobsuchende High Potentials abschreckt. Deshalb findet man im IT-Bereich immer wieder maximale Freiräume, was die Zeiteinteilung betrifft. 

Fight for your rights!

Und wenn all diese Berufsfelder zwar auf die chronobiologische Prägung, aber nicht auf die eigenen Fähigkeiten und Interessen passen? Dann bleibt immer noch die Möglichkeit, sich für die Rechte von Eulen am Arbeitsplatz zu engagieren– so wie die dänische Work-Life-Balance-Beraterin Camilla Kring. Die von ihr gegründete B-Society ist mittlerweile in 50 Ländern aktiv und propagiert Sonderverträge für Menschen, die nachmittags und abends aktiver sind. „Am Anfang dachten einige Leute schon, dass das ein wirklich guter Witz ist“, erzählt die selbstständige Work-Life-Balance-Beraterin in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Doch Kring meint es ernst. „Wir leben nicht mehr in der industriellen Gesellschaft, in der man mit den Kühen aufstehen muss. Jeder sollte gemäß seinem individuellen Rhythmus arbeiten dürfen.“ Wer sie unterstützen möchte, findet auf ihrer Websiteb-society.org alle nötigen Informationen, aber natürlich kann man auch eigene Initiativen gründen und an besseren Gleitzeitmodellen im eigenen Land arbeiten. Wann man das am besten macht? Natürlich nach 10 Uhr abends, wenn die verschlafenen Morgenmenschen schon im Reich der Träume sind – und einen niemand mit Fragen wie „Was machst du denn so spät noch am Computer“ bei der Arbeit stört.


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