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Gerlinde Macho: Digitalisierung im Gesundheitswesen

Gerlinde Macho gründete 1999 gemeinsam mit Manfred Pascher MP2 IT-Solutions. Das eigentümergeführte IT-Unternehmen verfügt über mehrere Standorte in ganz Österreich und bündelt die langjährige Expertise im Gesundheitsbereich im eigenen Competence Center für Digital Healthcare. 2021 wurde das Engagement von MP2 IT-Solutions mit dem equalitA-Gütesiegel im Bereich Chancengerechtigkeit ausgezeichnet. Im Interview verrät Gerlinde Macho, vor welchen Herausforderungen ihre Branche steht.

Der technologische Fortschritt verändert den Healthcare-Sektor rasant. Was sind die großen globalen Trends in diesem Bereich, für die sich das österreichische Gesundheitswesen rüsten muss. Wo steht die Branche aktuell und wo geht es hin?

Die Digitalisierung ist eine zentrale Säule, um unser Gesundheitssystem weiterzuentwickeln. Es betrifft eine Vielzahl von Bereichen – von der Optimierung von administrativen Prozessen und Abläufen über den verbesserten und sicheren Datenaustausch bis hin zur Verbesserung der Behandlung von Krankheiten.

Neben dem Einsatz Künstlicher Intelligenz, wo es auch stark um die Individualisierung von Behandlungen, Medikamenten-Entwicklung und Therapien sowie Diagnostik geht, spielt meiner Meinung nach vor allem auch die individuelle Patient:innen-Experience sowohl in der realen Welt, also in den Gesundheitseinrichtungen, als auch in der digitalen Welt eine große Rolle.

Da gilt es, die Schnittstellen dieser „Welten“ dementsprechend userfreundlich und barrierefrei zu gestalten. Wer hätte vor 10 Jahren gedacht, dass wir zum Beispiel mit der Apple Watch täglich ein 1-Kanal-EKG am Armgelenk tragen. Hier werden sehr persönliche Daten erhoben, daher sind zuverlässige und sichere Digitalisierungslösungen gerade im Gesundheitswesen ein absolutes Muss.

Mit Ihrer 1999 gegründeten Firma MP2 IT-Solutions sind Sie mittlerweile Marktführer bei bestimmten medizinischen Software-Lösungen. Hier sticht beispielsweise infomed.360 hervor, dazu haben Sie sogar ein eigenes Competence Center für Digital Healthcare. Welche innovativen Services bieten Sie heimischen Gesundheitsbetrieben?

Wir unterstützen mit einer Vielzahl an Tools und unseren Services medizinische Einrichtungen bei der Verbesserung ihrer Prozesse und Administration – von der Arztpraxis, Reha-Zentrum bis zum Krankenhaus – sodass das medizinische Fachpersonal mehr Zeit und Ressourcen für das Wesentliche hat: die Patient:innen.

Mit unserem Competence Center Digital Healthcare by MP2 IT-Solutions haben wir unsere langjährige Expertise und IT-Kompetenz gebündelt. Hier entstehen unsere Digital-Healthcare-Lösungen, wie das medizinische Informationssystem infomed.Cockpit, ein Online-Portal für Patient:innen sowie innovative Apps, wie auch eine Patienten-App namens info.James.

Wir bieten eine Vielzahl von digitalen Lösungen für Einrichtungen im Healthcare-Bereich. So wurde beispielsweise mit unserer Software infomed.Cockpit der erste Befund eines Ambulatoriums in ELGA (Elektronische Gesundheitsakte) veröffentlicht.

Wie könnten Patient:innen von neuen technologischen Entwicklungen rund um Künstliche Intelligenz (KI) oder die Anbindung von Smart Medical Devices in Zukunft profitieren?

Schon heute wird über diverse Sensoren in smarten Alltagsgegenständen oder eigenen Smart Medical Devices ein umfangreiches Gesundheitsprofil erstellt – vom Fitnesslevel über die Herz-Kreislauf-Gesundheit bis zu Ernährungsempfehlungen. Dieser Trend wird sich weiter verstärken – es werden mehr und mehr Gesundheitsdaten erhoben und mittels KI und Big Data Analysen in Verbindung gebracht, um den Gesundheitszustand zu dokumentieren und Empfehlungen abzugeben.

Der nächste logische Schritt ist, Ärzt:innen und medizinisches Fachpersonal stark einzubinden. Sie können auf Basis dieser Daten regelmäßig die eigene Gesundheit verbessern oder im Krankheitsfall die Behandlung individualisieren und optimieren.

Worauf kommt es bei Digitalisierungsprojekten im Healthcare-Bereich an?

Digitalisierungsprojekte sind immer mit und für Menschen gedacht. Digitalisierung darf kein Selbstzweck sein, sie muss immer die Menschen unterstützen. Medizinischem Fachpersonal sollen dadurch im Endeffekt, mehr Ressourcen für Patient:innen zur Verfügung stehen. Die digitale Zukunft im Gesundheitswesen muss aktiv und verantwortungsbewusst gestaltet werden.

Frauen sind im Gesundheitswesen traditionell stark vertreten. In der IT-Branche sind sie klar in der Unterzahl. Birgt die Verbindung der beiden Bereiche ihrer Ansicht nach die Chance, mehr Frauen für diesen Karriereweg zu begeistern?

Ja, Frauen sind im IT-Sektor stark unterpräsentiert – mit nur 18% in Österreich. Dagegen sind im Gesundheitswesen doch überwiegend Frauen beschäftigt – vorwiegend in der Gesundheits- und Krankenpflege. Wobei die Führungsetage zunehmend männlich besetzt wird. Dabei können gerade Personen beziehungsweise Fachkräfte mit interdisziplinären Kompetenzen, die das Verständnis für beide Branchen mitbringen, im Gesundheitswesen schnell Schlüsselpositionen einnehmen.

In unserem Fall Digitalisierung und Knowhow im Gesundheitsbereich. Die digitale Transformation hat sich bereits strukturell in der Gesundheitsbranche ausgewirkt. Das heißt, eine interdisziplinäre Perspektive ist nun ein wesentlicher Faktor. Dabei entstehen bereits jetzt zahlreiche neue Berufsbilder und Karrieremöglichkeiten. Was das Berufsfeld betrifft, sehe ich vor allem tolle Karrierechancen sowie Aufstiegsmöglichkeiten für Frauen in der Gesundheitsbranche sowie auch im Digital-Healthcare-Sektor.

Auch für Quereinsteigerinnen aus dem Gesundheitswesen, die in die IT-Branche umsatteln möchten, tun sich viele spannende, neue und zukunftsträchtige Berufe auf. Ausgestattet mit technologischem Verständnis und kombiniert Wissen aus Betriebswirtschaft und Medizin lassen sich neue Verantwortungsbereiche übernehmen, sowie Innovationen und (Digitalisierungs)Projekte gut meistern.

Welche Skills sind Ihnen bei Teammitgliedern bei MP2 IT-Solutions wichtig?

Auch wir suchen immer wieder Schlüsselpersonal. Personen, die beide Welten gut kennen – das heißt: jene, die die Strukturen der Gesundheitsbranche kennen, Praxiserfahrung haben und über Digitalisierungsverständnis verfügen. Sie kennen die Anforderungen der Praxis sowohl des medizinischen Personals als auch der Patient:innen.

Das ist wertvoller Input für die jeweiligen Digitalisierungsinnovationen und -projekte. Denn sie kennen die Anforderungen, Strukturen und Arbeitsweisen in Gesundheitsbetrieben und verfügen gleichzeitig über das technische Verständnis in Bezug auf die praktische Umsetzung. So entstehen neue Berufsbilder und Weiterqualifizierungsmöglichkeiten – das gilt natürlich nicht nur für Frauen.

Wie viele weibliche Entwicklerinnen und Digitalisierungsexpertinnen haben Sie im Team?

Im Competence Center Digital Healthcare by MP2 IT-Solutions sind bei uns zwei Frauen tätig. Eine Frau ist direkt als Software-Entwicklerin, in einem 10-köpfigen-Team in der reinen Programmierung tätig. Zudem ist eine Frau als Projektmanagerin für Healthcare-Projekte verantwortlich. Auch im Bereich IT & Security haben wir eine Frau, die voll und ganz in der Technik ist.

In unserer Web- und App-Agentur, wo wir beispielsweise die Patienten-App entwickeln, ist derzeit eine Frau tätig und in der Digitalisierungsberatung haben wir auch eine Frau. Wir wissen alle, das ist viel zu wenig. Wir brauchen unbedingt mehr Frauen in den technischen Abteilungen. Wir versuchen daher aktiv, Frauen für technische Positionen in unserem Unternehmen bei Bewerbungen anzusprechen. Aber wir wissen auch alle, dass es derzeit aufgrund des Arbeitsmarktes, sowieso schwierig ist, ausreichend qualifizierte Fachkräfte zu bekommen.

Welche Strategien nutzen Sie, um weibliche Talente gezielt anzuwerben?

Wir setzen viele kleine und große Maßnahmen für Chancengerechtigkeit und um mehr Frauen in die IT-Welt zu holen. Als Vorstandsmitglied beim Verband Österreichischer Software Innovationen (VÖSI) ist es mir auch besonders wichtig, dass Initiativen vor allem auch für die gesamte IT-Branche gesetzt werden. So wurde Anfang 2020 die Special Interest Group WOMENinICT von sechs Branchenkolleginnen gegründet, wo wir von MP2 IT-Solutions auch Mitbegründer sind.

Beispielsweise fand am 12. September im Rahmen der Initiative SHEgoesDIGITAL ein IT-Praxistag bei uns unter dem Motto #letITshine statt. Hier hatten interessierte Frauen die Möglichkeit, in die Welt der Digitalisierung zu schnuppern und unseren IT-Expert:innen bei der Arbeit über die Schulter zu schauen. SHEgoesDIGITAL ist ein Programm von <idc> Initiative Digitalisierung Chancengerecht von und mit Doris Schmidauer, Marlies Lenglachner und Microsoft Österreich. Ich bin <idc> Bündnispartnerin und somit MP2 IT-Solutions auch. Wir engagieren uns als Kooperationsunternehmen und bieten Schnuppertage sowie Mentoring an.

Im Vorjahr wurde MP2 IT-Solutions zum familienfreundlichsten Mittelbetrieb Wiens gekürt und unser unternehmensinternes Gesundheits- und Bewegungsprogramm namens fit@MP2 bereits mehrmals ausgezeichnet. Gerade um den Fachkräftemangel entgegenzuwirken, sollten sich Unternehmen das Potenzial der Hälfte der Bevölkerung nicht ungenutzt entgehen lassen. 

www.mp2.at

Fotomaterial© MP2

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