»Whisky habe ich selbst erst im Alter von 23 Jahren lieben gelernt«, sagt Kirsten Grant Meikle vergnügt. Die heute 44-Jährige kann sich noch genau an den Abend erinnern, an dem ihre Leidenschaft für die edle Spirituose geweckt wurde. »Wir hatten Gäste aus Südafrika und mein Vater hat für uns eine kleine Verkostung vor dem Kamin gemacht. Heute weiß ich daher, dass man Whisky zuerst verstehen muss, dann muss man ihn schätzen und erst dann kann man ihn lieben«, sagt die gebürtige Schottin.

132 Jahre in Familienbesitz

Den Grundstein der ersten Brennerei des Familienkonzerns »William Grant & Sons«, welcher heute der größte Scotch-Malt-Whisky-Produzent ist, legte Kirsten Grant Meikles Ur-Urgroßvater 1886. William Grant hegte zeitlebens den Traum, den »besten Whisky im Tal« zu machen. Mit seinem gesparten Geld kaufe er ein Stück Land und nannte es Glenfiddich, gälisch für »Tal der Hirsche«. »Mein Ur-Urgroßvater baute unsere erste Brennerei mit seinen eigenen Händen und der Hilfe seiner sieben Söhne und zwei Töchter. Bis heute arbeiten ein paar Familienmitglieder im Unternehmen mit und werden wohl als billige Arbeitskräfte angesehen«, scherzt die Erbin der berühmten Whisky-Dynastie. Der weltweit am häufigsten ausgezeichnete Single Malt Scotch Whisky wird tatsächlich bis heute in derselben Brennerei hergestellt, die seit fünf Generationen in Familienbesitz ist. »Da wir noch immer zu 100 Prozent Eigentümer unseres Unternehmens sind, haben wir auch die volle Kontrolle über unser Schicksal. Die Vision und Strategie von William Grant & Sons ist sehr langfristig angelegt. Wir wollen die begehrteste Spirituosenmarke der Welt sein und das Unternehmen für die nächsten Generationen bewahren. Somit sind wir die Hüter des Erbes meines Ur-Urgroßvaters«, sagt Kirsten Grant Meikle, die selbst keine Kinder hat. Die Kinder ihres Bruders stehen aber schon in den Startlöchern. »Das jüngste Familienmitglied der siebten Generation ist vier Jahre alt«, erzählt sie. Von 45 Familienmitgliedern arbeiten ansonsten noch vier ihrer Cousins für William Grant & Sons.

Von Wein zu Whisky

Wer Karriere in der Familie Grant machen will, startet die berufliche Laufbahn nie im Familienunternehmen, sondern arbeitet zunächst einige Jahre anderswo. »Bei meinem Eintritt in den Konzern 2012 war es sehr hart für mich – ob es daran lag, dass ich ein Familienmitglied oder eine Frau bin, weiß ich bis heute nicht. Damals hatten wir mit CEO Stella David noch eine Frau an der Spitze, aber dennoch war das Unternehmen sehr männlich ausgerichtet. Wahrscheinlich war es für meine Kollegen am Anfang ungewohnt, dass ich gleichzeitig Familienmitglied und weiblich bin. Ich muss heute härter und besser arbeiten als alle anderen«, erklärt Kirsten Grant Meikle. Als Tochter eines Bierbrauers startete sie ihre Karriere – nach dem betriebswirtschaftlichen Studium – in der Bar »Ecco Vino« in Edinburgh, die sie leitete. Danach lernte sie als »Wine Controllerin« beim britischen Getränkegroßhändler Matthew Clark alles über den Verkauf und Vertrieb verschiedener Getränkesparten. »Acht Jahre später fragte mich, mein leider 2013 verstorbener Onkel und ehemaliger Vorstand Charles Grant Gordon, ob ich für unser Unternehmen arbeiten will«, erzählt die jetzige US Commercial Strategy Directrice.

Vor eineinhalb Jahren ist sie von London nach Los Angeles gezogen, um den dortigen Markt zu betreuen. Die USA machen für William Grant & Sons ein Drittel des Absatzes aus und sind der größte Markt, gefolgt von Frankreich und Großbritannien. Im Jahr 2017 erwirtschaftete die Limited Company einen Umsatz von 1,2 Milliarden Pfund. 96 Prozent des Gewinns werden in das Familienunternehmen reinvestiert und zwei Prozent an gemeinnützige Projekte in Schottland gespendet.

Fauen auf dem Vormarsch

Im Moment geht der Trend der Whisky-Branche in Richtung »Weniger ist mehr«. »Die Leute trinken weniger, aber in höherer Qualität. Zusätzlich wollen unsere Kunden mehr darüber erfahren, was sie genau trinken und wie die Geschichte dahinter ist. Da haben wir gerade rund um Glenfiddich viel zu erzählen, da wir noch immer nach demselben Verfahren wie vor über 130 Jahren produzieren«, erzählt Kirsten Grant Meikle.

Bei der weiblichen Zielgruppe kommt der zwölf Jahre alte Double Wood Single Malt Whisky aus der Destillerie »The Balvenie« am besten an, wie die Whisky-Expertin verrät. Nach Angaben der »Scotch Whisky Association« ist dieser Scotch aus

dem Hause William Grant & Sons im Geschmacksspektrum der zweitsüßeste. »Frauen ziehen grundsätzlich die süßeren Noten, wie in diesem Fall fruchtige Orangen, Pflaumen, cremige Vanille und Karamell, vor«, führt sie weiter aus. In der Getränke-Branche ist zudem allgemein bekannt, dass Frauen die feineren Gaumen und einen besseren Geschmacks- und Geruchssinn haben, was sie zu optimalen Whisky-Kreateurinnen macht – wissenschaftlich bewiesen. »Frauen können Geschmäcker multidimensional wahrnehmen und viel besser zwischen verschiedenen Aromen unterscheiden. Aktuell gibt es mehr Destillateurinnen als jemals zuvor«, sagt Grant Meikle.

Wo aber ihrer Meinung nach noch einiges getan werden muss, ist bei der Besetzung weiblicher Führungskräfte. »Wir machen viel in den Bereichen Diversität und Inklusion. Obwohl es in den letzten Jahren einen großen Zuwachs an Mitarbeiterinnen gegeben hat, sind Frauen in den Managementebenen noch immer unterrepräsentiert. Das auszugleichen haben wir noch nicht geschafft«, sagt sie und freut sich umso mehr, dass es noch nie so viele weibliche Whisky-Fans gegeben hat. Ihrer Meinung nach, »verdienen Frauen immer besser und können sich deshalb auch besseren Whisky leisten«. Welchen Whisky Kirsten Grant Meikle selbst am liebsten trinkt, ist übrigens von vier Faktoren abhängig. »Wo ich bin, mit wem ich unterwegs bin, was ich esse und wer bezahlt«, sagt sie lächelnd.

Dieser Artikel stammt aus der ersten Ausgabe von Sheconomy. Mehr aus unserem Genuss-Ressort lesen Sie in ebendieser.

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