Kinder zu kriegen, kann Mütter oft teuer zu stehen kommen. Eine neue Studie liefert die Zahl schwarz auf weiß: Ab dem vierten Jahr nach der Geburt des ersten Kindes verdienen Mütter in Deutschland um 30.000 Euro weniger als kinderlose Frauen. 30.000 Euro jährlich – nicht, weil sie weniger leisten, sondern weil das System Mutterschaft als Risiko behandelt.
Gleichzeitig leben wir in einer Phase, in der jedes Baby vergoldet werden müsste, denn die OECD warnt seit Jahren, dass uns die niedrigen Geburtenraten und die rasch alternden Gesellschaften um unseren Wohlstand bringen werden. In einem Viertel der OECD-Länder wird die Bevölkerung im Erwerbsalter bis 2060 massiv schrumpfen, die Alterung führt zu Arbeitskräftemangel und belastet die Staatsfinanzen. Der renommierte Demografieforscher Paul Morland spricht bereits vom „drohenden gesellschaftlichen Kollaps“.
Aber während Politiker*innen über Fachkräftezuwanderung und Produktivität reden, ignorieren sie die banalste aller Fragen: Warum wird es Frauen, die zuvor Jahre in ihre (Aus-) Bildung investiert haben, so unattraktiv gemacht, überhaupt eine Familie zu gründen?
Reden wir Klartext: Das Alleinverdienermodell taugt in Gutverdienerkreisen, doch für eine Mehrheit der Bevölkerung fällt es zunehmend ins Fach nostalgische Sonntagsreden. Die Lebenshaltungskosten explodieren; zwei Einkommen sind daher oft Notwendigkeit. Parallel dazu haben Frauen heute Chancen, die noch vor einer Generation undenkbar waren. Im Schnitt sind sie besser ausgebildet als Männer; sie führen Teams und Unternehmen, gründen ihr eigenes Ding. Zudem wissen sie genau, was ein Kind sie kosten kann: Einkommen, Aufstieg, Pensionspunkte, Unabhängigkeit.
Die Gleichung ist damit eigentlich erschreckend einfach:
Wir brauchen mehr Kinder.
Wir brauchen mehr Menschen im Erwerbsalter.
Und wir bestrafen genau diejenigen, die beides möglich machen könnten: die Mütter. Kein Wunder, dass sie den Kinderwunsch nach hinten verschieben – und manchmal ist es dann auch wirklich zu spät.
Andere Länder haben begriffen, dass Gleichstellung kein moralisches Projekt ist, sondern Wirtschaftspolitik. Frankreich setzte früh auf ganztägige Betreuung. Island koppelt volle Elternzeit und volles Karenzgeld an eine 50:50-Aufteilung. Schweden praktiziert ebenfalls ein ausgewogenes Modell. Wer Gleichberechtigung lebt, bekommt Unterstützung. Wer alte Rollenbilder bedient, bekommt weniger. Österreich versucht sich an einer abgeschwächten Variante, doch der große Umbruch bleibt aus. In Deutschland liegt der Fokus auf dem Recht, die Elternzeit zwischen den Eltern zu teilen, jedoch nicht auf einer diesbezüglichen rechtlichen Verpflichtung.
So drehen wir uns weiter im Kreis: Frauen stemmen den Großteil der Care-Arbeit, Männer „helfen aus“; Unternehmen rechnen still damit, dass Mütter beruflich vom Gas gehen. Das Ergebnis kennen wir: Der Motherhood-Penalty steigt, der Kinderwunsch sinkt. Und die Politik tut überrascht, wenn die Geburtenrate fällt.
Dabei ist das alles gar kein Rätsel. Es ist ein System, das Familiengründung bestraft und Karriere ohne Kinder belohnt – und sich anschließend wundert, warum junge Frauen Prioritäten setzen. Sie sind frei wie nie, wollen arbeiten, verdienen, gestalten. Aber sobald das Thema Nachwuchs im Raum steht, soll plötzlich alles wieder sein wie früher. Die demografische Krise entsteht nicht, weil keine*r mehr Kinder will. Sie entsteht, weil Frauen unter den aktuellen Bedingungen immer öfter zweimal darüber nachdenken.
Quellen:
- Studie: Child Penalty Estimation and Mothers’ Age at First Birth – Leibniz Centre for European Economic Research ZEW
Die ZEW-Studie überprüft das bisher gängige „Event Study“-Modell, das zur Ermittlung von Einkommensverlusten nach der ersten Geburt herangezogen wird. Sie verwendet amtliche deutsche Daten von über 186.000 Müttern aus der „Stichprobe der Integrierten Arbeitsmarktbiografien“, erhoben zwischen 1975 und 2021.
Allgemein gilt, dass die geburtsbedingten Einkommensverluste langfristige Auswirkungen haben. Vergleichsweise traditionelle Geschlechterrollen in Deutschland und ein Kinderbetreuungsangebot, das trotz mehrerer Ausbauschritte oft keine Vollzeitarbeit erlaubt, tragen häufig zu dauerhafter Teilzeitarbeit von Müttern bei, sodass beispielsweise für sie häufig auch die Rentenzahlungen niedriger ausfallen.
- Video Population Collapse is a Massive Problem – Dr. Paul Morland