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Bitte, lachen!

Einerseits wollen wir voneinander lernen, andererseits halten wir Andersdenkende kaum mehr aus. Wie man in Zeiten der Diskussions-Unkultur das gemeinsame Vorwärtskommen in den Alltag zurückholt.

Als mein Großvater, der fast 100 Jahre alt wurde, noch lebte, eröffnete er jedes Familientreffen mit den Worten: „Wir können über alles reden – außer über Krankheiten und Politik“. Dieser Satz kam mir wieder vor wenigen Tagen in den Sinn, anlässlich des HR Inside Summit, einer renommierten Fachtagung im niederösterreichischen Schloss Laxenburg. Einer der ersten Vorträge widmete sich dem aktuellen Thema „Bridging the Gap – von der Spaltung über den Dialog zum gemeinsamen Ziel“. Kaum einer/einem ist in den vergangenen Jahren diese Erfahrung erspart geblieben: Freundschaften sind wegen Corona-Debatten (Krankheit!) oder etwa der Ukraine-Invasion durch die Russen und deren Folgen (Politik!) zerbrochen. Stimmt? Stimmt.
 
Aufgeheizt durch die Diskussions-Unkultur in den Sozialen Medien und durch TV-Talks, die weniger aufklären als die Polarisierung vorantreiben, sind wir gewaltig aus der Übung gekommen, wenn es darum geht, das Gespräch mit Andersdenkenden zu finden. Die Gegenwart ist voller Widersprüche und diese fordernde Situation manifestiert sich zunehmend in unserer Art miteinander umzugehen. Viele halten sich (manchmal sogar sprichwörtlich) die Ohren zu und sagen laut „Mi-mi-mi-mi-mi“, um den verstörenden Lärm der Welt zu überstimmen. Oder sie bunkern sich in ihrer vertrauten Umgebung ein und tun sich nur mehr mit jenen zusammen, mit denen keine Meinungs-Reibung bei Hot Topics wie Gendern, Klimawandel oder Feminismus droht. „Die Person XY kann man gar nicht mehr treffen, die ist ja ein:e fanatische:r Impfgegner:in/Klimakleberbefürworter:in!“. Kommt Ihnen bekannt vor?

Parallel dazu tragen wir aber dieses Ur-Gefühl in uns, das ganz wesentlich zu Fortschritt, und Entwicklung beiträgt: Das Bedürfnis aneinander zu wachsen und voneinander zu profitieren. Das passiert immer dann, wenn wir etwas Neues lernen, Auseinandersetzung und einen fremden Blickwinkel zulassen, uns einem Wissen öffnen, das uns davor nicht erschlossen war.

Wie also finden wir am besten aus dieser Schlamastik – gefordert zu werden bei gleichzeitiger Bestätigung – wieder heraus?  Dazu der „Erste Hilfe-Kurs für menschliche Kommunikation“, den der Kommunikationstrainer Christian Decker seiner Audience in Laxenburg mitgegeben hat: Das „ABS“-Prinzip im Notfall – Ansprechen, Berühren, Schmerzreiz setzten – wandte er auf Konfliktsituationen im Gespräch an: Akzeptanz, Bereitschaft für Dialog und Suche nach gemeinsamen Lösungen. Fürs Erste klingt das einfacher als es manchmal ist, aber man kann es ja üben. Eine andere Lösung schlägt die italienisch-australische Philosophin Rosi Braidotti in einem Interview mit der Wochenzeitschrift Die Zeit vor: „Lachen ist eine machtvolle Strategie gegen jede Form von Ausgrenzung“. Denn „das Lachen setzt sich über bestehende Grenzen hinweg und behauptet sich noch gegenüber dem ärgsten Feind“. Bitte, lachen!


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FotomaterialCopyright: Freepik

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