StartGeldDein Deal. Deine Regeln.

Dein Deal. Deine Regeln.

Verhandeln wie eine Gründerin – nicht wie eine Bittstellerin. Wie du zwischen People Business, Machtbegriffen und Vertragssprache nicht nur Kapital einsammelst, sondern die Kontrolle behältst. Ein Gastbeitrag von Katharina Beitz.

Neulich auf einem VC-Event kam eine Gründerin auf mich zu. Ich stand gerade mit zwei US-Investoren im Gespräch, sie trat höflich heran und fragte mich: „Seid ihr eigentlich eher Series B oder auch für Very Early Stage relevant? Sonst will ich dich gar nicht weiter aufhalten.“

Sie meinte es freundlich. Kurz, klar, effizient. Und doch war der Satz ein perfektes Beispiel dafür, wie viele nicht verstehen, was Venture Capital eigentlich ist. Was dieser Satz nämlich aussagt, ist: Wenn du nicht investierst, bist du nicht relevant für mein Gespräch. Das ist nicht grundsätzlich falsch – aber im Kontext fatal.

Venture Capital ist ein People Business. Es geht nicht nur um Zahlen, sondern darum, wie du Raum einnimmst, wie du Fragestellungen steuerst, wie du Signale setzt. Verhandlungen beginnen nicht im Notartermin. Sie beginnen im ersten Satz, im ersten Witz, im ersten Blickkontakt.

Und sie enden nicht mit einem „Ja“. Denn ein Ja heißt im Fundraising vor allem: Jetzt wird’s ernst.

Neun Denkfehler, die Gründerinnen systematisch schwächen

Diese Liste basiert auf echten Pitches, echten Term Sheets – und sehr realen Frustrationen. Sie ist keine Checkliste, sondern ein Perspektivwechsel: weg von der Idee, dass man beim Fundraising bloß überzeugen muss. Und hin zu einem professionellen Verständnis dafür, dass es sich um Verhandlungen handelt – mit klarer Dynamik, Macht, Sprache und Struktur.

  1. „Ich will nicht gierig wirken.“

Wer sich zu bescheiden gibt, verliert Verhandlungsspielraum, bevor es konkret wird. Bewertung ist keine moralische Aussage – sie ist Strategie.

2. „Ich nenne lieber eine Range, zum Beispiel 4 bis 7 Millionen.“

Wer Kapitalbedarfe in Spannen ausdrückt, wirkt rechnerisch unklar. Du musst wissen, was du brauchst – und wofür. Sonst übernimmt das Gegenüber deine Planung.

3. „Ich vertraue dem VC – wir hatten ein gutes Gespräch.“

Vertrauen ist kein Vertragsinhalt. Gute Gespräche führen nicht automatisch zu guten Bedingungen. Und sie sind kein Ersatz für strategisches Misstrauen.

4. „Ich will niemanden unter Druck setzen.“

Wer keine Fristen nennt, keine Alternativen andeutet und kein Momentum erzeugt, signalisiert: Dieses Gespräch hat keine Konsequenz.

5. „Ich bin nicht der Typ für harte Verhandlungen.“

Du musst nicht hart sein – aber vorbereitet. Klarheit ist kein Stilmittel, sondern Führungsinstrument. Wer nichts fordert, bekommt selten, was er verdient.

6. „Ich nehme, was ich kriegen kann.“

Eine realistische Haltung? Vielleicht. Eine strategische? Nie. Wer von Anfang an aufgibt, verhandelt keine Runde – sondern ein Abhängigkeitsverhältnis.

7. „Ich will lieber ehrlich sein als taktisch.“

Offenheit ist keine Einbahnstraße. Wer zu früh alle Details teilt, verliert die Kontrolle über die Argumentation. Takt ist nicht Täuschung. Takt ist Timing.

8. „Ich will meinen Cap Table nicht verwässern – also raise ich lieber weniger.“

Weniger Kapital klingt nach Kontrolle. Ist aber oft der Anfang von wachsender Abhängigkeit. Zu wenig Runway bedeutet: Verhandlung aus der Defensive in der nächsten Runde.

9. „Ich zeige offen, was bei uns noch nicht läuft – das zeigt ja, wie transparent wir sind.“

Ehrlichkeit ohne Kontext ist Risikokommunikation. Kapitalgeber suchen Vertrauen – nicht Unsicherheit. Wer operatives Chaos teilt, ohne Lösung zu skizzieren, wirkt nicht offen, sondern überfordert.

Kapital fließt nicht in Sympathie – sondern in Struktur.

Denn genau hier geht die Verhandlung erst richtig los. Viele feiern das „Ja“ nach dem ersten Pitch – aber der eigentliche Machtkampf beginnt im Term Sheet. In diesem Dokument steckt nicht nur Geld, sondern oft eine neue Realität: andere Entscheidungsprozesse, andere Beteiligungsverhältnisse, andere Rechte. Und viele dieser Begriffe wirken harmlos – sind aber alles andere als neutral.

Verhandlung im Fundraising bedeutet, mit einem Vertrag deine eigene Zukunft zu bauen. Und dafür musst du eine Sprache sprechen, die nur wenige wirklich lehren: die Sprache des Wagniskapitals. Wer die Vokabeln nicht kennt, verliert später Kontrolle. Wer sie versteht, verhandelt auf Augenhöhe.

Drei Machthebel, die im Vertrag verborgen sind

Noch immer wirken viele Begriffe im Venture-Bereich wie technische Nebensätze. Aber sie entscheiden, ob du langfristig CEO deiner Vision bleibst – oder zur operativen Gründerin ohne Gestaltungsmacht wirst. Deshalb hier drei der relevantesten Hebel, die in keinem Pitchdeck auftauchen, aber im Exit entscheidend sein können:

Liquidation Preference

Diese Klausel regelt, wer im Exit zuerst und wie viel bekommt. Klingt fair – ist aber oft das Gegenteil. Denn selbst bei einem erfolgreichen Verkauf kann es sein, dass du als Gründerin kaum profitierst, wenn dein Investor Vorrang bekommt. Wer das nicht verhandelt, verhandelt später gegen die eigene Rendite.

Anti-Dilution

Diese Regelung schützt Investoren bei fallenden Bewertungen. Für dich kann das bedeuten: massive Verwässerung, weniger Kontrolle, weniger Handlungsspielraum – obwohl du operativ weiter alles führst.

Kontrollrechte

Board-Sitze, Vetorechte, Zustimmungen bei Exits oder neuen Runden – was wie Mitbestimmung aussieht, ist oft strukturierte Kontrolle. Wer hier nicht verhandelt, unterschreibt den Verlust von Führungsspielraum.

Diese Hebel sind nicht juristisches Kleingedrucktes – sie sind strategische Machtfragen. Du musst kein Profi sein. Aber du musst wissen, was du unterschreibst. Und du brauchst jemanden, der diese Sprache spricht – oder sie dir erklärt.

Mein Rat: Zwei bis drei gute Bücher zu Term Sheets und Venture-Strukturen lesen. Nicht, um Anwältin zu werden. Sondern um Gründerin zu bleiben.

Kapital ist kein Geschenk – es ist ein Gegengeschäft

Wagniskapital ist keine Förderung. Es ist ein Geschäft. Und wer nicht weiß, wie dieses Geschäft funktioniert, wird nicht nur schlechter bezahlt – sondern oft systematisch entmachtet.

Verhandlung ist kein persönlicher Stil. Es ist Führung durch Struktur, Sprache und Verhalten. Du brauchst nicht die lauteste Stimme im Raum. Du brauchst das klarste Verständnis von dem, was passiert – und was es bedeutet.

Fazit

Fundraising ist kein Pitch. Es ist Strategie. Wer hier zögert, wird später ausgebremst. Wer hier nicht fragt, wird strukturell abhängig. Und wer hier nicht versteht, wird geführt, statt zu führen.

Verhandeln wie eine Gründerin heißt: Du weißt, was du brauchst. Du weißt, was du gibst. Und du weißt, wann du Nein sagst.


Über die Autorin:

Katharina Beitz ist Head of Communication & Platform bei AENU, einem der führenden Impact VCs in Europa. Sie gestaltet die öffentliche Wahrnehmung von Climate-Tech-Investments und treibt Transparenz sowie strategische Kommunikation im Venture-Capital-Ökosystem voran. Mit ihrem Hintergrund in Wirtschaft, Philosophie und Medien versteht sie Kommunikation als Schlüssel für gesellschaftlichen Wandel – ob in der Finanzwelt, der Politik oder der Startup-Szene. Als Board Member der Global Impact Capital Alliance (GICA) und gefragte Keynote-Speakerin spricht sie auf internationalen Konferenzen über die Macht der Sprache in Verhandlungen, politische Kommunikation, Transparenz in der Finanzwelt und die Zukunft von GreenTech-Investments. Ihre Analysen und Kolumnen erscheinen regelmäßig in Computerwoche, Frankfurter Rundschau und t3N.

Fotomaterial(c) Julie Roubinet

STAY CONNECTED