Dass man aus Krise eine Chance entstehen lassen kann, beweisen gerade Ina Lins und Christina Schirmbrand von der Kommunikationsagentur Ketchum. Die beiden Speakerinnen des kurzfristig abgesagten Fifteen Seconds Festivals haben in Rekordzeit ein völlig neues Eventformat ins Leben gerufen: Blank Canvas – the Unconference. Am kommenden Freitag, 7. Juni 2024 lädt das Duo Wissbegierige ins Auditorium des Joanneumsviertels in Graz ein, um gemeinsam Zukunftsthemen zu erkunden. Das Besondere dabei: Das Programm wird kollaborativ von allen Speaker*innen am Vortag erstellt und die Teilnahme ist für die gesamte Öffentlichkeit kostenlos. Wir haben die Veranstalterinnen zum Interview getroffen und gefragt, warum und vor allem wie sie in nur wenigen Tagen eine Konferenz aus dem Boden stampfen.
Was war der ausschlaggebende Moment oder die größte Motivation, die euch beide dazu bewogen hat, nach der Absage des Fifteen Seconds Festivals ein eigenes Event zu organisieren?
Wir beide hätten beide beim Fifteen Seconds Festival auf der Bühne gestanden. Nach einem kurzen Frustschnauffer, dass das in zwei Wochen nicht der Fall sein wird, kam die Überlegung: eventuell geht es auch anderen so? Und so haben wir den Frust in Energie umgewandelt und die Energie in die Kreation von Blank Canvas gegossen. Ein Eventkonzept, das darauf basiert, von den Speaker*innen und Teilnehmenden mitgestaltet zu werden. Der Kern des Fifteen Seconds Festivals soll dabei nicht verloren gehen: Kollaboration, Innovation und Life Long Learning. Und mit diesen drei Grundpfeilern gestalten wir auch die „Unconference“.
Wie habt ihr es geschafft, innerhalb nur einer Woche und ohne Budget, solch ein Veranstaltungsformat auf die Beine zu stellen? Welche Ressourcen und Netzwerke haben euch dabei geholfen?
Christina: Begeisterung, Netzwerke und eine überzeugende Idee! Ina hat einen unglaublich diversen Lebenslauf, der von Festival Produktionsleitung über Kulturmanagement, Geschäftsführung einer Bar über Journalismus und Kommunikation bis hin zu dem vielfach ausgezeichneten Podcast der Anne Frank reicht. In einem Zeitraum von 20 Jahren sammeln sich viele Wegbegleiter*innen, Freund*innen, Geschäftpartner*innen und ein gigantisches Netzwerk an.
Ina: Das Thema der Kooperation zieht sich durch mein ganzes Leben, ich habe beinahe in all meinen beruflichen Stationen auf Kooperation gesetzt. Das hat sich zu meiner Expertise ausgebildet. Es hilft natürlich auch, einen Job mit Purpose zu haben und Menschen mit der eigenen Begeisterung anstecken zu können.
Christina: Der Funke muss überspringen. Und das ist der Kern der ganzen Geschichte. Mut und ein tolles Konzept reichen nicht aus, wenn man die Menschen nicht begeistern kann. Und genau das war auch der Kern von Blank Canvas. Collaboration at its best. Der Gedanke, Mehrwert zu schaffen, und diesen dann auch zu bieten, hat uns den ganzen Zeitraum, sprich zwei Wochen lang begleitet und wir freuen uns dann auch darauf, wenn dieser Grundgedanke weiterleben kann.
Das Konzept, dass das finale Programm kollaborativ von allen Speaker*innen am Vortag erarbeitet wird, ist ziemlich einzigartig. Warum habt ihr diesen Ansatz gewählt?
Weil wir uns nicht als Festival Kuratorinnen verstehen und es anmaßend gefunden hätten, diesen Schritt zu wagen. Wir wollten Speaker*innen des Fifteen Seconds Festivals, die sich so wie wir, Zeit geblockt hatten, viel Zeit in ihre Vorbereitung gesteckt hatten und die Reise gebucht hatten, eine Möglichkeit und eine Bühne geben, ihr Wissen und ihre Expertise dennoch zu teilen. Mittlerweile haben wir den Speaker*innen-Kreis sogar erweitern können.
Uns hat der Gedanke, hier eine weiße Leinwand gemeinsam partizipativ und demokratisch zu gestalten, gefallen und es war ein Wagnis. Wir wussten ja zu Beginn gar nicht, ob die Speaker*innen überhaupt bereit dazu sind und Lust auf diesen Aufwand haben. In den ersten Gesprächen hat sich gezeigt, dass es genau dieses Konzept war, dass die Menschen überzeugt hat. Alle wollten Teil einer Bewegung sein und etwas Neues kreieren.
Wie habt ihr es geschafft, so viele renommierte Expert*innen für das Event zu gewinnen? Könnt ihr uns etwas über eure Strategien im Networking und der Zusammenarbeit erzählen?
Mit genau diesem partizipativen Ansatz und unserem Netzwerk. Wir können es ehrlich gesagt selbst noch nicht glauben, dass wir es geschafft haben, innerhalb von weniger als zwei Wochen ein alternatives Zukunftsfestival auf solide Beine zu stellen.
Man darf nicht vergessen, dass dieses Event zwei Ebenen hat. Zum einen der Inhalt. Dazu gehören das Konzept, alle Speaker*innen, der Ablauf, der Knowledge-Transfer und der partizipative Prozess, die Koordination, etc. Und zum anderen die Organisation. Dazu gehören Venue, Technik, Gastro, CI und Marken-Entwicklung, Website und Social Media, Marketing, PR, Logistik, Moderation, Film und Videobegleitung, Kooperationsmanagement, uvm.
Die renommierten Expert*innen konnten wir mit unserer gewinnenden Art und unserem Charme eingefangen (lacht). Aber tatsächlich war es bestimmt eine Mischung aus Überzeugung, Begeisterung, Mut und einer großen Portion Reputation und Vertrauen.
Welche Herausforderungen sind euch bei der Planung begegnet und wie habt diese überwunden? Gibt es spezielle Anekdoten oder Geschichten, die besonders herausstechen?
Wo fangen wir an? Alles war eine Herausforderung, vor allem weil wir keine Zeit und kein Geld hatten. Wir haben uns um Kopf und Kragen geredet, gefühlt 1000 Gespräche geführt, hunderte Arbeitsstunden investiert und rund um die Uhr gearbeitet.
Martin vom Parkhouse, der uns von Anfang an unterstützt hat, meinte er hat Inas Stimme und ihre Begeisterung gehört, das Konzept hat ihn natürlich auch überzeugt, deshalb hat er ohne weiteres Nachdenken sofort ja gesagt und uns seine Location zur Verfügung gestellt.
Von dem Moment an war klar, dass wir das durchziehen. Wir wussten, dass wir eine Marke erschaffen müssen, heißt, innerhalb von keiner Zeit eine Domain kaufen, eine CI entwickeln und eine Website bauen, Kommunikationskanäle aufbauen und eine Community bilden. All das wäre ohne Unterstützung von tollen Kolleg*innen wie Michael Bauer, Julia Lackner, Eva Hubacek und Saugaat Narula nicht gegangen. Und natürlich mit dem Backing von unserer CEO Saskia Wallner, die unsere verrückte Idee von Anfang an unterstützt und uns dafür Raum gegeben hat.
Dass uns am Freitag eine Woche vor dem Festival klar geworden ist, dass wir eine neue Location brauchen und noch keine Alternative hatten, hat es nicht einfacher gemacht. Aber wie schon erwähnt, kooperative Netzwerke und viel Überzeugungsarbeit haben uns letztlich sogar bis ins Museum geführt.
Was sind eurer Meinung nach die wichtigsten Erkenntnisse, die andere Eventplaner*innen aus eurer speziellen Erfahrung mit Blank Canvas ziehen können?
Mut! Mutig sein und einfach mal machen. Scheitern ist keine Scham. Und Inas Motto: Bildet Banden! Kooperative Netzwerke aufbauen und pflegen. Die Vorstellungskraft: Was kann das Beste sein, was uns passieren kann? Mit diesem Gedanken und einer Partnerin in Crime, die jede Idee unterstützt und auch an den richtigen Ecken kritisch hinterfragt. Und genau in diesem Ping-Pong von Ideenaustausch und Organisationskompetenz konnten wir in kürzester Zeit, das Format zum Leben erwecken, das wir uns schon länger gewünscht hätten. Neues Denken und keine Angst haben, sondern Vertrauen: erstens in sich selbst, zweitens in Kooperation und drittens in Innovation.
Über The Blank Canvas:
Unter dem Titel „The Blank Canvas – the Unconference” kommen am 7. Juni 2024 im Auditorium Joanneumsviertel Top-Speaker*innen und neugierige Köpfe für einen Tag zusammen. Im Mittelpunkt steht die „Blank Canvas“ (dt. leere Leinwand), die den Expert*innen und ihren Ideen so wie ein weißes Blatt Papier oder eine leere Leinwand in der Kunst völlige Gestaltungsfreiheit bietet. Von Podiumsdiskussionen über Podcastaufnahmen bis zu Networkingmöglichkeiten steht der Tag ganz im Zeichen der Zukunftsthemen – und das für die gesamte Öffentlichkeit völlig kostenlos. Tickets gibt es hier.