New Work ist Arbeit, die Menschen stärkt, statt schwächt – so bringt Christoph Magnussen, New Work-Experte, Autor und CEO von Blackboat – The New Work Group den Begriff auf den Punkt. Was Neue Arbeit konkret für Belegschaft und Unternehmen bedeutet und was vor allem nicht, zeigen wir in diesem Listicle.
Mythos Nr. 1:
New Work heißt weniger Arbeit, die deutlich bequemer ist
„Tue das, was Du wirklich wirklich willst“, sagte Frithjof Bergmann, der als Begründer von New Work gilt. Er wollte eine neue Form der Arbeitsorganisation entwickeln, um drohende Entlassungen in der Autoindustrie abzuwenden. Lohnarbeit sei kein Naturgesetz sondern Teil der Industrialisierung, so der Sozialphilosoph. Als General Motors in der Automobilstadt Flint in Michigan ein großes Werk schließen wollte, organisierte Bergmann für rund 5000 Beschäftigte das erste „Center for New Work“. Hier wurden unter dem Stichwort der „Neuen Arbeit“ Konzepte der selbstbestimmten Arbeit entwickelt, für die er stand.
„Die Unzufriedenheit mit der jetzigen Arbeit hat stark zugenommen. Deswegen entwickelt sich sehr viel intensiver als früher die Überzeugung, dass wir eine neue Form der Arbeit brauchen. Viele Arbeiter sehnen sich nach Arbeit, die sie wirklich, wirklich wollen“, so Bergmann, der 2021 starb.
Dass im Laufe der Jahre diese Aussage in Richtung „Arbeit, die Spaß macht“ gedreht wurde, war Bergmann zu wenig. Ihm gehe es vielmehr um das „echte Streben“, erklärte er u.a. im Interview mit t3n.
Neue Arbeit ist vor allem eine Haltung und kann für verschiedene Teams und Organisationen ganz anders aussehen, erklärt Inga Höltmann, Expertin für New Work und Gründerin der Accelerate Academy, einer Plattform für Neues Arbeiten und Neues Lernen. Die Transformations-Begleiterin hat mit dem New Work Canvas und der New Work Map praktische Tools entwickelt, mit denen sich herausfinden lässt, wo mögliche Ansätze für neues Arbeiten in einer Organisation oder einer neuen Rolle liegen könnten.
Auch Christoph Magnussen, Co-Host des Podcasts „On the Way to New Work“ und gemeinsam mit Swantje Allmers und Michael Trautmann Autor des gleichnamigen Buches, begleitet und formt diese Transformation mit seinem Blackboat-Team. Mit Michael Trautmann gehörte er zu denjenigen, die Frithjof Bergmann vor Ort persönlich interviewt haben. Magnussen hebt hervor: „Die erste Frage sollte immer lauten: Wie wollen wir in Zukunft zusammenarbeiten?“
Gregor Schulte-Beckhausen, Geschäftsführer von teamkairos erklärt es so: „In einer Organisation, in der New Work wirksam verankert ist, erleben sich Mitarbeiter:innen als Gestalter:innen. Teams sind stark vernetzt und im ständigen Dialog. Und die Organisation macht Sinn und Werte für alle transparent.“ Die dafür nötige Haltung lege dementsprechend den Grundstein für vieles weitere. „Prozesse, Strukturen, Methoden und Arbeitsformen lassen sich davon ableiten“, sagt der Organisationsberater.
Möglich sind also die Einführung neuer Arbeitsweisen, mehr Selbstführung und damit auch eine neue Form von Leadership, mehr Kollaboration und Kommunikation, Veränderungen und Experimentieren. Das Abrücken vom Gewohnten und die Zunahme der eigenen Verantwortung sind dabei alles andere als bequem. New Work-Vorreiter Christoph Magnussen etwa hat längst unproduktive Meetings abgeschafft und Emails drastisch reduziert. Stattdessen verläuft die Kommunikation über digitale Tools wie Slack, Asynchronität und damit selbstbestimmtes Arbeiten steht im Vordergrund. „Ich sehe mein Team als CEO in ihrer jeweiligen Rolle“, sagte Magnussen beim Sommer-Event von Designfunktion in München. Das setze Vertrauen voraus. Und: „New Work heißt nicht No Work.“
New Work brauche dementsprechend auch neue Regeln, sagt Kay Mantzel, Consultant New Work Culture, der die Microsoft Deutschland Zentrale zur Pionier-Stätte für Neue Arbeit gemacht hat. Diese Regeln müssten auch von den Leitenden sichtbar gelebt werden und riefen oft Widerstände hervor. „Nirgends wird New Work aufs Tablett kommen, wenn der Vorstand das nicht will.“
Mythos Nr. 2:
New Work = Home Office
In der öffentlichen Diskussion wird New Work häufig sehr verkürzt mit der Arbeit im Home Office gleichgesetzt. Doch neues Arbeiten bedeutet deutlich mehr. „Es geht bei neuer Arbeit nicht um das „Was“, sondern um das Wie“, sagt Inga Höltmann. „Home Office ist kein Selbstzweck. Sondern eine Form von vielen.“
„Die Produktivität nimmt nach zweieinhalb Tagen Homeoffice dramatisch ab“, sagt Michael O. Schmutzer, Gründer der Designoffices und heute Geschäftsführer der Neuen Höfe GmbH, die neues Arbeiten auch in den ländlichen Raum bringt. Wichtig sei es deshalb genau zu schauen, wo welche Tätigkeit Sinn macht, erklärt Celine Garbi Joergens beim Unternehmerinnentag der IHK München. Sie leitet bei Microsoft Deutschland das Produktportfolio für den hybriden und sicheren Arbeitsplatz und hat erkannt, dass sich Online-Treffen und digitale Seminare vor allem dann eignen, wenn es um den Austausch von Informationen oder die Erweiterung des Wissens geht. Für kreative Entwicklungen und aktives Netzwerken eigne sich hingegen das Office oder ein anderer physischer Ort besser.
Mythos Nr. 3:
New Work gibt es nur für Büromenschen
Umfragen belegen, dass sich immer mehr Menschen eine höhere Flexibilität im Berufsleben wünschen – beispielsweise, um Care-Arbeit in der Familie und den Job besser miteinander vereinbaren zu können. Das gilt längst nicht nur für Menschen, die im Büro arbeiten.
Da gibt es die Sanitär-Firma, die eine 4-Tage-Woche einführt, um das versierte Team zu halten und Stress zu verringern – und das, ohne die Produktivität aus dem Auge zu verlieren. Auch in der Industrie entstehen es neue Ansätze. So experimentiert beispielsweise Audi mit einem Springer-Modell in der Lackiererei, um flexiblere Teilzeit-Modelle auch in der Linie zu ermöglichen (Sheconomy berichtete).
Es gehe bei New Work nicht darum, alle genau gleich zu behandeln, sondern allen Beschäftigten mit ihren Bedürfnissen gerecht zu werden, fasste es Kay Mantzel bei der New Work Fair von Black Box Open und Neue Höfe zusammen.
Mythos Nr. 4:
New Work schaffen wir mit neuen Großraumbüros und digitalen Tools
„Der Mensch steht immer an erster Stelle“, so die Maxime von Blackboat und Christoph Magnussen. „Digitale Tools bilden zwar das Fundament, um Arbeit nachhaltig zu verändern. Doch wir nutzen sie im Kern, um den Menschen darüber zu ermöglichen, das zu tun, was sie wirklich, wirklich wollen. In unseren Projekten geht es immer um Menschen, Organisationen und ihre Vision, wie sie in Zukunft zusammenarbeiten wollen“, so der New Work-Vorreiter.
„Technologie ist kein Treiber von neuer Arbeit“, unterstreicht Kay Mantzel. Das gelte auch für den Arbeitsort – beides folge den Arbeitsbedürfnissen. So haben durch Corona virtuelle Meetings eine neue Dimension erreicht – die Technologie gab es jedoch schon Jahre zuvor. Auch schicke Kaffeeküchen bleiben leblose Räume, wenn sie nicht auch von den Führungskräften regelmäßig angesteuert werden, warnt Mantzel.
Erfahrungen von Unternehmen, die sich schon früh mit neuen Arbeitsmethoden auseinander gesetzt haben zeigen: Räume müssen viel mehr sein, als nur Großraumbüros mit neuen Möbeln. „Working Cafés, der Erlebnis- und Begegnungsraum oder flexible Multispaces sind stattdessen gefragt“, weiß Samir Ayoub, CEO von Designfunktion. Auch hier gehe es immer darum, wie Teams miteinander arbeiten möchten und was sie dafür brauchen. Das sei für jedes Unternehmen anders. Auch der Raum für konzentrierte Arbeit innerhalb des Büros sei von vielen Beschäftigten weiterhin gewünscht, beobachtet Ayoub in seinen Projekten.
Doch auch die so genannten „Dritten Orte“ sind zunehmend gefragt, sagt Sabine Sauber, die die Neuen Höfe gemeinsam mit ihrem Bruder Michael O. Schmutzer entwickelt und unter anderem Coworking-Spaces im ländlichen Raum für Unternehmen entwickelt. „Die Konzernzentrale hat als einziger Arbeitsort ausgedient“, weiß Sauber. Neue Treffpunkte und dritte Orte können flexiblere Arbeits-, Denk- und Kommunikationsräume jenseits von Headquarter und Home Office bieten, wie sie auch im Interview für unsere aktuelle Sheconomy-Printausgabe beschreibt. Ganz praktisch schaffen sie darüber hinaus mit Satelliten-Modellen auch eine neue Anlaufstelle näher an den Heimatorten, um Pendelzeiten zu verringern.
Mythos Nr. 5:
New Work ist nur ein Trend
New Work hängt eng mit dem digitalen Wandel und der Zunahme von Wissens- und Projektarbeit zusammen. Mehr Transparenz und Kollaboration sind nötig, um der wachsenden Komplexität zu begegnen. Auch die zum Teil radikal neuen Remote-Strukturen, die Unternehmen in der Corona-Phase geschaffen haben, bringen Veränderungen in die Organisationen. Viele Beschäftigte nutzen die Chance, ihren Lebensmittelpunkt neu zu wählen. Darüber hinaus zwingt der demographische Wandel zum Umdenken in Richtung flexiblerer Zeitmodelle. In Belgien ist die Viertage-Woche inzwischen per Gesetz verankert, Island kürzt die Arbeitszeit ebenso wie Spanien.
„New Work ist mehr als Tischkicker, Sofas und Hunde im Büro, es ist die Chance für mehr Sinnhaftigkeit und echte Antworten auf die großen Herausforderungen unserer Zeit“, schreibt Tina Müller, CEO Douglas Group im Grußwort zum Buch „On the Way to New Work“.
Entwicklungen wie das Metaverse könnten Unternehmen im Rahmen von New Work neue Türen öffnen, um die virtuellen Konferenzen mit neuen Formen der Begegnung aufzuwerten. Hier entsteht die Chance, den Spaß an der teambasierten Arbeit und die interaktiven Möglichkeiten zu nutzen – und gleichzeitig im Home Office zu sein.
Lesen Sie hier auch das Interview mit Trendforscherin Birgit Gebhardt zum Thema New Work: „Arbeit, die man selbst wirklich will“.