Diversity, now!
Das Thema ESG (kurz für “Environment, Social, Governance”) ist seit einigen Jahren in aller Munde und sollte spätestens jetzt ganz oben auf der Agenda der Unternehmen stehen. Elemente von ESG finden sich in verschiedenen Bereichen des Arbeitsrechts, darunter Diversity & Inclusion und Equal Pay. Bereits ab dem Jahr 2025/26 fordern ESRS-Reporting-Richtlinien umfassende Darstellungen von Diversität – und zwar konkrete Zahlen in Hinblick auf die Verteilung von Geschlecht, Alter und weiteren demographischen Kriterien.
Dass Diversität ein Schlüsselfaktor für den Erfolg eines jeden Unternehmens ist, haben zahlreiche Studien erwiesen. Die Herausforderungen und Möglichkeiten, die DE&I-Maßnahmen mit sich bringen, sind jedoch je nach Branche unterschiedlich. Wie es um Diversity in der Immobilienbranche bestellt ist, war Thema des sheconomy X VÖPE Next Circle Anfang Oktober im Event Space im 7. Stock des Talent Garden Vienna. Ein erfreulich diverses Publikum und Speaker:innen aus Projektentwickler:innen und Diversity-Expert:innen stellten sich den Fragen, was Diversity eigentlich ist, wie Vielfalt messbar wird und wie der Status quo in der Immobilienbranche aussieht.
Nach der Begrüßung durch sheconomy Co-Founder Hermann Sporrer sowie VÖPE Next Board-Member Michael Sandriesser und Susanna Dinkic folgte eine Einführung ins Thema Diversity von VÖPE Next Director of Diversity Emilia Grassl. Die Leitfrage des Nachmittags lautete: Warum sollte sich die Immobilienbranche genau jetzt dem Thema Diversity widmen?
„Diversität ist ein Fakt. Inklusion ist eine Entscheidung.“
Rebecca Wiederstein, Co-Founder von Commonground, hielt den ersten Impulsvortrag und verwies auf einen IWF-Prüfbericht über die Finanzkrise 2008, der besagte, „die Führung versagte […] aufgrund ihrer eigenen Homogenität, die überwiegend aus Männern aus entwickelten Wirtschaftssystemen und mit sehr ähnlichen Ausbildungshintergründen und Lebensläufen bestand“. Das Fehlen von DE&I wirke sich demnach auf die gesamte Weltwirtschaft aus. Das oberste Ziel von Unternehmen sollten daher diverse Teams sein. Um das zu erreichen, seien Gleichstellungsmaßnahmen notwendig, wie etwa flexible Arbeitszeiten und eine modulare Bürogestaltung.
Beim Thema Inklusion können bereits kleine Änderungen viel bewirken, zum Beispiel das Anerkennen und Sichtbarmachen nicht-christlicher Feiertage, auf Alkohol als Geschenk zu verzichten und eine inklusive Sprache. Entscheidend sei auch die Erkenntnis, dass es keinen richtigen Weg zu Diversität und Inklusion gäbe, man müsse das Thema nicht alleine lösen und solle den Austausch mit anderen Unternehmen suchen.
Diversity aus Sicht eines traditionellen Betriebs
Wie Diversität in einem traditionellen Immobilienbetrieb gelingen kann, veranschaulichte Iris Wofinger, Geschäftsführerin von Esterhazy Immobilien. 69 Prozent ihrer Belegschaft sind Frauen. Das Unternehmen bietet unter anderem flexible Arbeitszeitmodelle, mobiles Arbeiten und betriebliche Ferienbetreuung an.
„Gemischte Teams bringen die beste Leistung. Wir sehen, dass Diversität die Ideen sprudeln lässt, weil jeder und jede einen anderen Zugang hat. Wenn wir alle gleich wären, gleich denken würden, nur Frauen oder nur Männer oder nur alt, nur jung wären, wären wir nicht so erfolgreich,“ so Iris Wofinger. Aufholbedarf gäbe es in der Branche vor allem in der Immobilienverwaltung. Diese sei zwar weiblich dominiert, aber nur jede zehnte Top-Managementstelle ist von einer Frau besetzt.
„Vielfalt schafft mehr Innovation, mehr Kreativität und ein besseres Kundenverhältnis“
Beim dritten Impulsvortrag beleuchtete Sabine Müller, Chief Innovation & Marketing Officer von Value one, die Bedeutung von Frauen in der Immobilienbranche und warum es mehr von ihnen braucht. Bilder von Immobilienmessen zeichnen ein homogenes Bild: zu sehen sind Männer in dunklen Anzügen. Die Immobilienbranche ist de facto nicht divers.
Frauen bringen ein riesiges Potenzial mit, dass die Immobilienbranche noch nicht hebt, weiß Sabine Müller: „Ich bin davon überzeugt, dass diverse Teams innovativer, lösungsorientierter, wettbewerbsfähiger und damit erfolgreicher am Markt sind. Die Gesellschaft ist divers. Und wir Projektentwickler sollten das große Potential von Diversität auf allen Unternehmensebenen sinnvoll nutzen.“
Gemischte Führungsteams haben einen nachweislich höheren wirtschaftlichen Erfolg: „Die Mischung machts, Vielfalt schafft mehr Innovation, mehr Kreativität und ein besseres Kundenverhältnis.“ Dafür brauche es eine Sogwirkung von oben, Frauen in Top-Positionen müssen Frauen ins nächste Level heben. Eine Quote erachtet Sabine Müller daher als sinnvoll.
Als Potenziale von Frauen in der Führung sieht sie Empathie, Kommunikationsfähigkeit, Teamplay, höhere Lösungskompetenz in diversen Teams, mehr Innovationskraft und ein besseres Kundenverständnis. Hemmnisse seien unter anderem Bescheidenheit oder ein geringeres Selbstvertrauen, etwa aufgrund von Erfahrungen mit Microaggressionen.
Diversity sei laut Sabine Müller eine Haltungsfrage und liege im Kern der Unternehmenskultur. Es ist ein ständiger Prozess, eine Transformation: „In Diversität liegt riesiges Potenzial, das wir verschwenden, wenn wir es nicht nutzen.“
Wie man Männer ins „DE&I-Boot“ holt
Kambis Kohansal Vajargah, Head of Startup-Services der WKO, legte im letzten Impulsvortrag den Fokus auf Jungunternehmen und auf die Perspektive der Männer. Studien zeigen, 70 Prozent der weißen Männer fühlen sich von DE&I-Aktivitäten nicht abgeholt. Diese Männer könnten mit Daten und Best Practices ins Boot geholt werden. Und die Daten zeigen, diverse Teams performen um 15 Prozent, ethnisch diverse Teams um 35 Prozent und inklusive Teams um 80 Prozent besser.
DE&I ist zudem entscheidend für den Erfolg von Start-ups. Vielfältige Teams performen besser, das führt zu mehr Investments und die Gefahr zu scheitern ist damit geringer. Dafür müssten beim Recruiting Vorurteile abgebaut werden und gezielt nach Frauen und Minderheiten gesucht werden. Den Weg zu mehr Diversität in Unternehmen sieht Kambis Kohansal Vajargah über Studien, Forderungspapiere, Kommunikationskampagnen und konkrete Umsetzungsmaßnahmen.
Diversität vorleben
Bevor man zum World Cafe mit unterschiedlichen Themen überging, bildete eine Podiumsdiskussion mit allen Speaker:innen unter der Moderation von Laura Goldschmidt den Abschluss. Diskutiert wurde zum einen die entscheidende Rolle von Role Models in Form von Führungspersonen, die Vielfalt leben, Mentor:innen oder firmeninternen „Diversity-Influencer:innen“. Es müsse eine offene Gesprächskultur herrschen, ungezwungene Gespräche in kleinen Runden, Allies und Verbündete, die sich für andere einsetzen. Zum anderen waren sich alle einig, dass es gesetzliche Regelungen (ESG) brauche, um Verhaltensänderungen auszulösen. Die nächsten Jahre werden es zeigen.
Initiative REEA+L
sheconomy, VÖPE, die Vereinigung österreichischer Projektentwickler, und VÖPE Next haben eine Initiative für mehr Diversität in der Immobilienwirtschaft gestartet. Gemeinsam mit sogenannten Real Estate Equality Allies und Leaders (REEA+L) werden in verschiedenen Formaten Herausforderung und Hürden identifiziert und mögliche Lösungswege erarbeitet.
Ein Schwerpunkt ist das Gewinnen von Allies. Damit soll das Bewusstsein für die positiven Effekte von Frauen in Führungspositionen geweckt und gestärkt werden. Zudem ist die Identifikation von „Leaders“ sowie die Präsentation als Role Models eine zentrale Aufgabe. Zwar sind viele Frauen in der Ausbildung für Berufe in der Architektur oder Immobilienwirtschaft zu finden, gehen aber am Karriereweg verloren. Hier gilt es zu erforschen, was die Gründe dafür sind, und im Austausch mit Fachleuten Verbesserungen zu schaffen.
Die Umsetzung von REEA+L erfolgt im Rahmen von Veranstaltungen und begleitenden Kommunikationsmaßnahmen. Die Events reichen von kleinen Diskussionsrunden, über den VÖPE Next Circle bis hin zu einem großen Milestone Event, der auch Bühne für Leaders und Role Models sein wird.
Über VÖPE Next
Der Verein VÖPE Next repräsentiert die junge Generation der Projektentwickler Österreichs und beschäftigt sich mit den Themen der Zukunft, wie z.B. ESG und Digitalisierung. In quartalsweise stattfindenden Arbeitskreisen liefern die Mitglieder inhaltlichen Output zu aktuellen Themen und Trends in der Projektentwicklungsbranche.