StartBusinessKarriereAusnahmeköchin Ana Roš: „Man hat den Zenith erreicht“

Ausnahmeköchin Ana Roš: „Man hat den Zenith erreicht“

Gerade einmal acht Frauen weltweit wurden 2023 vom renommierten Guide Michelin mit der Höchstwertung von drei Sternen ausgezeichnet. Eine davon wirkt und werkt in Slowenien, nahe der österreichischen Grenze: Ana Roš. Im Interview mit sheconomy sprach die Ausnahmeköchin über die Herausforderungen eines Drei-Sterne-Betriebs, weshalb sie nur eingeschränkt mit Personalproblemen zu kämpfen hat und was Luxus heute überhaupt bedeutet.

Eines der besten Restaurants der Welt ist ein ziemlich unscheinbaren Haus mit altrosa Fassade an einer slowenischen Landstraße – das Hiša Franko. Die Straße führt durch das malerische Tal des Flusses Soča, der in Italien Isonzo heißt. Neben der Fahrbahn grasen Kühe und Schafe auf grünen Weiden, dahinter erheben sich die südlichsten Ausläufer der Alpen, von deren Gipfeln an klaren Tagen der Blick bis zum Mittelmeer und auf die Stadt Triest reicht.

Im Vorjahr wurde das Hiša Franko vom Guide Michelin als erstes und bislang einziges Restaurant Sloweniens mit der Höchstnote von drei Sternen ausgezeichnet. Womit es zu jenen lediglich 140 Restaurants weltweit zählt, die laut dem prestigereichen Restaurantführer „die Reise wert sind“; und von denen werden gerade einmal acht von Frauen betrieben.

Für die Wirtin und Küchenchefin Ana Roš war der dritte Stern somit eine Art Konsekration, die die 50-jährige Autodidaktin endgültig zu einem der Superstars der internationalen Gastro-Szene und – neben einer ehemaligen amerikanischen First Lady und gleich mehreren Sportlern – zu einer der weltweit bekanntesten Bürger:innen des Zwei-Millionen-Einwohner-Landes macht.

Sie hatten ja bereits in der ersten Ausgabe des Guide Michelin Slowenien, der im Jahr 2020 erschien, zwei Sterne. Jetzt haben sie als Einzige im Land auch die Höchstnote erreicht. Wie wirkt sich so ein dritter Stern auf den Geschäftsgang aus?

ANA ROŠ Der Effekt war tatsächlich augenblicklich. Das Reservierungstelefon lief heiß, vor allem Gäste aus den Nachbarländern Italien und Österreich, aber auch aus Japan und Amerika, reagierten sofort. Das macht natürlich Freude, zumal der Stern zum Ende des Sommers und der Touristensaison kam, wenn es bei uns im Tal gerade etwas ruhiger wird. Man kann schon sagen: Zwei Sterne verschaffen überregionale, drei Sterne weltweite Aufmerksamkeit.

Welche besonderen Herausforderungen sind mit so einer Auszeichnung verbunden? Wie hoch ist der Stress, das Niveau zu halten?

Zusätzlichen Stress gibt es gar keinen. Im Gegenteil: Man hat den Zenit erreicht, fühlt sich bestätigt und selbstsicherer als zuvor. Der Stress bleibt derselbe. Nämlich, jeden Tag das Beste abzuliefern, zu dem man fähig ist. Das war bisher so und bleibt so.

Haben Sie denn keine Angst, irgendwann einmal den dritten Stern wieder zu verlieren?

Nein, zumindest bislang nicht, weil ich ja gar nicht damit gerechnet hatte, ihn zu erhalten. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch: Die Sterne sind sehr wichtig für mich. Und ich bin dankbar dafür. Aber man kocht nun einmal nicht für Sterne, sondern für zufriedene Gäste.

Küche aus den Julischen Alpen und dem nahen Mittelmeer. Hier ein Taco mit Topinambur und Leimkraut.

Hat sich auch die Art der Gäste verändert, seit Ihr Restaurant drei Sterne trägt?

Tatsächlich gibt es Gäste, die ihre Reisen nach Drei-Sterne-Restaurants planen. Darunter sind viele, die zuvor noch nicht bei uns waren. Wir haben jedoch nur ein einziges Menü, deswegen ändert sich der Pro-Kopf-Umsatz in diesem Bereich nicht. Aber wir verkaufen plötzlich mehr teure Weine, was freilich auch ein Zeichen ist.

Gleichzeitig haben Sie den Menüpreis angehoben, sodass dieser nun bei 325 Euro liegt. Wie hoch kann man da gehen, wo liegt die Schmerzgrenze?

Also den Preis haben wir erst mit der neuen Saison angehoben, die im Frühjahr begann, und somit erst Monate nach dem Erhalt des dritten Sterns. Eine Erhöhung hat es sowieso gebraucht, um unsere Kosten zu decken. Aber ohne den Stern wäre sie vermutlich etwas geringer ausgefallen. Der Preis entspricht dem, was in den meisten anderen Drei-Sterne-Restaurants üblich ist, in vielen davon liegt er deutlich höher.

Der größte Ausgabenposten in der Gastronomie sind bekanntlich die Personalkosten. Wie viele Mitarbeitende haben Sie?

Alles in allem 65, davon sind 35 im Hiša Franko beschäftigt, wo wir circa 40 Sitzplätze haben. Die restlichen Leute arbeiten in einem weiteren Lokal von mir in Ljubljana, im Jaz, und in meiner Bäckerei.

Ein Dessert aus Marille, Mandeln und Samtblume (Tagetes).

Wie auch andere Gewerbe, leidet die Gastronomie stark unter Personalmangel. Hilft es da, dass viele junge Leute eine Anstellung in einem Drei-Sterne-Restaurant in ihrem Lebenslauf haben wollen?

Das denke ich schon. Allerdings haben wir, vor allem, was die Küche betrifft, schon länger keine Rekrutierungsprobleme. Spätestens nicht mehr, seit wir in der Liste der 50 besten Restaurants der Welt gereiht werden. Aber es stimmt, dass wir nun mehr und vor allem mehr interessante Bewerbungen erhalten. Probleme gibt’s eher beim Service-Personal, weil hier das Prestige eines Sterne-Restaurants im Lebenslauf wenig zu tragen kommt.

Das Hiša Franko ist nicht dafür bekannt, mit den üblichen Luxuszutaten wie Hummer oder Gänseleber zu arbeiten. Wie hoch ist der Wareneinsatz?

Hummer und Gänseleber und ähnliches sind tatsächlich nicht die Zutaten, mit denen ich am liebsten arbeite. Allerdings muss man auch überlegen, was Luxus überhaupt bedeutet. Wir arbeiten etwa mit einer alten und seltenen Kartoffelsorte, die auf über 800 Metern Seehöhe wächst. Für mich ist auch das Luxus. Zudem sind wir sehr bemüht, unseren Lieferanten die bestmöglichen Preise zu bezahlen, allein schon, um die Qualität der Lebensmittel zu garantieren. Dann haben wir auch immer wieder vermeintlich noble Zutaten. Wie zum Beispiel Fleisch von Rehen, von denen es in unseren Wäldern nur so wimmelt.

Wie hoch ist also der Wareneinsatz im Hiša Franko?

Zurzeit liegt er bei 15 bis 17 Prozent der Gesamtkosten.

Trotz des enormen Drucks, dem Sie als Spitzenköchin ausgesetzt sind, eröffneten Sie mit dem Jaz Im vergangenen November in Ljubljana ihr erstes Restaurantprojekt abseits vom Hiša Franko. Warum tun Sie sich das an?

Weil ich gerne arbeite. Und weil ich die Herausforderung genauso liebe wie das Gastgewerbe generell. Hier bot sich mir die Chance, ein Lokal einer anderen Kategorie an einem anderen Ort, nämlich in einer Stadt, zu betreiben. Das ist eine Gelegenheit und eine Erfahrung, die ich unbedingt machen wollte. Das Jaz serviert kein Menü, sondern à la carte. Es sind Gerichte, die ich selbst jeden Tag essen könnte, also kein Fine Dining wie im Hiša Franko.

Und sind Sie zufrieden mit dem Ergebnis?

Das Restaurant kommt gut an, aber um Bilanz zu ziehen, ist es noch zu früh. Wir wollen das mindestens ein Jahr lang beobachten, bevor wir beschließen, wie es weitergehen soll. Bislang läuft es jedenfalls sehr gut.

Und wenn die Bilanz passt, werden Sie mit demselben Konzept auch in anderen Städten eröffnen?

Das wäre der Plan. Aber wir müssen wie gesagt noch warten, wie sich das bestehende Jaz entwickelt und danach das Konzept an die Situation in einer größeren Stadt wie beispielsweise Zagreb oder Wien anpassen. Dort gelten nämlich andere Regeln als in Ljubljana mit seinen gerade einmal 300.000 Einwohner:innen.

Ich könnte mir vorstellen, dass der Wareneinsatz im Jaz höher ist als im Fine-Dining-Restaurant Hiša Franko. Und dass man für dort schwieriger Personal findet.

Beides ist richtig. Der Wareneinsatz macht circa 30 Prozent der Kosten aus, was wie gesagt dem À-la-carte-System geschuldet ist, das nicht so leicht zu kontrollieren ist wie im Fall eines fixen Degustationsmenüs. Aber wir arbeiten hart daran, so wenig Abfälle wie möglich zu erzeugen. Denn der höchste Kostenpunkt beim Wareneinsatz ist immer das, was man wegschmeißt. Darum bemühen wir uns, so viel wie möglich von den Lebensmitteln, dem Fleisch, dem Gemüse, dem Brot weiter- und wiederzuverwenden, um die Kosten, aber auch den Preis möglichst niedrig zu halten. Tatsächlich tun wir uns auch etwas schwerer beim Rekrutieren, obgleich das Lokal im Unterschied zum Hiša Franko nicht am Land, sondern in einer europäischen Hauptstadt liegt. Aber das ist ein Problem, das im Moment sehr viele Lokale haben, egal, wo.

Welche Projekte gibt es sonst noch?

Wir haben außer dem Jaz auch eine Bäckerei in Ljubljana eröffnet, die sehr beliebt ist und deren Konzept wir vervielfachen möchten. Außerdem lancieren wir in Kürze eine Linie von alkoholischen und nichtalkoholischen Getränken, die wir in unseren Lokalen entwickelt haben. Selbstverständlich alles natürlich und ohne Zusätze, alles biologisch, alles hausgemacht.

Braucht es heute diese kostengünstigeren „Line-Extensions“, um wirtschaftlich zu überleben? Mit anderen Worten: Sind es auf Dauer die breit aufgestellten Gastronomiekonzepte, die das Luxuslevel (mit-)finanzieren?

Also zumindest im Moment ist genau das Gegenteil der Fall: Das Hiša Franko ist ein wirtschaftlich sehr gut aufgestellter Betrieb, der bislang alle anderen Projekte finanziert. Aber wie ich bereits sagte: Es ist noch zu früh, um Bilanz zu ziehen. Und „auf Dauer“ wendet sich das Blatt ja womöglich.

Interview: Georges Desrues


Zur Person:

Ana Roš, geboren 1972 im slowenisch-italienischen Grenzgebiet, zählt zu den berühmtesten Küchenchef:innen der Welt. Ursprünglich wollte sie Diplomatin werden und war in ihrer Jugend Mitglied des jugoslawischen Skiteams. Im Jahr 2002 übernahm die Autodidaktin gemeinsam mit ihrem damaligen Lebensgefährten Valter Kramar das einfache Ausflugsgasthaus Hiša Franko von Kramars Eltern und verwandelte es in eines der besten Restaurants der Welt. In der ersten Ausgabe des Guide Michelin Slowenien 2020 wurde das Hiša Franko mit zwei Sternen ausgezeichnet, im Vorjahr folgte die Höchstnote von
drei Sternen. Im Jahr 2022 heiratete die mehrsprachige Mutter zweier erwachsener Kinder den Unternehmer Urban Stojan.


Netzwerk der Spitzenköchinnen

Female Chefs nennt sich eine im Vorjahr von der Kochbuch-Autorin Karin Stöttinger gegründete Plattform, die Frauen aus dem Bereich Kulinarik vernetzen und ihnen mehr Sichtbarkeit verschaffen soll. Dazu werden Treffen, Podiumsdiskussionen und gemeinsame Reisen organisiert. Interessent:innen, die eine Teilnahme beziehungsweise Zusammenarbeit anstreben, werden aufgefordert, sich bei Karin Stöttinger zu melden.

Fotomaterial(c) SUZAN GABRIJAN

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