StartOpinionAufsichtsrätinnen in der Warteschleife

Aufsichtsrätinnen in der Warteschleife

Während Frauen Spezialausbildungen brauchen, um als ernsthafte Kandidatinnen für Aufsichtsratsposten in Frage zu kommen, scheinen Männer von jeglichem Know-How-Test ausgenommen. Warum eigentlich?

Dass es mehr Diversität in Aufsichtsräten benötigt, darüber sind sich zwischenzeitlich (fast) alle einig. Deshalb hat auch der Markt reagiert und zwischenzeitlich unterschiedliche Lehrgänge für Frauen in der Vorbereitung für Aufsichtsratsfunktionen entwickelt – manche werden auch von öffentlichen Instituten angeboten, wodurch ein Goodwill gezeigt wird, diesen Trend kräftig zu unterstützen.

Ich selbst habe auch solch ein Ausbildungsprogramm durchlaufen dürfen, um mich für eine dieser verantwortungsvollen Funktionen zu qualifizieren, zusätzlich engagiere ich mich seit 10 Jahren im Alumnae Club eines solchen, in dem wir das Netzwerk an starken Frauen fördern, was in den letzten Jahren auch wirklich gut funktioniert. Und damit ich wirklich gut vorbereitet bin, bin ich gerade in einer weiteren Initiative für potenzielle Aufsichtsrätinnen und Beirätinnen, wobei es hier mehr um das Vernetzen und die Sichtbarkeit geht als um fachliches Know-How.

Was wird in Lehrgängen für weibliche Aufsichtsräte gelehrt? Es ist ein guter Überblick, welche Aufgaben in solchen Positionen warten und mit welchen Themen man konfrontiert werden kann. Außerdem gibt es einen guten Austausch mit Expert:innen und langjährigen Aufsichtsrät:innen, um einen Eindruck über die Funktion zu bekommen. Also letztendlich eine kompakte Vorbereitung, die sicherlich nicht alles abdeckt, aber alle wesentlichen Themenbereiche anspricht.

Zwischenzeitlich gibt es auch Datenbanken, in denen man öffentlich nach weiblichen Aufsichtsräten inklusive deren Qualifikation suchen kann. Trotz all dieser Maßnahmen geht die Anzahl von Frauen in Aufsichtsräten jedoch nur zäh voran und scheint es eine wirklich schwierige Aufgabe zu sein, für die gut ausgebildete Frau in eine solche zu kommen oder auch von den hochkarätigen Gremien gefunden und als geeignet befunden zu werden. Obwohl die Gesetzeslage besagt, dass bei Neubestellungen von Aufsichtsräten in börsennotierten Unternehmen sowie in Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten ein Mindestanteil von 30 Prozent für Frauen im Aufsichtsrat vorgesehen sein sollte. Bei Nichteinhaltung dieser Zielvorgabe gilt die „leerer Stuhl“-Regelung, d.h. das Mandat bleibt unbesetzt.

Die Anzahl von Frauen in Aufsichtsgremien von börsennotierten Unternehmen ist zwar in den letzten Jahren von 16,1% (2017) auf 35% (2023) gestiegen, wobei hier oft die Personalvertreter weiblich sind und wir eine gewisse Gruppe an Frauen immer wieder mit mehreren Mandaten finden, eine gewisse politische Zugehörigkeit wird hier auch unterstützend wahrgenommen.

Musste sich jemals ein Mann Gedanken machen, dass er nicht ausreichend für eine Aufsichtsratsfunktion ausgebildet wäre? Selbstbewusst, ohne eigentlich genau zu wissen, worauf er sich einlässt, nimmt er stolz und geehrt, diese prestigeträchtigen Funktionen an und verstärkt und bekräftigt dadurch einmal mehr sein Netzwerk. So sieht zumindest der Regelfall aus.

Die wesentlichen Kriterien für Aufsichtsratsmandate sind letztendlich offensichtlich doch immer noch gut funktionierende Netzwerke und namhafte Funktionen, auf die man verweisen kann. Ausbildung und Qualifikation werden zwar als Kriterien immer wieder angeführt und sind auch wirklich wichtig für diese Kontrollfunktion, in der gelebten Praxis werden sie jedoch nur selten wieder gefunden. Vielleicht sehen auch deshalb Männer keinen Bedarf, sich in diesem Bereich weiterzubilden. Wobei Haftung und Verantwortung in einer Aufsichtsratsfunktion nicht zu unterschätzen sind, wie wir in vergangen namhaften Beispielen sehen konnte, wo es sogar zu Anklagen und Verurteilungen kam.

Angesichts der Tatsache, dass sich in den letzten Jahren der Stellenwert von Aufsichtsräten doch vom ehrenamtlichen Freundschaftsdienst in eine durchaus verantwortungsvolle Kontrollfunktion verändert hat, stellt sich die Frage ob nicht jeder Aufsichtsrat eine Basisausbildung absolvieren sollte, und gewissen Kompetenzen zwingend im Gremium vertreten sein sollten.


Über die Autorin:

Manuela Lindlbauer ist Vorstandsvorsitzende des Alumnae Club von Zukunft.Frauen, einem exklusiven Netzwerk für Absolventinnen des gleichnamigen österreichischen Führungskräfteprogramms der WKO. Zudem ist sie im Vorstand von Frau in der Wirtschaft und Gründerin der Personalmanagement Agentur Lindlpower.

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