Barbara Leitgeb ist Projektleiterin von youngFit, eines Programms des Vereins Sprungbrett, das sich darauf konzentriert, an Technik interessierte junge Frauen und Mädchen bei der Suche nach Lehrstellen zu unterstützen. Durch die Corona-Krise werden diese Mädchen nun mit erschwerten Bedingungen konfrontiert.
Was ist ihre Aufgabe innerhalb des Vereins Sprungbrett?
Ich bin nun schon seit 16 Jahren beim Verein Sprungbrett und habe im vergangenen Jahr die Projektleitung von »youngFIT« übernommen. Dabei handelt es sich um ein Projekt, das sich an junge Frauen richtet, die eine handwerklich-technische Lehre machen möchten oder sich eine solche zumindest vorstellen können und offen dafür sind. Es gibt Infotage zu unseren Angeboten, Workshops, in denen wir mit den Mädchen und jungen Frauen über verschieden Berufsgruppen sprechen, aber wir gehen auch mit ihnen in unsere Werkstatt, wo wir mit den Mädchen gemeinsam etwas herstellen. In Auswahlgesprächen loten wir verschiedene Richtungen aus und versuchen die Mädchen darin zu bestärken den Blick zu öffnen. Schließlich gibt 200 verschiedene Lehrberufe. Dann gibt es auch die Möglichkeiten einen Kurs bei uns zu besuchen. Dabei begleiten wir sie über das ganze Kursgeschehen hinweg.
Geht es im Anschluss dann auch um die Vermittlung an Unternehmen?
Wir haben glücklicherweise unsere Betriebsarbeiterinnen, die Kontakte zu diversen Firmen pflegen. Man kann sich das als wirklich umfassende Datenbank vorstellen. Unmittelbar vor der Krise waren wir zum Beispiel bei einer Firma, die sich mit Prozess- und Lebensmitteltechnik beschäftigt. Diese Exkursion hat sehr viel Begeisterung bei den Mädchen ausgelöst. Wenn ein Mädchen eine Lehre beginnt, begleiten wir sie außerdem bis zur Lehrabschlussprüfung. Das ist uns deshalb so wichtig, weil wir genau wissen, dass das Leben nicht nur von Hochphasen, sondern auch von dem ein oder anderen Durchhänger gezeichnet ist. Wir versuchen also unter anderem, ihnen durch diese schwierigeren Abschnitte zu helfen. Darüber hinaus kommen auch Mädchen zu uns, die mit der Lehre fertig sind, von der jeweiligen Firma aber nicht übernommen wurden und jetzt Hilfe bei ihren Bewerbungen brauchen.
Hast Du den Eindruck, dass sich immer mehr Mädchen für handwerklich-technische Berufe interessieren?
Ich würde schon sagen, dass es mehr wird. Viele Firmen bemerken nun, dass sie eine ganze Gruppe vergessen oder nicht in Betracht gezogen haben. Aber es kommen auch Mädchen mit bestimmten Vorstellungen und Richtungen zu uns. Eine Tendenz ist also zu erkennen, aber es ist bei weitem noch nicht so, dass wir überflüssig wären.
Wie hat sich eure Arbeit durch die aktuelle Situation verändert?
In der ersten Phase stand zunächst einmal alles. Nun läuft es wieder, aber schon etwas verlangsamt. Auch von den Firmen bekommen wir ähnliche Rückmeldungen. Zwar können langsam wieder Termine für Vorstellungsgespräche vereinbart werden, aber für jene Mädchen, die gerade noch auf der Suche nach einer Lehrstelle oder einem Arbeitsplatz sind, ist es schon sehr schwierig. Ich habe die Befürchtung, dass viele kleinere Firmen sagen werden, dass es ihnen finanziell gerade so schlecht geht, dass sie momentan niemanden aufnehmen oder ausbilden können. Viele große Firmen suchen immer noch, da hat sich einfach das Prozedere verschoben oder verlangsamt. Insgesamt schrumpfen die Chancen also. Außerdem arbeiten wir normalerweise mit vielen Schulen zusammen. Das fällt jetzt ebenfalls weg. Auf diesem Weg konnten wir die Schülerinnen direkt ansprechen. Wir geben unser Bestes, um mit jenen Mädchen, mit denen wir schon in Kontakt waren, auch weiterhin in Kontakt zu bleiben. Diese persönliche Beziehungsarbeit ist unheimlich wichtig, hat sich durch die aktuelle Situation aber schon ein wenig verändert. Auch deshalb, weil nicht in allen Familien die technischen Voraussetzungen gegeben sind.
Glauben Sie, dass sich durch die Krise spezifische Nachteile am Arbeitsmarkt für Frauen ergeben?
Ich befürchte, dass es so kommen wird. Ich habe selber zwei Kinder, mit denen ich zu Hause lerne. Und ich weiß, dass diese prekäre Arbeitssituation größtenteils von Frauen getragen wird. Frauen in der Pflege und im Einzelhandel werden zwar beklatscht, aber im Gehalt spiegelt sich das nicht wider. Ich würde mir deshalb sehr wünschen, dass nicht nur geklatscht wird, sondern dass auch Taten folgen. Was meine Arbeit angeht, ist momentan der größte Nachteil, dass wir von einigen Firmen die Rückmeldung bekommen haben, dass sie dieses Jahr leider niemanden aufnehmen oder ausbilden können.
Die Zahl jener Unternehmen, die dem Thema Gleichstellung eine wichtige Rolle zugewiesen haben, wurde in den letzten Jahren definitiv mehr. Stehen wir jetzt vor einer Stagnation oder vielleicht sogar vor einem Rückschritt?
Das glaube ich schon. Natürlich haben Unternehmen momentan sehr vielfältige Sorgen, die das Thema Gleichstellung eher in den Hintergrund gedrängt haben oder drängen werden. Außerdem habe ich schon vor der Corona-Krise beobachtet, dass Frauen verdrängt werden, wenn Lehrstellen knapp werden. Das sieht man zum Beispiel im Einzelhandel ganz gut.
Konntest Du auch etwas Positives aus der Krise mitnehmen?
Für uns hat die momentane Situation einen wahren Digitalisierungsschub mit sich gebracht. Damit haben wir uns gleich ein wichtiges Rüstzeug für die Zukunft angeeignet. Es sollte aber nie darauf vergessen werden, dass nicht in allen Familien die Voraussetzungen für Video-Calls und ähnliche Dinge gegeben sind.