Gewebte Magie

Afrika ist bekannt für Safaris und magische Landschaften, aber auch modisch hat der Kontinent einiges zu bieten. Das vielfältige kulturelle Erbe, die reichhaltigen Bodenschätze und der Schwerpunkt Natur und Nachhaltigkeit steht bei afrikanischen Designer*innen im Mittelpunkt. Das Buch „Afrika in Mode“ gibt einen umfassenden Überblick über alte Techniken und afrikanische Kreative in der Mode.

Geschichte der Mode in Afrika

Afrika ist sowohl in politischen als auch in sozioökonomischen Bereichen geprägt vom europäischen Kolonialismus des späten 18. Jahrhunderts bis ins 20. Jahrhundert. Auch die Mode wurde zu einem starken Instrument der Kolonialmächte. Wer sich den Kleidungsstilen der jeweiligen Besatzer anpasste und sein traditionelles Gewand aufgab, bekam beispielsweise die Staatsbürgerschaft verliehen (Frankreich, Portugal). Frankreich profitierte als Kolonialmacht sehr stark von den reichen Rohstoffvorkommen in Afrika und wurde so zum Zentrum der Mode. Sowohl Holz und Kautschuk als auch Gold und Diamanten waren für die Luxusmodehäuser in ihren Produktionen unverzichtbar. Louis Vuitton fertigte beispielsweise seine Koffer aus dem sehr robusten Holz des Okoumé-Baums.

Johanna Bramble lässt alte Webtechniken mit neuer Technik wiederauferstehen.

Umgekehrt studierten durch die Globalisierung viele afrikanische Designer an renommierten europäischen Modeschulen und besannen sich dort auf ihr kulturelles Erbe. So auch der in Algerien geborene Designer Yves Saint Laurent, der 1967 in seiner Kollektion „African Queen“ seinem Heimatkontinent Tribut zollte. Mit Materialien wie Holz, Raffia und Goldfäden trug Saint Laurent dazu bei, das afrikanische Handwerk wiederzubeleben und einem Haute-Couture-Publikum näherzubringen. Die Kollektionen „Safari“ (1968) und „Moroccan“ (1970) folgten, und ein Großteil seines Vermächtnisses ist noch heute im Musée Yves Saint Laurent in Marrakesch zu sehen.

Die beschwingten Kleider des Labels Sika’a sind ein Garant für gute Laune. Die Prints sind inspiriert von der Kultur, Tradition und Schönheit Afrikas.

Alte Technik – neue Designer

Afrikas Textilwirtschaft umfasst viele verschiedene Webtechniken wie Kente und Aso-oke. Das Kente-Verfahren wurde als Zeremonialstoff verwendet und war Königen vorbehalten. Dabei werden Seidenfäden schachbrettartig miteinander verwebt, sodass das Resultat einem Spinnennetz ähnelt. Das Aso-oke-Verfahren stammt aus Nigeria und wird in Streifen gewebt. Durch den österreichisch-nigerianischen Designer Kenneth Ize gelangte dieses Verfahren besonders bei nigerianischen Millennials zu neuer Beliebtheit.

Drucke, Färbungen und Stempel, die eindrucksvolle Muster und Farben ergeben, zeigen regionale Unterschiede und gesellschaftliche Hierarchien auf. Vor allem das Färben und Drucken eines Stoffs mit pflanzlichen Farbstoffen wie Indigo ist bis heute eine beliebte Technik. Beim Wachsimitationsdruck werden beispielsweise Teile des Stoffs abgebunden und mit Wachs behandelt, um bestimmte Stellen an der Aufnahme von Farbe zu hindern. So entsteht der beliebte Batik-Druck.

David Thale

Die Generation Couture – Afrikas Pioniere unter den Designer*innen

In den 1950er und 1960er Jahren etablierten sich viele junge Designer in Afrika, die, ähnlich wie Yves Saint Laurent, eine Modeschule in Europa besuchten und dann in ihr Heimatland zurückkehrten. Der Modeschöpfer Alphadi, geboren in Timbuktu, lernte unter anderem bei den großen Designern wie Yves Saint Laurent und Paco Rabanne. Sein größter Erfolg war die Einladung als erster afrikanischer Designer der Fédération de la Haute Couture et de la Mode in Paris zur offiziellen Haut-Couture-Saison.

Der gebürtig aus Burkina Faso stammende Designer Pathé Ouédraogo gründete sein Label Maison Pathé’O in Abidjan, Elfenbeinküste. Als die südafrikanische Sängerin Miriam Makeba bei ihm bunte Hemden als Geschenk für Nelson Mandela kaufte und dieser die Hemden bei einem Staatsbesuch in Frankreich trug, war das sein internationaler Durchbruch. Für die DIOR Cruise Collection 2020 brachte Chefdesignerin Maria Grazia Chiuri viele afrikanische
Designer zusammen, die auf alte Handwerkskunst spezialisiert sind und nur in Afrika produzieren. Chiuri arbeitete unter anderem mit Pathé’O für diese Kollektion zusammen, um einen Look zu Ehren des verstorbenen Präsidenten Nelson Mandela zu kreieren. Aber auch Uniwax, ein Designstudio mit angeschlossener Fabrik mit Sitz an der Elfenbeinküste, das zu 100 Prozent in Afrika gefertigtes Wachsgewebe produziert, oder Sumano, ein Verband, der um die Erhaltung der Fähigkeiten und Traditionen der Weber*innen und Töpfer*innen der Antiatlas-Region bemüht ist, waren Teil der DIOR-Kollektion. Die Präsentation der Cruise-Kollektion fand mit viel Beachtung im April 2020 im El-Badi-Palast in Marrakesch statt.

Gelbes Taxi Kleid von Maison ARTC in Anspielung auf das dichte Taxitreiben in New York City.

Afrikanische Designer heute

Wer schon in Afrika war, weiß, dass es dort das schönste Licht gibt. Das magische Farbenspiel der Natur spiegelt sich in den Stoffen Afrikas wider. Ende Oktober verwandelte sich die Hauptstadt Nigerias wieder zum Modemekka. In Lagos fand das Pan-Afrikanische Event bereits zum zwölften Mal statt und zog Designer*innen von Kenia bis zur Elfenbeinküste an. „Alte“ Labels wie IAMISIGO, Orange Culture sowie auch junge Marken wie Lilabare aus Kenia oder Kente Gentlemen aus Elfenbeinküste präsentierten ihre Kollektionen auf der Lagos Fashion Week. Bei uns sind sie weitestgehend unbekannt, aber Stars wie Beyoncé und Naomi Campell tragen regelmäßig Looks afrikanischer Designer*innen, um die kulturelle Renaissance Afrikas in der ganzen Welt voranzutreiben.

Dazu zählt auch der bereits erwähnte österreichisch-nigerianische Designer Kenneth Ize. 2019 war er Finalist beim begehrten LVMH-Prize, und mittlerweile hat Ize seine eigene Fabrik in Lagos mit der größten Weberei Nigerias. Er beschäftigt 30 Weber*innen und trägt zum Erhalt alter Techniken wie dem Asooke-Verfahren bei.

Das Projekt UNHCR Weaving for Change bietet geflüchteten Frauen aus dem Sudan eine Ausbildung und Lebensunterhalt.

Zeitgleich mit der Fashion Week fand in Lagos auch die UNESCO-Konferenz mit der Präsentation des jüngsten African Fashion Report statt. Audrey Azoulay, Generaldirektorin der UNESCO, zitierte aus dem Bericht: „Der Kontinent [Afrika] hat alle Voraussetzungen, um einer der nächsten globalen Modeführer zu werden, wenn öffentliche Entscheidungsträger allen, die in der Branche arbeiten und eine Rolle im Mode-Ökosystem spielen, mehr Unterstützung bieten.“

Die Initiatorin der Lagos Fashion Week, Omoyemi Akerele, sagte dazu vor Ort: „Die Lagos Fashion Week in dieser Saison war eine Verstärkung unseres Engagements für den Kontinent. Der Bericht unterstreicht wirklich die Dynamik des Mode-Ökosystems des Kontinents, die ein Schlüssel für die Förderung einer nachhaltigen Entwicklung sein kann.“

Nachhaltigkeit als Luxus

Wie bereits im UNESCO-Bericht erwähnt, hat Afrika alle Voraussetzungen, der nächste globale Modeführer zu werden. Zukunft sein kann, denn ohne Kultur sind wir nichts“, sagt Artsi Ifrach im Interview mit sheconomy. Seine Kund*innen kommen aus der ganzen Welt. Über eine nachhaltige Zukunft in der Mode meint Ifrach: „Es wird darauf ankommen, ob sich große Marken zurückziehen, die Globalisierung verlangsamt wird und kleinere Designer die Verantwortung für eine achtsame Produktion und Gestaltung übernehmen.“

Die Entwürfe von Tokyo James werden alle in hochwertigster Handarbeit in Lagos gefertigt. Die Tasche Ata Rodo wurde bereits zur Ikone der Brand.

Der neue Kolonialismus heißt: Müll

Nachdem Afrika von Europa dekolonisiert wurde, wird der Kontinent erneut vom globalen Norden kolonisiert. Das Schlagwort heißt Waste Colonialism und bedeutet, dass der globale Norden (wir) unsere alten Kleider und Elektromüll in den globalen Süden (Afrika, Südamerika) verschiffen. Wenn wir Altkleider in den Altkleidercontainer werfen und meinen, etwas Gutes zu tun, landen davon nur circa 12 Prozent bei Bedürftigen. Der Rest
wird zu Putzlappen verarbeitet, der größte Teil aber findet sich auf dem größten Second-Hand-Markt der Welt in Accra, Ghana, wieder. Auf dem Kantamanto-Markt landen 15 Millionen Kleidungsstücke. Pro Woche. Und jährlich werden 100 Milliarden Kleidungsstücke weltweit neu produziert. Wer soll das alles tragen?

In Accra werden bei Flut Wellen aus Kleidungsstücken an Land gespült, weil die Qualität der Kleidung so schlecht ist und nicht verkauft werden kann. Die Textilien landen dann einfach im Meer. Die OR Foundation hat die Initiative „Stop Waste Colonialsim“ ins Leben gerufen, um auf die Situation am Kantamanto-Markt aufmerksam zu machen. „Zu viel Kleidung. Zu wenig Gerechtigkeit“, lautet ihre Forderung. Mit Upcycling-Projekten versuchen sie die Menge an Müll zu reduzieren. Ein Ende dieses Kolonialismus ist leider nicht in Sicht.


Zur Autorin:

Unter alexandras.me betreibt Alexandra Russ einen Modeblog, auf dem sie Nachhaltigkeit und Style miteinander verbindet. Ihr Credo: Jede*r kann sich seinen* ihren Kleiderschrank „hochwertig, nachhaltig und verantwortungsvoll“ gestalten, sodass sich „Mode mit unserer Umwelt verträgt und trotzdem hochwertig und fancy ist“.


Buch:

„Afrika in Mode“ von Ken Kweku Nimo
Midas Verlag (2023)
208 Seiten, 39 Euro

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