StartRolemodels“Fortschritt entsteht an den Rändern”

“Fortschritt entsteht an den Rändern”

Paula Brandt ist Unternehmercoach und Mentorin. In ihrem neu erschienenen Buch “Why I Care” gibt sie Tipps wie Unternehmer*innen nachhaltig erfolgreich sein können und zeigt – am Beispiel von Vorbildern, wie nachhaltiges Wachstum geht. Mit SHEconomy sprach sie über ihre Motivation für das Buch und wie die Pandemie die Businesswelt verändert hat.

Wie und aus welcher Motivation heraus ist das Buch “Why I Care” entstanden?

Vieles, was ich früher im Top:management von großen Unternehmen gesehen und miterlebt habe, ist nicht mit meinem Werteverständnis konform gegangen. Ich hatte noch eine kurze Zwischenstation, bei der ich selbst Firmenchefin einer Tech Firma war. Als ich meine Anteile 2017 veräußert hab, wollte ich herausfinden, wie ein verantwortungsvolles, ethisches Unternehmertum geht. Das war für mich eine Abenteuerreise, bei der ich nicht wusste, wohin sie mich führen würde. Der Weg hat mich zu meiner heutigen Tätigkeit gebracht, und das Ergebnis meiner Suche habe ich in “Why I Care” zusammengefasst.

Wie sah Ihr Weg bis hierher aus?

Ich bin Coach und Mentorin und habe das bereits während meiner Zeit bei Microsoft gemacht. Da bin ich 2007 eingestiegen, vorher war ich in der Beratung tätig. Bei Microsoft habe ich weltweit das Top-Management beraten. Unsere Aufgabe war es, Projekte, die in Schieflage geraten sind, zu auditieren und dem Management Handlungsempfehlungen zu geben. Das war schon so eine “helfende Hände Coachingrolle”, die mir sehr gut gefallen hat. Die Nähe zum Top-Management war hierbei besonders interessant. Mitzuerleben, welcher Druck an der Spitze herrscht und wie schwierig es sein kann, die richtigen Entscheidungen zu treffen war für mich ein echter Augenöffner.

Was bedeutet für Sie nachhaltiges Unternehmertum?

Dazu würde ich gerne eine Geschichte erzählen: Ich kenne einen Unternehmer, der vor zehn Jahren in eine Branche neu eingestiegen ist. Nicht ganz freiwillig, denn seine Mutter war damals schwer krank und er musste das Familienunternehmen in der Provinz übernehmen. Als Branchen-Neuling stand er vor der Herausforderung das Unternehmen zukunftssicher zu machen. Dafür wollte aber keine Bank Geld geben. Inzwischen leitet er das Unternehmen nun schon seit zehn Jahren und hat es geschafft. Freilich sind hier auch andere Träger*innen im Spiel. Aktuell verhandelt er über die weitere Zusammenarbeit. Er hat sich in deren Augen für weit größere Kooperationen qualifiziert, weil sie ihn für so integer halten. Dieses Vertrauen ist unglaublich wichtig für ein nachhaltiges Unternehmenswachstum.

Was machen Unternehmer*innen heute anders?

Die mittelständischen Unternehmer*innen mit denen ich zusammenarbeite – von der Apotheker*in bis hin zur professionellen Gaming-Hersteller*in – haben Nachhaltigkeit schon in der DNA verankert und verfolgen ein klar definiertes „I Care“. Sie haben ein wirkliches Interesse an den Mitarbeiter*innen und wollen die Entwicklung ihrer Firma vorantreiben. Anders gesprochen: Sie möchten einen Impact leisten und Wertschöpfung neu definieren. In meinem Buch spreche ich hier von Impact-Unternehmer*innen.

Was hat sich durch die Pandemie in der Businesswelt verändert?

Kommunikation ist digital geworden und ich denke, dass es auch weiter so bleiben wird. Letztlich halte ich aber für nachgelagert, über welches Medium ich kommuniziere. Wichtig ist, wie ich meinem Gegenüber im Gespräch begegne, ob ich mich für ihn oder sie interessiere und wie ich in kritischen Situationen entscheide. Oder aber, inwiefern herüberkommt, dass ich gute Absichten verfolge und inwieweit wir uns im Gespräch öffnen können. Das ist keine Frage des Mediums.

Glauben Sie, dass es eine Generationenfrage ist wie Unternehmer*innen an die Sache herangehen?

Nein. Mein erster Mentoring-Kunde als Coach war ein Unternehmer im Alter 60 plus aus dem Maschinenbau und ein absolut nachhaltiger Unternehmer und Visionär. Ihm lagen die Mitarbeiter am Herzen, und er wollte Vorreiter in Sachen New Work werden. Auf der anderen Seite kam ein 17-Jähriger zu Coaching in Düsseldorf, der gründen wollte und einer der besten Unternehmer war, den ich bis heute gesehen habe. Beide, der Maschinenbauer mit seinen 60 Jahren und der 17-Jährige haben wirklich etwas in ihrem Mindset gemeinsam. Sie sind beide Impact-Unternehmer, und dabei spielt das Alter überhaupt keine Rolle.

Welche Tipps würden Sie Unternehmer*innen geben, die ihr Unternehmen nachhaltiger gestalten wollen?

Der erste und wichtigste Tipp von allen: Pauschalrezepte funktionieren nicht. Wenn jemand Großes in die Welt bringen will, gibt es eben nicht den Standardweg “Mach‘ A, und dann kommt automatisch B”. Ebenso wichtig ist mir: Jeder kann über sich hinauswachsen und einen Impact leisten. In amerikanischen Unternehmen wird immer sehr gerne von „A, B or C-People“ gesprochen. Heißt: Mitarbeiter werden unterteilt in einige wenige Hochleister, in einen großen Block im Mittelfeld und in eine Zahl an Schlechtleistern. Das Ganze ähnelt der Verteilung bei einer Gaußschen Glocke. Mitarbeiter werden also nach diesem Schema zugeordnet: „Gehörst du zu A, bist du top, zählst du zu B, dann bist du normal, bist du C, dann bist du schlecht. Ich halte das Konzept nicht nur für demotivierend, sondern es beschränkt auch unser Potenzial zu Innovation, denn wir brauchen sehr unterschiedliche Menschentypen und Sichtweisen, um auf neue Lösungen zu kommen.

Wohin verändert sich die Businesswelt nach der Pandemie?

Ich glaube, der Fortschritt entsteht immer an den Rändern von Organisationen und Gesellschaften, nämlich gerade dann, wenn sich jemand mal nicht konform verhält und etwas anders macht. Klar kann das auch scheitern, aber das ist gar nicht schlimm, weil es immer weitergeht, und oft sogar besser für uns. Ich finde es gut, wenn Menschen etwas Neues wagen, denn nur so kann Veränderung stattfinden.

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