StartInnovationDas österreichische Pfandsystem: Freude, Kritik und ein erster Fahrplan 

Das österreichische Pfandsystem: Freude, Kritik und ein erster Fahrplan 

Die Einführung eines Pfands auf Einwegflaschen und -dosen sowie einer Mehrwegquote fand im November mehrheitlich Zustimmung im Nationalrat. KonsumentInnen bekommen die Möglichkeit in allen Supermärkten – auch beim Diskonter – Getränke in Mehrwegflaschen statt Wegwerfplastik zu kaufen. Einwegpfand sorgt dafür, dass alle Getränkeflaschen recycelt und die EU-Sammelquote von 90 Prozent bis 2029 erreicht werden kann.

Im Rahmen einer Novelle des Abfallwirtschaftsgesetzes trifft die Regierung Maßnahmen für mehr Abfallvermeidung, -trennung und -recycling. Das Vorhaben umfasst unter anderem eine Quote für Mehrwegverpackungen, einen Pfand auf Einwegflaschen und -dosen, ein Verbot bestimmter Einwegkunststoffprodukte, ein Importverbot bestimmter Abfälle zur Deponierung, verstärkte Abfalltransporte auf der Schiene und weitere Maßnahmen zur Abfallvermeidung. Österreich habe eine Verantwortung auf seine einzigartige Umwelt und Natur zu achten, betonte Justizministerin Alma Zadić in Vertretung von Leonore Gewessler. Man dürfe nicht heute die Dinge zerstören, die dann morgen unwiederbringlich verloren seien. Achtlos in der Natur weggeworfene Dosen und Flaschen seien ein Problem, dem die Novelle entgegenwirken werde, erklärte Zadić. Ein Pfand- und Mehrwegsystem vermeide Müll, begrüßte Cornelia Ecker (SPÖ) die vorliegende Novelle. Kritik äußerte die Abgeordnete an der Ausnahme von kleinen Dosen und Flaschen vom Pfandsystem sowie am späten Start der Maßnahmen. Mehr Kosteneffizienz in den Sammelsystemen und beim Einwegpfand im Interesse der KonsumentInnen forderte Ecker mittels eines Antrags, der in der Minderheit blieb.

Kritik an der späten Umsetzung

Für Greenpeace bleibt die Kompromisslösung deutlich hinter den Erwartungen und den notwendigen Maßnahmen für eine Reduktion der Verpackungsflut zurück. Nicht nur kommen die Maßnahmen mit dem Jahr 2025 zu spät, auch die Mehrwegquote ist aufgrund zahlreicher Ausnahmen, etwa für antialkoholische Getränke bis 0,5 Liter deutlich zu niedrig. Die Umweltschutzorganisation begrüßt jedoch, dass sowohl ein gesetzliches Pfandsystem für Einwegplastikflaschen und Dosen, als auch ein verbindliches Mehrwegangebot verankert wird. Greenpeace fordert die Supermärkte auf nicht zu warten, sondern jetzt Mehrwegflaschen in die Regale zu bringen. „Das neue Gesetz stellt die Weichen für Mehrweg und Pfand in Österreich. Dass das Gesetz aber erst 2025 greift ist eine vergebene Chance für die Umwelt. Jetzt müssen die Händler zeigen, dass sie es mit der viel beworbenen Verpackungsreduktion ernst meinen und nicht nur Greenwashing betreiben. Die Supermärkte müssen jetzt handeln und Mehrweg in die Regale bringen, anstatt den Umstieg auf umweltfreundliche Mehrwegflaschen um Jahre zu verschleppen. Für die Umwelt ist die beste Verpackung keine Verpackung oder ein Mehrwegbehälter, der jahrelang wiederverwendet wird”, sagt Greenpeace-Konsumexpertin Lisa Panhuber. 

KonsumentInnen wünschen sich Mehrweg-Alternativen

Die Unverpackt-Analyse des Greenpeace Marktcheck zeigt, dass gerade die Diskonter in Österreich fast alle ihre Produkte in Einwegverpackungen verkaufen. Doch Umfragen bestätigen, dass sich die KundInnen unverpackte Lebensmittel und Mehrweg-Alternativen wünschen. Österreich verursacht im EU-Vergleich überdurchschnittlich viel Müll mit Getränkeflaschen und Dosen, recycelt wird aber nur einen Bruchteil davon. Auch bei Mehrwegflaschen hinkt Österreich noch hinten nach: Nur 20 Prozent der Getränke werden in den umweltfreundlichen Flaschen verkauft. “Die Kosten, die durch die Ressourcenverschwendung und Umweltverschmutzung entstehen, tragen im Moment die österreichischen Steuerzahlerinnen und Steuerzahlen. Umso wichtiger ist es, dass in Zukunft die Hersteller für Einwegverpackungen die wahren Kosten bezahlen. Dafür muss zum Beispiel die beschlossene EU-Plastiksteuer ab 2022 als Lenkungsabgabe von den Verursachern bezahlt werden und nicht wie aktuell aus dem allgemeinen Steuertopf”, so Panhuber. Die Mehrwegflasche sei eine „vom Aussterben bedrohte Art“ erklärte Lukas Hammer (Grüne) mit Hinweis auf die stark sinkende Mehrwegquote seit den 1990er Jahren. Die Novelle wirke dem entgegen und bringe Wahlfreiheit für KonsumentInnen, zeigte sich der Umweltsprecher der Grünen sichtlich stolz und froh über den Gesetzesbeschluss. Künftig werde es Mehrwegangebote in allen Geschäften – auch bei Diskontern – und damit Wahlfreiheit für KonsumentInnen geben, stimmte Astrid Rössler (Grüne) zu.

Mehrweg ist die nachhaltigere Verpackungslösung

Ein Eingweg-Pfand ist die Möglichkeit, dass Einweg- und Mehrwegverpackungen endlich gleichwertige Chancen haben. Es ist jedoch klar, dass mit Einweg-Flaschen und Dosen deutlich mehr Ressourcen und mehr Energie verbraucht werden. Mehrweg ist bei kurzen Transportwegen jedenfalls die nachhaltigere Verpackungslösung. Daher ist es wichtig, dass in einem Pfandsystem Mehrweg-Getränkeverpackungen durch hohe gesetzlich vorgeschriebene Quoten gefördert werden. „Wir erwarten uns im Abfallwirtschaftsgesetz einen langfristigen Zielfpfad zur Erhöhung der Mehrwegquote. Hier gibt es vermutlich noch viel Luft nach oben. Wir brauchen dringend einen ambitionierten Stufenplan für die Steigerung des Mehrweganteils. Mehrweg-Flaschen sind nun mal die beste Möglichkeit, um Ressourcen im großen Stil einzusparen“, betont Lena Steger, Ressourcenexpertin von GLOBAL 2000. Jedes Jahr fallen in Österreich mehr als 900.000 Tonnen Plastikmüll an, davon rund 50.000 Tonnen an Getränkeverpackungen. Das sind beinahe 2,5 Milliarden Flaschen und Dosen, die viel zu oft achtlos weggeworfen werden und die Natur stark belasten. Um die Einführung auch im Handel gut vorzubereiten und umzusetzen, erfolgt die Mehrwegverpflichtung schrittweise. 

Lebensmittelhandel ist sich der Verantwortung bewusst

Handlungsbedarf besteht insbesondere bei den tausenden kleineren Nahversorgern des Landes. Sie müssen sich im Zuge der Implementierung eines bundesweiten Einwegpfand-Systems auf gravierende Mehrbelastungen und finanzielle Zusatzaufwände etwa für Rücknahmeautomaten einstellen. „Der heimische Lebensmittelhandel ist sich seiner Verantwortung für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft bewusst. Selbstverständlich werden wir den heute eingeschlagenen Weg Richtung Einwegpfand unterstützen. Gleichzeitig appellieren wir aber auch an Klimaschutzministerin Gewessler, sowohl den gesamten filialisierten Lebensmitteleinzelhandel als auch die mehr als 6.700 selbstständigen Kaufleute im Land bei der Umsetzung bestmöglich zu unterstützen. Nur so können wir die Nahversorgung aller Österreicherinnen und Österreicher sicherzustellen“, sagt Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will. Ab 2024 muss in mindestens jeder dritten Filiale eines Unternehmens Mehrweg angeboten werden, ab 2025 in 90 Prozent. Mit Jahresende 2025 gilt die Mehrwegquote auch für die restlichen Filialen.

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