Wahrscheinlich hast du schon vom Hochstapler Komplex gehört. Besser bekannt als „Imposter Syndrom“. Vor etwa 12 Jahren bin ich erstmals damit in Berührung gekommen.
Das Imposter Syndrom beschreibt die Diskrepanz zwischen dem, was man glaubt zu sein, und dem, was man denkt, sein zu müssen, um etwas zu erreichen. Menschen mit diesem Syndrom fürchten, dass andere sie genauso bewerten wie sie sich selbst. Und das ist meist negativ.
Wie entsteht dieses Gefühl und wie äußert es sich im Job? Darüber schreibe ich hier. Warum? Ich bin selbst betroffen und wie es der Psychologe Steven Hayes vorschlägt „Turn Pain into Purpose“ habe ich meine Leidenschaft zum Beruf gemacht, um anderen zu helfen, ihr volles Potenzial zu entfalten.
Kommen dir diese Sätze bekannt vor?
- Das waren nur glückliche Umstände, ein unverdienter Erfolg, richtig hart habe ich nicht gearbeitet.
- Dafür bin ich leider nicht die Richtige, aber ich kenne jemanden, der das besser kann.
- Ich muss noch eine Fortbildung machen, damit hier keiner merkt, dass ich die falsche Wahl bin.
- Erst war es Druck und Stress, dann Angst, die schließlich zu Panik wurde.
Wie oft wurdest du in deinen Befürchtungen bestätigt? Ich vermute: Gar nicht. Und wenn, hast du dir vermutlich selbst den Stempel gegeben.
Du kannst damit aufhören, denn das ist nur deine persönliche Bewertung. Das definiert nicht, wer du wirklich bist. Und du kannst diesen Kreislauf durchbrechen – es lohnt sich.
Gehst du das Thema jedoch nicht an, nimmst du dir nicht nur die Möglichkeit, deine verdienten Erfolge zu feiern und deine Entwicklung voranzutreiben, sondern du läufst Gefahr, einen „Burn-out“ zu erleiden. Damit bist du nicht allein. Das Imposter Syndrom ist weit verbreitet.
Bremse für Female Empowerment
Laut dem KPMG Womens Leadership Summit Report haben 75 % der weiblichen Führungskräfte in ihrer Laufbahn das Imposter-Syndrom mindestens einmal erlebt. Das hat Konsequenzen: Frauen in Führungspositionen erwarten von Anfang an eine niedrigere Bezahlung als Männer, fühlen sich am Arbeitsplatz herabgesetzt und haben weniger Vertrauen in eine faire Behandlung.
Das ist nicht nur schlecht für das persönliche Vorankommen, sondern eine Bremse für Female Empowerment in der Wirtschaft.
Das Imposter-Syndrom betrifft nicht nur Top-Führungskräfte. Laut der „Burnout-Research Study“ erleben sogar 82 % der Unternehmer*innen täglich oder regelmäßig dieses Phänomen.
Dies führt dazu, dass sie ihren wirtschaftlichen Erfolg gefährden, indem sie ihre Leistungen unterbewerten oder thematisch vagabundieren, getrieben von der Angst, dass ihre Arbeit nicht gut genug sein könnte.
Negative Glaubenssätze
Selbstzweifel kennen wir wohl alle. Beim Imposter-Syndrom geht es um unsere Identität. Betroffene füttern ihr Selbstbild mit negativen Glaubenssätzen, verzerrtem Feedback und einem ständigen Fokus auf Defizite. Dadurch sinkt ihr Selbstwertgefühl drastisch.
Clare Josa, eine anerkannte britische Wissenschaftlerin, welche vor 20 Jahren aus eigener Betroffenheit zum Imposter Syndrom Forschungen gestartet hat, warnt vor den 4 Ps.
„People Pleaser“: Der Versuch, es allen recht zu machen, führt zu fehlender Authentizität.
„Perfection“: Die Angst vor Fehlern verhindert persönliches Wachstum.
„Paralysis“: Zuviel Überdenken kostet Zeit und verhindert Handlungsorientierung.
„Procrastination“: Aufschieben aufgrund mangelnden Selbstvertrauens und Misserfolgszuversicht.
Sieben Schritte, um deine Selbstzweifel zu besiegen
Es gibt einen Weg, um diesem Gefängnis zu entkommen. Hier sind 7 Schritte für dich, um deine Selbstzweifel zu besiegen und „deinem Imposter“ die Stirn zu bieten:
- „Name it to tame it“
Diesen Spruch hat der amerikanische Psychologe Daniel Siegel geprägt. Indem wir über unsere Probleme sprechen und uns austauschen, verlieren sie ihren Schrecken. Das empfundene Schamgefühl, welches uns zurückhält und unser Kopfkino bestimmt, verringert sich. Durch den Austausch erhalten wir Zuspruch, Feedback und können starten Selbstmitgefühl zu entwickeln. Das hat bestimmt schon jeder einmal erlebt.
- „Stop negative self-talk“
Du bist nicht deine Gefühle und Gedanken – sondern du hast sie. Martin Seligmann, der Gründervater der Positiven Psychologie, hat diesen Satz geprägt. Welche negativen Glaubenssätze und inneren Dialoge bestimmen dich? Schreibe sie auf. Bespreche sie mit einer Mentorin oder Coach. Und finde eine passende Umdeutung. Hier mein Beispiel: „Ich muss das Ziel unbedingt erreichen“ wurde zu „Ich werde etwas Neues lernen und gebe mein Bestes“.
- „See the good!“
Was dich zurückhält, zu viel arbeiten lässt oder warum du lieber andere vorschickst, hatte einmal berechtigte Gründe. Sind sie es noch wert? Frage dich: Was ist gut, schlecht und wo liegt die goldene Mitte? Perfektion zeigt, dass dir das Ergebnis deiner Arbeit wichtig ist und du Fehler vermeiden möchtest. Überprüfe dein Erwartungsmanagement, versuche dich in der 80–20 Regel und setze dir ein zeitliches Limit. Manchmal liegen die Themen jedoch noch tiefer, hole dir professionelle Hilfe von einem Coach.
- „Growth Mindset“
Carol Dweck, Motivations- und Entwicklungspsychologin, unterscheidet zwischen Fixed und Growth Mindset. Menschen mit einem statischen Selbstbild glauben, dass Fähigkeiten und Intelligenz festgelegt und wenig veränderbar sind. Menschen mit einem dynamischen Selbstbild suchen aktiv nach Herausforderungen und betrachten Fehler als Entwicklungsmöglichkeiten. Mein Weg zu einem dynamischen Selbstbild war und ist geprägt vom Wort „noch“. Aus „ich habe das Ziel nicht erreicht“ wurde „ich bin noch auf dem Weg“. Entwickle ein Growth Mindset und sieh andere Menschen in deinem Umfeld als Unterstützer, nicht als Richter.
- „Setting realistic goals“
Wenn du von 0 auf 100 möchtest, ist das zwar möglich, aber unwahrscheinlich. Selbst Naturtalente sind nur erfolgreich geworden, wenn sie ihre Talente zu Fähigkeiten und Stärken ausgebaut haben. Egal, welche Ziele du dir setzt, sie müssen für dich herausfordernd und erreichbar sein. Zerlege deine Ziele in kleine Abschnitte und nutze die Magie von Mikrozielen, z.B. mit der 1% Methode von James Clear. Und „last but not least“ entwickle „Grit“, das ist die Mischung aus Leidenschaft, Ausdauer und Zuversicht. Angela Lee Duckworth hat dazu einen viel beachteten TED-Talk gegeben.
- „Confidence vs. Competence“
Bestimmt hast du schon vom Dunning-Kruger Effekt gehört. Die beiden Sozialpsychologen haben bewiesen, dass Unwissenheit häufig zu mehr Selbstvertrauen führt. Erst wenn wir tiefer in ein Thema eintauchen, wissen wir was wir alles noch nicht wissen. Menschen mit starken Selbstzweifeln oder Imposter Syndrom vergessen ihr Selbstvertrauen mit ihrem erreichten Lernfortschritt in Einklang zu bringen. Erinnere dich an deine letzte gemeisterte Herausforderung. Wie bist du dahin gekommen? Schreibe die einzelnen Schritte auf, reflektiere welche Fähigkeiten und Stärken du eingesetzt hast.
- “Get feedback to your strengths”
Wann hast du das letzte Mal detailliertes Feedback zu deinen Stärken erhalten? Auf die Frage, was mich persönlich auszeichnet, wo meine Exzellenzstärken und Potenziale liegen, konnte ich lange keine befriedigende Antwort geben. Ich wusste sehr genau, was alles fehlt und wo ich definitiv Schwächen habe. Total hilfreich, wenn du Angst hast als Hochstapler enttarnt zu werden. Du bist den anderen immer ein Schritt voraus. Leider ist es auch reine Energieverschwendung. Erfolg kommt nicht durch das Fehlen von Schwächen, sondern durch den Einsatz deiner Stärken. Das macht dich einzigartig, gibt dir Sicherheit und du erlebst mehr Zufriedenheit.
Mein Bonus-Tipp: Suche dir ein Netzwerk, dass dich trägt, engagiere dich und teile dein Wissen. Du wirst doppelt und dreifach belohnt.
Trau dich und werde, was du bist!
Zur Person:
Hanka Schrader ist Gründerin und Geschäftsführerin der Stärkenkompass GmbH und Expertin der Positiven Psychologie. Als C-Level Coach, Führungskräfterainerin und Teambuilderin hilft sie Menschen und Unternehmen dabei, Veränderungen aktiv zu gestalten. Sie glaubt fest daran, dass Erfolg durch die Macht von Stärken und aus der Kraft von Potenzialen entsteht. Menschen arbeiten zu lassen, ohne dass sie von Ihren Stärken und Potenzialen profitieren, wollte sie nicht mehr akzeptieren. Seit 2013 gibt es den Stärkenkompass, ein digitales Peer-Feedbacktool für menschenzentrierte Personalentwicklung und modernes Employer Branding – 1000fach erprobt, BDVT zertifiziert und Gewinner des europäischen Trainerpreises.
Gestartet hat Hanka ihre Karriere zunächst in Verlagen, dann in klassischen Werbeagenturen und später im Multichannel Business. Seit mehr als 22 Jahren gestaltet sie aktiv die digitale Transformation der Wirtschaft und bringt ihre vielfältigen Erfahrungen aus den unterschiedlichsten Branchen mit.
Mission Female GmbH:
Mission Female bietet erfolgreichen Frauen ein exklusives Netzwerk von Vertrauen und Austausch auf Augenhöhe und stärkt sie aktiv bei ihrer persönlichen und beruflichen Entwicklung. Dabei engagiert sich das 2019 von Frederike Probert gegründete Business-Netzwerk aktiv für mehr Female Power in Wirtschaft, Gesellschaft, Medien, Kultur, Sport und Politik und vereint erfolgreiche Frauen branchenübergreifend auf höchster Ebene mit einem Ziel: Gemeinsam beruflich noch weiter voranzukommen. Immer persönlich, vertraulich und verbindlich ganz nach dem Motto #strongertogether.