StartInnovation„Frauen stecken immer noch zurück“

„Frauen stecken immer noch zurück“

Maike July ist Chief People Officer beim deutschen Biotechnologieunternehmen BioCopy. Im Interview erklärt sie, wie KI im Kampf gegen Krebs helfen kann – und welche Rolle Frauen im männerdominierten Forschungsbetrieb spielen.

Sie sagen mit einer neuen KI Technologie den Krebs den Kampf an. Wie funktioniert das?

Wir sind ein Unternehmen, in dem Engineering, Wissenschaft und Technologie – und damit eben auch die KI – zum Einsatz kommen. Mit dieser Kombination wollen wir geeignete Wirkstoffe für die Krebstherapie optimieren. Das machen wir mit einer vollautomatisierten Plattform, die man sich vorstellen kann wie eine Roboterstraße. So wie die Automobilindustrie Fertigungsstraßen hat, haben wir das hier im Miniformat im Labor. Wir nutzen diese Plattform, um Wirkstoff Kandidaten zu finden, die man möglichst ohne Nebenwirkungen in der Krebstherapie gut einsetzen kann. Dabei werden Unmengen von Datensätzen in sehr hoher Qualität und auch in hoher Quantität produziert. Die KI, die wir nutzen, wird mit diesen Datensätzen trainiert. Sie wirft uns dann Ergebnisse aus – beispielsweise, dass man einen bestimmten Wirkstoff Kandidaten bei Eierstockkrebs einsetzen kann. Oder bei Lungenkrebs. Dann erst geht es in die klinische Entwicklung, wo in Echtzeit getestet und ausprobiert wird und am Ende das Medikament steht.

Was ist der Vorteil gegenüber anderen Methoden?

Diese Verknüpfung, mit der wir arbeiten, gibt es in der gesamten Biotechnologiebranche so noch nicht. Wir können damit den Forschungs- und Entwicklungsprozess von Wirkstoffen massiv verkürzen, und zwar von durchschnittlich drei Jahren auf zwölf Monate. Das heißt: Ein mögliches Medikament kann viel schneller bei der Patientin oder beim Patienten sein. Gleichzeitig bleibt die Qualität auf einem hohen Niveau beziehungsweise verbessert sich sogar, weil wir am Ende nicht nur einen potenziellen Wirkstoff heraus bekommen, sondern möglicherweise sogar mehrere.

Frauen sind im Forschungsbetrieb immer noch unterrepräsentiert. Woran liegt das Ihrer Meinung nach – und wie schaut es diesbezüglich bei Ihnen im Unternehmen aus?

Es gibt leider immer noch strukturelle Barrieren in vielen Institutionen in der akademischen Forschung – auch in der universitären – die es den Frauen schwer machen, bestimmte leitende Funktionen zu übernehmen. Bei uns sieht es im Moment so aus, dass wir derzeit mehr männliche Mitarbeiter beschäftigen. Aber ich arbeite intensiv daran, die weiblichen Kolleginnen zu stärken und sie in Führungspositionen zu bringen. Ein wichtiges Thema ist dabei die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Es ist nach wie vor so, dass Frauen gerne zurückstecken, nach der Elternzeit in Teilzeit wiederkommen und feststellen, dass es schwierig ist, wieder dort in der Karriere anzuknüpfen, wo sie das Unternehmen vor der Elternzeit verlassen haben. Natürlich gibt es in der Forschung auch sehr erfolgreiche Frauen, aber sie sind eher selten anzutreffen – dadurch mangelt es auch an Role Models. Frauen brauchen Frauen, die sie unterstützen, und die sich als Vorbilder nehmen können. Es braucht einfach mehr Ermutigung, denn es herrschen immer noch viele Vorurteile und Stereotype. Mentoring-Programme können hier eine wertvolle Rolle spielen. Erfahrene Wissenschaftlerinnen können jüngere Kolleginnen beraten und ihnen helfen, ihre Karriere voranzutreiben. Und natürlich Netzwerke, in denen sich Frauen stärker gegenseitig fördern und unterstützen. Die Männer sind da Weltmeister. Es wäre wichtig, dass auch Frauen diese Möglichkeit viel, viel stärker und aktiver für sich nutzen.

Welche konkreten Maßnahmen wollen Sie bei BioCopy umsetzen?

Auf jeden Fall ist es mir wichtig, sehr flexibel auf die persönlichen Bedürfnisse und Anforderungen unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit jungen Familien zu reagieren und auch die Männer zu ermutigen, in die Elternzeit zu gehen. Work Life Balance und die Familie sind bei uns für viele ein hoher Wert und das wird vom Unternehmen auch unterstützt. Worauf ich ebenfalls großen Wert lege, ist, dass wir bei der Rekrutierung nicht nur darauf achten, dass wir qualifizierte Bewerber haben, sondern auch Frauen entsprechend berücksichtigen – in technisch wissenschaftlichen Positionen ebenso wie in perspektivischen Führungspositionen. Wichtig sind auch Arbeitsmodelle, bei denen Homeoffice möglich ist, zumindest dort, wo es Sinn macht. Natürlich muss jemand, der im Labor arbeitet, an der Laborbank stehen. Aber wenn es darum geht, Protokolle und Berichte zu schreiben, kann man auch sagen: Okay, das kann man auch zu Hause machen. Ich vertrete die Philosophie, dass es immer ein Geben und Nehmen ist. Wenn ich den Wünschen der Mitarbeiterinnen oder die Mitarbeiter entgegen komme, dann kann ich darauf hoffen, dass sie auch flexibler sind, wenn es darum geht, unseren Wünschen nachzukommen. Wie sind ja ein Startup und Biotechnologie ist generell ein extrem agiler und dynamischer Bereich. Das heißt, wir sind auch darauf angewiesen, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter diese Dynamik gerne mit uns zusammen erleben und leben. Was ich auch gerne einführen möchte, sind Mentoringprogramme für alle neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das habe ich in anderen Unternehmen schon etabliert und das hat sich sehr, sehr bewährt – nicht nur bei jungen Frauen, sondern generell. Abgesehen von der Mann-Frau-Gleichstellung muss man sagen, dass wir ja auch ein sehr internationales Team sind. Wir haben viele Kolleginnen und Kollegen unterschiedlicher Nationalitäten. Diese kulturelle Vielfalt und das Thema Inklusion sind uns wichtig. Bei BioCopy wird generell ein wertschätzendes, respektvolles Miteinander angestrebt. Auch das möchte ich in Zukunft durch Schulungen und Workshops für das Team noch stärker fördern und unterstützen.

FotomaterialBioCopy

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