Die Gesundheit von Frauen wird oft nicht als eigenständiges Thema wahrgenommen. Dabei stützt eine geschlechtsspezifische Medizin die individuelle Versorgung, indem sie die Unterschiede zwischen Mann und Frau berücksichtigt. Denn Frauen und Männer sind – gerade was die Gesundheit angeht – sehr verschieden.

Ein entscheidender Punkt, der in der Medizin lange Zeit – zum Nachteil der Frauen vernachlässigt wurde. Das bestätigt auch Christiane Groß, Präsidentin des Deutschen Ärztinnenbundes: „Geschlechtsspezifische Medizin ist über Jahrzehnte nicht beachtet worden. Die Forschung erfolgte meistens am sogenannten männlichen Normkörper. Auch die Grundlagenforschung nutzt männliche Versuchstiere. Forschung an Frauen oder an weiblichen Tieren ist wegen der Berücksichtigung der hormonellen Zyklen viel teurer.“
Dennoch ist sie mit der Entwicklung in den letzten Jahren zufrieden. „Ich schaue nun auf rund 20 Jahre zurück, in denen ich mich mit diesem Thema beschäftige, und ich finde, vieles hat sich gut entwickelt. Das Thema hat zunehmend an Breite und Tiefe gewonnen. Ich empfinde es als wirklichen Fortschritt, dass das Thema in der Gesellschaft angekommen ist und darüber diskutiert wird. Das erhöht die Sensibilität für jede Seite.“
Gefahr im Verzug
Doch trotz der Fortschritte in den vergangenen Jahrzehnten sind Frauen in klinischen Studien immer noch unterrepräsentiert. Dies führt nicht nur zu Daten- und Wissenslücken, sondern oft auch zu verzögerten Diagnosestellungen. Eine Studie, die in Dänemark über einen Zeitraum von 21 Jahren durchgeführt wurde, zeigte, dass Frauen im Fall von mehr als 700 Krankheiten eine spätere Diagnose erhalten als Männer – bei Diabetes etwa um viereinhalb (!) Jahre versetzt.

Besonders dramatisch wirkt sich diese Verzögerung bei einem Herzinfarkt aus: Das Risiko, daran zu sterben, ist bei Frauen um 20 Prozent höher als bei Männern. „Man weiß, dass Herzinfarkte sich bei Frauen nicht nur anders zeigen, sondern auch zehn Jahre später auftreten als bei Männern, auch, weil sie durch Östrogene bis zur Menopause besser geschützt sind. Die Mortalität bei Frauen ist dann allerdings im Fall eines Herzinfarkts besonders hoch“, berichtet Alexandra Kautzky-Willer, die 2010 als erste Professorin für Gendermedizin an die MedUni Wien berufen wurde.
Geschlechterunterschiede spielen auch bei der Dosierung von Medikamenten eine wichtige Rolle. Eine Tablette braucht für den Weg durch Magen und Darm einer Frau circa doppelt so lange wie bei einem Mann. Auch der Abbau von Wirkstoffen in der Leber zieht sich… Deshalb genügt Frauen etwa bei Betablockern oft nur die halbe Dosis zum Therapieeinstieg. „Frauen erkranken also nicht nur an anderen Krankheiten als Männer, sondern auch anders. Daraus ergeben sich für Frauen aufgrund der unterschiedlichen Symptome und Medikamentenwirkungen oft höhere Risiken im Krankheitsfall.
Das betrifft nicht nur den Bereich der klassischen ,Frauenleiden‘ wie Menstruations- und Menopause-Beschwerden, Risiken während und nach einer Schwangerschaft sowie Eierstock-, Gebärmutterhals- und Brustkrebs. Auch psychische Erkrankungen, Essstörungen, Migräne und Osteoporose, um nur einige zu nennen, sind stark weiblich dominiert“, so Sonja Brandtmayer, Generaldirektor-Stellvertreterin der Wiener Städtischen Versicherung.

Die Alltags- und KI-Falle
Künstliche Intelligenz gewinnt auch in der Medizin immer mehr an Bedeutung – und genau hier könnte sich die nächste Falle auftun: Die bestehenden Datenmängel könnten nämlich dazu führen, dass sich der Gender Health Gap im Zuge von verstärkten KI-Anwendungen verschärft. „Wenn Künstliche Intelligenz überwiegend aus männlichen Daten lernt, entfernen wir uns weiter und weiter von der gesundheitlichen Chancengleichheit zwischen Frauen und Männern“, warnt Alexandra Kautzky-Willer.
„Wir brauchen mehr Investitionen in frauenspezifische Forschung, die Sammlung und Analyse geschlechtsspezifischer Daten sowie die Verbesserung des Zugangs zu geschlechtsspezifischer Versorgung“, fordert die Medizinerin weiter. Das Thema Krankheit bei Frauen ist altersunabhängig, und Frauen sind auf unterschiedliche Weise damit konfrontiert. Der Gender-Health-Gap-Report 2024 des Weltwirtschaftsforums zeigt auf, dass Frauen deshalb weltweit durchschnittlich rund 25 Prozent weniger Jahre bei guter Gesundheit leben als Männer. In Deutschland und Österreich ist diese Diskrepanz nicht ganz so stark ausgeprägt. Deutsche Frauen verbringen 20,75 Jahre in mittelmäßiger bis schlechter Gesundheit, während es bei Männern etwa 15 Jahre sind.
Der Österreichische Frauengesundheitsbericht besagt, dass Frauen in Österreich rund 19,3 Jahre in mittelmäßiger bis schlechter Gesundheit verbringen, im Vergleich dazu sind es bei Männern 16,2 Jahre. „Ich denke, das liegt nicht nur an Diagnosen und der Behandlung von Krankheiten, sondern auch an Unterschieden im Sozialverhalten. Wir Frauen fühlen uns häufiger für andere – beispielsweise für unsere Familie – verantwortlich und laufen Gefahr, uns damit selbst im Alltagsstress zu vernachlässigen. Auch, wenn wir uns ärztlich behandeln lassen, setzen wir hinterher vielleicht das, was uns empfohlen wurde, doch nicht um, weil wir meinen, dafür keine Zeit zu haben“, erklärt Christiane Groß.
Vorsorgen! Vorsorgen! Vorsorgen!

Prävention spielt in der Frauengesundheit eine entscheidende Rolle. „So können zum Beispiel regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen helfen, Krankheiten frühzeitig zu erkennen und zu behandeln. Dies erhöht die Heilungschancen und verbessert die Lebensqualität deutlich. Zudem können präventive Maßnahmen helfen, chronische Erkrankungen zu verhindern, bei der mentalen Gesundheit unterstützen oder eine gesunde Schwangerschaft zu ermöglichen“, weiß Denise Cullu, Expertin für Gesundheits- und Unfallversicherungen der Allianz, aus der Praxis. Denn nicht nur die Behandlung, sondern auch das Bewusstsein für die eigene Gesundheit ist ein bedeutender Schritt zu einem langfristig gesunden Leben.
Ab welchem Alter sollten Frauen vorsorgen? Dazu Denise Cullu: „Es gibt kein festes Alter, ab dem Frauen vorsorgen sollten. Aber es ist ratsam, bereits in jungen Jahren mit regelmäßigen Vorsorgeuntersuchungen zu beginnen. Regelmäßige gynäkologische Untersuchungen sind ab der Pubertät wichtig, und ab dem 20. Lebensjahr sollten Frauen jährliche gynäkologische Vorsorgeuntersuchungen wahrnehmen. Mit zunehmendem Alter kommen weitere spezifische Untersuchungen hinzu, wie Mammographien ab 40 und Osteoporose-Screenings ab 50.“
Mehr reden hilft – viel und vielen

Dabei haben Frauen ganz spezifische gesundheitliche Bedürfnisse, die sich im Laufe ihres Lebens ändern. Die speziellen Frauenthemen wie Menstruation, Kinderwunsch, Schwangerschaft und Wechseljahre beeinflussen den Alltag. „Eine offene Kommunikation darüber fördert das Selbstvertrauen, sich das Wissen zu holen, das man braucht, um sich in jeder Lebensphase mit den individuellen gesundheitlichen Anliegen auseinanderzusetzen“, ist Mandana Hambrusch, Geschäftsführerin des Gesundheitsunternehmens Gynial, überzeugt.
Das Unternehmen nimmt hier eine Vorreiterrolle ein, denn immer noch sind Sexualität und Menopause krampfig bis tabu. „Frauen müssen noch mehr Raum für diese Themen bekommen“, sagt sie, und weiter: „Wir haben im September 2024 eine Wechseljahre-Studie gemacht. Diese hat gezeigt, dass Frauen darüber sprechen wollen. Die Österreicher*innen wollen mehr Aufklärung, offenen Diskurs und Wissen.“ In konkreten Zahlen ausgedrückt: 60,3 Prozent der Befragten wünschen sich offene Gespräche und ein besseres Verständnis rund um die Menopause. Und mehr als die Hälfte (54,4 Prozent) fühlt sich darüber unzureichend informiert. „Jetzt ist die Zeit für Weiterbildung und Verständnis, damit Frauen selbstbewusst durch die verschiedenen Lebensphasen gehen können“, meint Mandana Hambrusch. Ein Satz, der auf das ganze Thema Frauengesundheit zutrifft.
Wie smart ist Privat?
Die private Gesundheitsvorsoge gewinnt immer mehr an Bedeutung. Der große Vorteil liegt dabei in der individuellen Behandlung im Krankheitsfall. Dazu Sonja Brandtmayer, von der Wiener Städtischen Versicherung: „Empfehlenswert ist etwa die Sonderklasse für Krankenhausaufenthalte bei schwerer Krankheit oder während der Schwangerschaft, die neben Flexibilität bei Arzt-, Spitals- und Terminwahl auch mit kinderfreundlichen Konditionen besticht.
Zusätzlich ratsam ist die Privatarztversicherung, die eine ideale Ergänzung zur Pflichtversicherung darstellt. Sie ermöglicht neben der freien Arztwahl auch unter anderem die Leistungsübernahme sowohl von schul- als auch alternativmedizinischen Behandlungen sowie von Physio- und Psychotherapie.“ Als wählbarer Versicherungsschutz, kann auch eine Zahnvorsorge abgeschlossen werden.