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Gemeinsam statt einsam

Kennen Sie den Gender Loneliness Gap? Das aktuelle deutsche Einsamkeitsbarometer zeigt: Frauen, die Sorgearbeit leisten, sind vielfach von Einsamkeit betroffen. Warum wir uns mehr um dieses Phänomen kümmern sollten und wie Lösungen aussehen können, hat Autorin Simone Fasse bei der Konferenz re:publica in Berlin erfahren.

„Simone, Du und einsam?“ Aus der Sicht meines heutigen Umfelds passt das wohl kaum zusammen. Zum Glück musste ich diese Erfahrung nur einige Monate machen. Doch es hat gereicht, und mich – überzeugte Netzwerkerin, Partyfreundin und Familienmensch – nachhaltig zu prägen. Die unmoderne Frisur aus dem Kleinstadt-Salon (Dauerwelle, bitte fragen Sie nicht weiter…) und das falsche Schuhwerk (Cowboystiefel, die gerade ein Comeback erleben) waren sicher nicht die einzigen Gründe, weshalb ich zum Studienbeginn am Rand stand. Aber in einer größeren und wohlhabenden Universitäts-Stadt, die eher in Segelschuhen und Polohemd unterwegs ist, kann sich daraus durchaus eine entsprechende Dynamik entwickeln.

Die Definition von Einsamkeit lautet: Ein subjektives Gefühl, bei dem die eigenen sozialen Beziehungen nicht den persönlichen Wünschen und Bedürfnissen entsprechen. Und bei genauerem Hinsehen sind davon viele Teile der Bevölkerung betroffen – von der Einwanderin, die die neue Sprache nicht spricht, gesundheitlich oder finanziell eingeschränkten Personen. Was aufmerken lässt: Laut aktuellem deutschen Einsamkeitsbarometer sind auch zahlreiche Jüngere von diesem Gefühl und den dazu gehörigen Auswirkungen betroffen. Und: Menschen, die viel Care-Arbeit leisten, leiden ebenfalls häufig unter Einsamkeit. Care-Giver sind bekanntlich größtenteils Frauen, weshalb die Herausgebenden des Einsamkeitsbarometers sogar von einem „Gender Loneliness Gap“ sprechen.

All das kann uns nicht egal sein – weder aus gesellschaftlicher, noch aus wirtschaftlicher Sicht. Einsame Menschen nehmen seltener an Wahlen teil und engagieren sich weniger. Auch glauben Personen mit erhöhter Einsamkeitsbelastung signifikant häufiger an eine politische Verschwörung, so die Autor*innen des Barometers. Einsamkeit aktiv zu begegnen kann zur Prävention verschiedener Erkrankungen beitragen. Soziale Bindungen und Beziehungen stellen eine zentrale Ressource dar, auch für Unternehmen.

Aber wie können diese Bindungen gestärkt werden? Die Wissenschaftlerin Tania Singer zeigte kürzlich auf der Konferenz re:publica in Berlin, wie sich das soziale Gehirn trainieren lässt. In ihrem ReSource Projekt – einer groß angelegten mentalen Trainingsstudie – weist die Professorin nach, dass Achtsamkeit und Aufmerksamkeit, Soziale Intelligenz, Mitgefühl, Empathie, Emotionsregulation, Körperbewusstsein, Umgang mit Stress und Kooperation trainiert werden können. Die Kernübungen bestehen aus klassischer Meditation, die alleine praktiziert wird, und aus 10-minütigen Slots, die mit einem Partner oder einer Partnerin durchgeführt werden. Das daraus entwickelte digitale Interventionsprogramm Edusocial bietet Singer unter anderem für Schulen an.

Ebenfalls auf der re:publica forderte Teresa Bücker, Autorin des Buches „Alle Zeit“, eine Umverteilung der Care-Arbeit und mehr Zeitgerechtigkeit. „Eine wirklich freie Gesellschaft gibt Menschen die gleichen Chancen, dass sie gut umsorgt werden und fürsorgliche Beziehungen eingehen können“, so Bücker in Berlin.

Die Zukunftsforscherin Oona Horx Strathern sieht einen Gegentrend zur Vereinzelung, etwa mit Coworking und Co-Living-Konzepten. „Man sieht die Bewegung hin zu einer individualistischen Gemeinschaft“, erklärt die Expertin in unserem kommenden Heft. Freuen Sie sich also mit uns auf die neue Print-Ausgabe, die wir gerade finalisieren. Und bis es soweit ist, können Sie noch ein paar Spiele beim gemeinsamen Public Viewing der laufenden UEFA-Fußball-Europa-Meisterschaft genießen.


Diese Opinion ist als Editorial im wöchentlichen Newsletter von Sheconomy erschienen, den Sie hier abonnieren können.

Fotomaterial© re:publica

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