Technologischen Wandel stoppen, indem frau einfach den Stecker zieht? Wohl eher nicht. Bevor es im Rahmen des vom engagierten Frauennetzwerk WIMEN organisierten Symposiums »Unsere Zukunft ist kein Zufall« jedoch an solch komplexe Fragestellungen ging, wärmten Anita Zieher und Barbara Willensdorfer die Gesichtsmuskulatur der Besucherinnen erstmal mit einem launigen Improvisationstheater auf. Leicht und locker führten sie ihr begeistertes Publikum durch eine eigentlich hochkomplexe Themenwelt und die Besucherinnen damit auch gleich perfekt in die zentralen Fragestellungen des Tages ein.

Gegen den Strom

Mit dem offiziellen Startschuss begannen die Expertinnen, die sich an runden Tischen zu kleinen Grüppchen versammelt hatten, die Problemstellungen unter der Lupe der Nachhaltigkeit und aus weiblicher Expertinnensicht in Angriff zu nehmen. Die Energie im Raum wurde von Stunde zu Stunde greifbarer und wäre an ihrem allerhöchsten Punkt wohl schon fast zur alternativen Stromgewinnung einsetzbar gewesen. Themenschwerpunkte waren die Chance der Selbstermächtigung von Frauen durch E-Mobility, Jugend im Wandel, aber auch die Entwicklung von Energiegemeinschaften und Stadtbegrünungstechnologien. Schnell wurde klar: Nichts funktioniert ohne Energie. Die Fragen konzentrierten sich deshalb auf mögliche Arten der Energiegewinnung und -verarbeitung – und damit in Verbindung immer auch auf die Interessen der Frauen und auf die vorhandenen Möglichkeiten, gut prognostizierbaren Nachteilen – wie zum Beispiel im Bereich »Usability« – vorzubeugen. Trotz der Fülle an Handlungsbedarf, wurde der Nachhaltigkeitsdiskurs auf keinen Fall vernachlässigt. Multitasking kann frau eben.

Die Klimabewegung ist weiblich

Darüber hinaus wurde natürlich auch besprochen, welche gravierenden Auswirkungen der Mangel an weiblichen Perspektiven im Bereich der technologischen Entwicklung nach sich ziehen wird. Vielen Bürgerinnen scheint noch nicht ganz bewusst zu sein, dass die Abwesenheit von Frauen in den Entwicklungsphasen von Produkten, Regeln und infrastrukturellen Maßnahmen auch bedeutet, dass rund die Hälfte der österreichischen Bevölkerung kein Interesse an den Endprodukten entwickelt. Gut sichtbar wird das zum Beispiel beim Thema E-Mobility: Die Gefahr bei der Einführung von unterschiedlichen Ladestationen, Karten und Apps besteht darin, mehr und mehr Systemverliererinnen zu riskieren und diese Frauen damit der Selbstermächtigung zu berauben. Klartext: Glauben Sie wirklich, dass ein 25-jähriger Mann dieselben Orte für Ladestationen als relevant empfindet, wie beispielsweise eine 40-jährige Frau? Die Klimabewegung ist jedoch weiblich, wie eine Analyse der Teilnehmenden an den Klimaprotesten ergab. Greta sei Dank. Wenn genau dieser Aspekt bei der Entwicklung nachhaltiger Alternativen nicht bedacht wird, lässt eine weitere ungleiche Verteilung nicht lange auf sich warten. Das hat WIMEN erkannt und fördert das Vernetzen und Austauschen weiblicher Expertise mehr und mehr.

Klare Forderungen

Im Rahmen der abschließenden Podiumsdiskussion kamen die Frauen zu folgendem Schluss: Es müssen frühere Kontaktpunkte mit Technik im Bildungsprozess geboten werden. Dies geht allerdings nur, wenn die Schulen in diesem Prozess finanziell sowie pädagogisch unterstützt werden. Zudem müssen am Arbeitsmarkt endlich bindende Quoten eingeführt werden, um die Inklusion der Frauen zu garantieren. Dies sollte ein primäres Interesse des Unternehmertums werden, da sich Güter auch besser verkaufen lassen, wenn die Zielgruppe, durch das Einbeziehen aller Interessen und Bedürfnisse, von der halben auf die ganze Gesellschaft wachsen kann. Neben Zugang und Leistbarkeit müssen aber auch Themen wie Eigentum von Daten, einheitliche Standards in der Gesellschaft für nachhaltige Entwicklungen geschaffen und die Relevanz von Wahlmöglichkeiten berücksichtigt werden. Niemand darf zum Verzicht gezwungen sein. Auf den Punkt brachte das unter anderem Frau Mag.a Dr.in Traude Kogoj, Diversity Beauftragte bei den ÖBB, sehr schön: »Wir müssen uns einmischen, holen werden sie uns nicht!«

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Alle Fotos © Julia Schmid – Verein WIMEN