StartMoneyBrennpunkt Inflation: „Weniger Urlaub ist wirkungsvoll, aber unangenehm“

Brennpunkt Inflation: „Weniger Urlaub ist wirkungsvoll, aber unangenehm“

Kein Tag vergeht, indem wir nicht mit den Folgen der Geldentwertung und den damit zusammenhängenden, teils eklatanten Preiserhöhungen konfrontiert sind. Marietta Babos, Gründerin der Vermögensberatung „Damensache“, erklärt die Zusammenhänge einer komplizierten Weltlage, warum man sein Geld mindestens fünf Jahre anlegen sollte und warum Schuldner die derzeitigen Gewinner sind.

SHEconomy: Die amerikanische Zentralbank FED hat neuerlich die Zinsen erhöht, weil die erste Anhebung sich nicht in erhofftem Ausmaß auf ein Herabsinken der Inflation ausgewirkt hat. Wird es diesmal besser werden?

Marietta Babos: Kurzfristig sinkt die Inflation niemals bei Zinserhöhungen, es dauert immer einige Monate. Diesmal ist die Lage noch komplizierter, weil Zinssteigerungen nichts bewirken, wenn die Inflation durch Angebots-Schocks, wie Energiepreissteigerungen verursacht wird. Höhere Zinsen senken die Nachfrage und können so zu einer Rezession führen. Das kann aber rund ein Jahr dauern. In den USA sieht man aber bereits die Folgen der Zinssteigerungen: Wohnkredite kosten nun über 6 Prozent und die Nachfrage bricht ein.

In Europa wurden zuletzt immer mehr kritische Stimmen laut, dass eine erste Zinserhöhung so spät eingeleitet wurde. Agiert Christine Lagarde zu zaghaft?

Definitiv ja, die EZB möchte auf die Südländer Rücksicht nehmen, die im EZB-Rat die Mehrheit haben. Aber in Europa ist die Situation anders als in den USA. In USA wurde die Inflation auch durch sogenanntes „Helikopter-Geld“ verursacht: Familien erhielten bis zu 20.000 Dollar in der Corona-Zeit. Dieses Geld wurde ausgegeben und ist in USA der Hauptgrund für die Geldentwertung. In Europa ist die Inflations-Ursache fast ausschließlich der Energiepreis-Schock. Dagegen helfen wiederum Zinserhöhungen gar nicht bzw nur über eine Rezession nach rund einem Jahr.

Wie würden Sie einer Laiin, einem Laien die Mechanismen der Inflation erklären?

Stellen Sie sich einen Topf mit Gütern und Dienstleistungen vor und einen Topf mit Geld. Beide Töpfe stehen über die Preise in einem Verhältnis zueinander. Der Topf mit Gütern und Dienstleistungen bleibt kurzfristig eher unverändert. Wenn nun der Topf mit Geld künstlich erhöht wird, müssen die Preise für die einzelnen Güter und Dienstleistungen steigen. Genau das sieht man in den USA durch das Verteilen des künstlich geschaffenen Geldes.

Wer sind die Profiteure, wenn das Geld immer weniger Wert wird?

Die Schuldner! Sowohl in den USA als auch in Europa ist der Zins für Kredite weit unter der Inflationsrate. Schulden werden daher „weniger wert“. Das ist auch beabsichtigt, um die immensen Staatsschulden über die Inflationierung abzutragen.

Welche Anlageformen sind am besten in Zeiten steigender Inflationsraten? Und funktionieren diese dann auch, wenn so wie jetzt die Leitzinsen angehoben werden?

Realwerte (Immobilien, Unternehmen, Gold) sind zu bevorzugen. Während man mit Sparbüchern und Bausparverträge ganz sicher 10 Prozent an Wert in den nächsten 2 bis 3 Jahren verliert, können Aktien steigen, weil viele Firmen die höheren Kosten durch höhere Verkaufspreise weitergeben können. Bei Immobilien gibt es ebenfalls die Möglichkeit zu Mietsteigerungen. Gold ist kurzfristig kein guter Inflationsschutz, aber auf längere Zeiträume schützt Gold sehr wohl vor Geldentwertung. Diese Realwerte sind auch in Zeiten von Leitzins-Steigerungen ein guter Schutz vor Inflation.

 Gibt es einen allgemein gültigen Plan, wie man seinen Haushaltsplan in Zeiten von hoher Inflation am besten restrukturiert?

Nein, das ist ja genau das Problem mit Inflation: Man kann sich bei den regelmäßigen Ausgaben nicht davor schützen. Weniger Urlaub ist hingegen wirkungsvoll, aber unangenehm.

Was raten Sie – angesichts der zunehmend volatile Märkte – nun allen Investor*innen, die auf Wertpapiere gesetzt haben?

Schwankungen sind auf den Anlagemärkten nicht nur ganz normal, sondern sogar positiv zu bewerten: Wer neues Geld anzulegen hat, profitiert von den günstigen Kursen. Und diejenigen, die bisher einen geringen Aktienanteil hatten, können diesen nun erhöhen und sich dadurch höhere Erträge in der Zukunft sichern. Wichtig ist nur, dass man nie Geld auf weniger als fünf Jahre anlegen sollte, um genau diese Schwankungen gut ertragen zu können. Investoren, die auf Wertpapiere gesetzt haben, sollten also nicht verkaufen, sondern eher die Gunst der Stunde nutzen und den Aktienanteil erhöhen. Auch Anleihen werfen wieder höhere Zinsen ab, was auch den bereits investierten Anlegern zusätzlich hilft.

Kurzer Blick in die Glaskugel: Manche Analysten meinen, der große Crash stünde uns noch bevor, andere setzen darauf, dass sich die Wolken bis spätestens 2025 wieder verziehen. Was ist Ihr Standpunkt?

Crashpropheten gibt es immer, sie haben auch immer unrecht bzw. nur durch Glück zufällig recht. Der große Crash ist schon da, wir hatten das schlechteste erste Quartal seit Jahrzehnten und das nicht nur an den Aktienmärkten, sondern auch auf den als schwankungsärmer bekannten Märkten für Anleihen. Sobald klar ist, dass eine Rezession bevorsteht, werden die Zentralbanken die Zinserhöhungen stoppen. Genau das wird der Wendepunkt für die Anlagemärkte sein. Spätestens 2023 wird es zu einer solchen Rezession kommen und die Kurse können wieder steigen.

In ihrem kürzlich erschienenen Buch „Geld ist Damensache“ gibt Marietta Babos wertvolle Tipps „zur finanziellen Unabhängigkeit von Frauen“, 26,50 Euro. Zu bestellen über www.damensache.at

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