StartBusinessKarriereFünf Jahre nach Corona: Das verlorene Momentum

Fünf Jahre nach Corona: Das verlorene Momentum

Zwischen Erkenntnis und Ernüchterung: Wie aus der Sichtbarkeit weiblicher Mehrfachbelastung kein Aufbruch, sondern ein Backlash wurde.

Es war März 2020, als die Welt stillstand – und gleichzeitig bei Millionen Frauen die To-do-Listen explodierten. Während draußen die Schlagzeilen kreisten – von Lockdowns, Long Covid, Lieferketten – tobte drinnen ein anderer Sturm: Kinder, Küche, Konferenzen. Plötzlich wurde entblößt, was sonst im Verborgenen funktionierte. Partner, Chefs, Auftraggeber – sie alle bekamen einen seltenen Live-Einblick in den Alltag von Frauen, die seit Jahren und Jahrzehnten auf mehreren Bühnen gleichzeitig perform(t)en. Und für einen kurzen Moment keimte Hoffnung auf: Dass diese Sichtbarkeit etwas verändern könnte.

Fünf Jahre später müssen wir feststellen: Die Welle der Erkenntnis ist verpufft. Die Zahlen sprechen eine ernüchternde Sprache.

In Deutschland liegt der Gender Pay Gap heute bei 18 Prozent – exakt demselben Wert wie im Jahr 2020. Kein Fortschritt, trotz politischer Initiativen und gesellschaftlicher Diskussionen. In Österreich ist der Abstand zwar leicht geschrumpft – von 19,9 Prozent (2020) auf 16,6 Prozent (2024) – doch bleibt das Land weiterhin eines der EU-Schlusslichter bei der Lohngerechtigkeit.

Auch beim Blick auf Führungspositionen zeigt sich: Die große Trendwende ist ausgeblieben. In den Vorständen der DAX-40-Unternehmen stieg der Frauenanteil zwar von 12,8 Prozent (2020) auf 25,6 Prozent (2024) – doch knapp 80 Prozent der Top-Jobs sind weiterhin männlich besetzt. In Österreich ist die Lage noch ernüchternder: In den Vorständen der ATX-Unternehmen lag der Frauenanteil 2024 bei nur 11,7 Prozent (2019 bei 8 Prozent).

In den Aufsichtsräten sieht es auf den ersten Blick besser aus – doch es bewegt sich zu wenig: In Österreich stieg der Anteil von Frauen in den Aufsichtsräten der ATX-Unternehmen zwischen 2020 und 2024 von 22,5 auf 36,5 Prozent. In Deutschland lag der Anteil weiblicher Aufsichtsräte bei den DAX-40-Unternehmen zuletzt bei rund 38,3 Prozent.

Statt eines echten Aufbruchs erleben wir also: Stagnation beziehungsweise Fortschritt im Schneckentempo. Oder schlimmer noch – Rückschritt. Frauen, die in der Pandemie beruflich zurückstecken mussten, fanden oft nicht zurück auf ihre alten Positionen. Karrierewege wurden unterbrochen oder komplett neu ausgerichtet; allerdings seltener nach oben. Gleichzeitig wurden viele Care-Aufgaben, die temporär partnerschaftlich geteilt wurden, wieder still und heimlich rückübertragen. Als hätte dieser „Reality Check“ nie stattgefunden.

Dabei wäre genau jetzt der Moment gewesen, um strukturell umzudenken. Flexible Arbeitsmodelle waren erprobt, digitale Führung war plötzlich möglich, Empathie wurde zur Schlüsselkompetenz. Doch statt daraus ein neues Normal zu formen, ging vieles zurück auf Anfang – nur dass die Müdigkeit größer ist als zuvor.

Was bleibt also fünf Jahre nach Corona? Die bittere Erkenntnis, dass Sichtbarkeit allein nicht reicht. Es braucht echte Machtverschiebung und keine alten Töpfe mit neuem Guss wie etwa die „Tradewifes“-Bewegung, die auf ihre Art – naja – ebenfalls ein Businessmodell ist. Es braucht, und man kann es nicht oft genug wiederholen: politische Maßnahmen, wirtschaftlichen Willen und eine Gesellschaft, die nicht nur sieht, was Frauen leisten, sondern sie dafür angemessen bezahlt, befördert und entlastet. Sonst bleibt der Fortschritt weiterhin ein Strohfeuer. Mal da, mal dort, aber eben nur Strohfeuer – leicht entflammbar, aber ohne Glut.


Quellen:

Gender Pay Gap:

  • Deutschland: Destatis – Gender Pay Gap 2023
  • Österreich: Bundeskanzleramt – Gender Pay Gap 2024

Frauen in Vorständen:

  • Deutschland (DAX-40): Wikipedia
  • Österreich (ATX): AK

Frauen in Aufsichtsräten:

  • Deutschland (DAX-40): haufe.de
  • Österreich (ATX): AK
Fotomaterial(c) Canva

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