Tauchen wir gleich in die Materie ein – wie kann man eigentlich den Wert von Follower:innen und Reichweite bzw. Ihrem Account auf LinkedIn in Zahlen messen?
Es gibt verschiedene Methoden, dies zu berechnen. Eine davon stammt aus dem Marketing und bezieht sich auf den Tausend-Kontakt-Preis (TKP). Dieser Preis gibt den Wert von 1.000 erreichten Kontakten pro Plattform und pro Medium an. Auf LinkedIn liegt der TKP bei 32,50 Euro, was im Vergleich zu anderen Social-Media-Plattformen relativ hoch ist. Wenn ich diese Berechnung auf meine Reichweite anwende, teile ich 400 Millionen Reichweite, die ich pro Jahr generiere, durch 1.000 und multipliziere sie mit 32,50 Euro. Dadurch ergibt sich ein grober Basiswert des Accounts von über 13 Millionen Euro. Wenn man zudem als Speaker, Moderatorin oder ähnliches agiert, schafft man hierdurch ebenfalls ein Einkommen. Für mich als festangestellte Corporate-Influencerin sind das allerdings nur theoretische Rechenbeispiele.
Und wenn wir das Prinzip auf einen einzelnen Post von Ihnen umlegen?
Ein einzelner Post von mir erzielt im Durchschnitt 1,5 Millionen Views. Wenn wir die zuvor erläuterte Berechnungsmethode anwenden – also die Views durch 1.000 teilen und mit 32,50 Euro multiplizieren –, ergibt sich ein durchschnittlicher Wert von 48.750 Euro pro Post. Für uns hat diese Art von Monetarisierung keine Relevanz, da meine Kommunikation in unseren Kunden- und Kooperationspartnerprojekten integriert ist – der virtuelle Wert wird dennoch gemessen.
„Der berechnete theoretische Wert meines Accounts liegt bei 13 Millionen Euro.“
Dafür gibt es wahrscheinlich auch ganz eigene Regeln?
Genau. Ich orientiere mich dabei stets am AIDA-Modell. Die ersten drei Schritte – Attention, Interest und Desire – kann ich beeinflussen. Der letzte Schritt, Action, liegt dann beim Unternehmen. Es bringt wenig, wenn man Sales oder HR durch Corporate Influencing stärkt, aber niemand im Unternehmen die daraus entstehenden Chancen weiterverfolgt und umsetzt. Idealerweise wirkt Corporate Influencing auf mehreren Ebenen: Es stärkt nicht nur die Beziehungspflege, sondern fördert auch die Neukundengewinnung und das Image. Als Corporate-Influencer:in wird man zum Gesicht der Marke, was den Auftritt deutlich persönlicher macht. Das schafft Vertrauen und stärkt die Bindung zur Marke.
Was unterscheidet eine Corporate-Influencerin von einer Influencerin, die im Auftrag mehrerer Unternehmen agiert?
Die klassische Influencerin agiert in der Regel selbstständig, vermarktet verschiedene Produkte und Dienstleistungen auf eigene Rechnung. Die Corporate-Influencerin hingegen ist eine festangestellte Mitarbeiterin eines Unternehmens, die die Werte und Botschaften des Unternehmens nach außen trägt. Die Business-Influencerin bildet die dritte Kategorie. Sie bewirbt Produkte und Dienstleistungen im geschäftlichen Kontext und wird dafür bezahlt.
Haben Sie diesen Job „Corporate-Influencer“ erfunden oder hat er sich durch den Zufall mit dem legendären Post über Ihren Großvater ergeben? Vielleicht können Sie die Geschichte nochmal kurz zusammenfassen?
Es gab diesen Schlüsselmoment, als ich meinen 101 Jahre alten Opa in Berlin besucht habe. Er hat mich gefragt, wie ich zu ihm gekommen bin; ich war damals mit Carsharing unterwegs. Also haben wir ein Gespräch über Carsharing geführt, was sehr interessant war und aufgezeigt hat, wie relevant die Übersetzungsleistung zwischen der Tech-Welt und der Gesellschaft – oder auch der Wirtschaft – ist. Ich habe dazu einen Post formuliert, den ich auf LinkedIn publizierte: Er ging viral mit 350.000 Views, obwohl ich zu dem Zeitpunkt nur etwa 1.000 Kontakte hatte. Da habe ich gemerkt, LinkedIn ist nicht bloß Recruiting, sondern ein Business Social Media mit großem Potenzial. Ich begann, Inhalte aus unseren Innovations- und Technologie-Kampagnen auf meinem Profil zu teilen, und bemerkte schnell, dass das sehr gut funktionierte. Eines Tages meinte eine meiner Vorgesetzten: „Versuch das doch mal eine Zeit lang in Vollzeit!“ Das war vor etwas über zweieinhalb Jahren, wir gaben dem Kind den Namen „Voice for Innovation“, und schon ging es los! So ist das Ganze immer größer und größer geworden.
Ihre Community ist innerhalb eines Jahres rasant angewachsen – von damals 70.000 auf 200.000 Followern (Stand: Januar 2024) – was zu Beginn diesen Jahres Anlass für heftige Vorwürfe* war. Wie systematisch sind Sie beim Aufbau Ihrer Community vorgegangen – mittlerweile liegt die Zahl ja bei 300.000 Followern?
Von Anfang an war mein Ansatz sehr systematisch, und uns war es wichtig, eine kritische Größe zu erreichen. Natürlich lernt man gerade zu Beginn viel durch Trial and Error, da ich anfangs nicht genau wusste, wie die Algorithmen funktionieren. Doch hinter meiner Arbeit steckt eine durchdachte Strategie, die den aktiven Netzwerkaufbau, Content-Plan, Keynotes und Moderationen auf Tech- und Innovationsevents sowie gezielte Podcast- und Pressearbeit umfasst.
Die Kritik rund um „Fake Follower“ ist etwas, was jederzeit jedes Unternehmen treffen könnte. Wozu würden Sie raten?
Bevor man sich auf das Terrain des Corporate Influencing begibt, sollte man eine klare Strategie für den Umgang mit potenziellen Krisen entwickeln. Aus meiner Sicht ist es essenziell, dass ein Unternehmen seinen Corporate-Influencer in solchen Situationen unterstützt, so wie es Deloitte bei mir getan hat. Unser erster Schritt war, Ruhe zu bewahren und sich nicht auf hitzige Diskussionen einzulassen. Denn letztlich agiert man in einem professionellen Umfeld, wo es entscheidend ist, mit Fakten und Daten zu belegen, dass alles korrekt abgelaufen ist. Deloitte hat damals Datenanalyst:innen auf mein Profil angesetzt, Statistiker:innen und Forensiker:innen haben es auf Anomalien geprüft und konnten bestätigen, dass nichts an den Vorwürfen dran ist. Auch LinkedIn hat nach einer einwöchigen Überprüfung all meiner Follower bestätigt, dass es keine Unregelmäßigkeiten auf meinem Profil gibt.
„Es ist wichtig, Stereotype wie ,Frauen sind das kommunikativere Geschlecht‘ zu hinterfragen.“
Sie sind die größte LinkedIn-Influencerin im DACH-Raum und die einzige Frau unter den Top Ten der LinkedIn-Influencer:innen. Damit verstehen Sie ja, was es heißt, als Frau durch aktive Kommunikation sichtbar zu sein. Glauben Sie, dass Frauen, denen man ja immer nachsagt, das kommunikativere Geschlecht zu sein, durch die ganzen Entwicklungen im Umfeld von KI, die besseren Karten auf diesem Gebiet haben? Weil es zum Beispiel hier weniger um technisches Wissen an sich als um die richtigen „Anweisungen“ geht – oder ist das mittlerweile Klischeedenken?
Ich denke, es ist wichtig, Stereotype wie „Frauen sind das kommunikativere Geschlecht“ kritisch zu hinterfragen. Kommunikation ist eine Schlüsselkompetenz. Unabhängig von Geschlecht, Alter oder kulturellem Hintergrund müssen wir alle lernen, richtig mit Technologien umzugehen. Politik und Wirtschaft tragen die Verantwortung, die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen. Grundsätzlich sind Frauen im Tech-Bereich immer noch nicht sichtbar genug. Mein Wunsch ist, dass Frauen für ihre Expertise und nicht für ihr Geschlecht wahrgenommen werden.
Was sind Ihre langfristigen Ziele als Corporate Influencerin, und welche Projekte oder Themen möchten Sie in Zukunft verstärkt in den Vordergrund stellen?
Meine Mission ist und bleibt, „Tech for Good“ weltweit zu verbreiten. Ich möchte dafür sensibilisieren, dass es viele Schnittstellenberufe in diesem Bereich gibt, denn Technologie ist weit mehr als „nur“ ein MINT-Studium! Technologie begleitet uns alle, und wir müssen lernen, sie zu verstehen, um den technologischen Wandel erfolgreich voranzutreiben. Konkret bedeutet das, Technologie mit anderen Disziplinen zu verbinden – in meinem Fall mit Wirtschaftspsychologie, Kommunikation und digitaler Transformation. Ich sehe mich als Brücke zwischen den „Tekkies“ und der Gesellschaft, zwischen Tech-Expert:innen und Business-Entscheider:innen. Und davon braucht es noch viele mehr!
Gibt es bereits konkrete „Aufrüttelungs-Maßnahmen“ von Ihrer Seite?
Diesen Herbst begleite ich zum Beispiel die Hacker School auf ihrer Tour durch deutsche Schulen. Während Julia Freudenberg, die Gründerin, jungen Menschen das Programmieren beibringt, zeige ich, welche vielfältigen Tech-Berufe es gibt und wie wichtig es ist, gemeinsam „Tech for Good“ zu fördern. Ich arbeite kontinuierlich daran, mein Tech-Wissen zu vertiefen, um es noch verständlicher und zugänglicher vermitteln zu können. Zudem möchte ich anderen zeigen, was es bedeutet, sichtbar zu sein – inklusive Licht- und Schattenseiten – und wie man diese mutig meistert. Denn es lohnt sich, für sein Herzensthema sichtbar zu werden.
LinkedIn Hacks:
So bekommt ihr mehr Sichtbarkeit auf LinkedIn: 12 Profitipps von Lara Sophie Bothur für ein effektiveres Wachstum auf LinkedIn findet ihr hier.
Zur Person:
Lara Sophie Bothur (28) ist Corporate-Influencerin für die Wirtschaftsprüfungsfirma Deloitte. Mit mehr als 310.000 Followern und über 400 Millionen Views ist sie die erfolgreichste LinkedIn-Influencerin im DACH-Raum, die einzige Frau in den Top Ten auf LinkedIn und eine der erfolgreichsten Tech-Influencerinnen weltweit.
* Anfang dieses Jahres hat ihr explosives Follower-Wachstum eine breit diskutierte Debatte über die Echtheit der Reichweite auf LinkedIn ausgelöst. Unter anderem wurde ihr vorgeworfen, mittels Bots und Automatisierungs-Tools Reichweite zu generieren bzw. auch Follower und Likes gekauft zu haben. Als Indiz für die Vorwürfe galt das exponentielle Wachstum ihrer Community zwischen Dezember 2023 und Januar 2024 um mehr als 10.000 Follower pro Woche. Derartige Sprünge seien bei Spitzensportlern oder Filmstars nicht ungewöhnlich, in der Kommunikationsbranche jedoch eher unüblich. In einem höchst aufwendigen Prozess konnten Deloitte – und damit auch Lara Sophie Bothur – sowie die Plattform LinkedIn nachweisen, dass eher die Vorwürfe „fake“ waren, an ihrem Account war jedoch alles echt.
Lara Sophie Bothur studierte Psychologie und Digitale Transformation im Master, war neben ihrem Studium bereits selbstständig und arbeitete vor ihrer Rolle als „Voice for Innovation“ und Corporate-Influencerin für Deloitte im Tech- und Innovations-Consulting „The Garage“. Sie lebt in Hamburg, verbringt ihre Freizeit am liebsten am Meer beim Beachvolleyballspielen oder in Ruhe zuhause am Klavier.
Zum Unternehmen:
Deloitte ist das weltweit führende Prüfungs- und Beratungsunternehmen und bietet Leistungen in den Bereichen Audit und Assurance, Steuerberatung, Consulting, Financial Advisory und Risk Advisory für nahezu 90 Prozent der Fortune Global 500®-Unternehmen und Tausende von privaten Unternehmen an. Im Geschäftsjahr 2023 (01. Juni 2022 bis 31. Mai 2023) konnte Deloitte seinen globalen Umsatz auf 64.9 Milliarden US-Dollar steigern und damit seine Marktführerschaft festigen. Das Unternehmen baut auf eine über 175-jährige Geschichte auf und ist in mehr als 150 Ländern tätig. Insgesamt sind mehr als 457.000 Menschen bei Deloitte beschäftigt und leben täglich das Leitbild „Making an impact that matters.