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Die Rückkehr der Boys-Clubs

Drei Spitzenfrauen raus, drei Männer rein – das neue Normal in deutschen und österreichischen Vorstandsetagen. Dabei gilt Vielfalt als Erfolgsfaktor. In der Praxis zeigt sich das Gegenteil: Jetzt ist wieder Platz für Vertraute, Seilschaften und die gute, alte „Ordnung“.

Sie kamen, überzeugten – und verschwanden wieder. Renate Vachenauer, die einzige Frau im siebenköpfigen Vorstand von Audi, musste im Oktober gehen – natürlich „im besten gegenseitigen Einvernehmen“. Ihre Kollegin im Vertrieb, Hildegard Wortmann, war schon vor ihr abgetreten. In Österreich zeigt sich ein ähnliches Bild: ÖBAG-Chefin Edith Hlawati, bekannt für Stabilität und Integrität, steht trotz tadelloser Arbeit auf dem Abstellgleis. Das männlich geführte Präsidium der Staatsholding soll anderthalb Jahre vor Vertragsende an ihrer Nachfolge basteln. Und bei der Kärntner Anadi Bank wurde Vorstandsvorsitzende Sonja Heinzl-Sarközi, eine Pionierin des Direct Banking, wegen „Vertrauensverlust“ nach elf Monaten abserviert. Ihre Agenden übernehmen vorerst Männer. Drei Frauen, drei Spitzenposten, drei Abgänge. Zufall? Wohl kaum. Eher ein stilles, aber deutliches Signal: Ganz oben ist Vielfalt wieder verzichtbar.

Aber diese Masche hat System. Erinnerungen werden wieder wach – etwa an jene Äußerungen der Chefberaterin des ehemaligen österreichischen Bundeskanzlers Sebastian Kurz, die im Zusammenhang mit Organbesetzungen in staatsnahen Betrieben „steuerbare Weiber“ empfahl und im selben Atemzug die „Scheiß Quote“ bedauerte.

Während in mittleren Führungsebenen Diversität längst als Erfolgsfaktor gilt, wird die Luft an der Spitze wieder dünn – und männlich. Dort, wo es um Budgets, Macht und Einfluss geht, greift der alte Reflex: Im Zweifel lieber einen Mann. Besonders, wenn’s brennt. Dann schließen sich die Boys-Clubs wieder eng zusammen, das Vertrauen wandert nach innen – dorthin, wo man sich kennt, versteht, deckt. Das nennt man gern „Kontinuität“. Tatsächlich ist es der Rückfall in verstaubte Strukturen.

Passend dazu der aktuelle EY Mixed Compensation Barometer 2025, der zeigt, wie sich die Schieflage weiter verfestigt: Weibliche Vorstände in Deutschland verdienen im Schnitt elf Prozent weniger als im Vorjahr, während ihre männlichen Kollegen leicht zulegen. Erstmals seit über zehn Jahren liegt das Durchschnittseinkommen der Frauen unter dem der Männer. Die Begründung: Es gebe jetzt mehr Frauen in Vorständen – deshalb sinke der Schnitt. Eine Logik, die man sich auf der Zunge zergehen lassen muss: Je mehr Vorständinnen, desto weniger Geld. Nach derselben Rechnung müssten männliche Vorstände, die zahlenmäßig dominieren, eigentlich längst schlechter verdienen als Frauen. Passiert natürlich nicht.

Der Fortschritt stockt. In Deutschland liegt der Frauenanteil in den Vorständen der 200 größten Unternehmen bei mageren 18 Prozent, in Österreich ähnlich. Wenn Frauen gehen, folgen fast immer Männer. Und wenn Unternehmen kriseln, stürzen Frauen deutlich schneller ab – der „Glass Cliff“ lässt grüßen. Männer überstehen häufig jahrelang schwache Performance, Frauen oft nicht einmal die Anfangsphase.

Vielfalt ist aber kein Luxusprojekt für gute Zeiten. Sie ist ein Überlebensprinzip – gerade in Krisen. Man kann es nur mantraartig wiederholen: Unterschiedliche Perspektiven führen zu besseren Entscheidungen. Wer das ignoriert, spielt mit der Zukunft. Doch viele Unternehmen kehren zu den eingespielten Mechanismen zurück: Männer retten Männer. Und solange Frauen in den Chefetagen als Risiko gelten statt als Ressource, bleibt die Machtfrage keine des Könnens – sondern des Geschlechts.


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Fotomaterial(c) Martina Berger

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