Ladies, wir kennen sie alle: Frauen, die PERFEKTE Sieben-Gänge-Menüs kochen, PERFEKTE Ehen führen und PERFEKTE Kinder erziehen – und das alles mit PERFEKTEN Nägeln. Frauen, die PERFEKTE Lebensläufe haben und PERFEKTE Präsentationen abliefern. Ich selbst blicke durch meine fettige Lesebrille auf dieses tintenbekleckste Manuskript und frage mich zerknirscht: Warum müsst ihr so perfekt sein?
Aber wer definiert eigentlich dieses „perfekt“? Dieses ausgeklügelte, fein kalibrierte und mächtige Kontrollsystem, das sich durch sämtliche Verästelungen unserer Lebensbereiche zieht – und mit dem wir uns regelmäßig selbst sabotieren? Denn Perfektionismus ist ein Korsett, in das, mal wieder, nur wir Frauen uns zwängen sollen: an jede Frauenrolle – Mutter, Partnerin, Erwerbstätige … – ist der Auftrag gekoppelt, perfekt zu performen und dabei perfekt auszusehen. Diese Art von Lebensaufgabe ist aber darauf angelegt, niemals erfüllt werden zu können. Und das macht die Kontrollmechanismen besonders perfide: Denn wehe wir erfüllen die Perfektions-Standards nicht – dann kommen die schiefen bis mitleidig-gehässigen Blicken vor allem von anderen Frauen. Ja, untereinander sind wir manchmal die härtesten Blockwärterinnen des Patriarchats. (Schonmal beim Schulfestbuffet ’ne Trommel Paprikachips neben die selbstgebackenen/veganen/glutenfreien/instagrammable Kuchen platziert?)
Warum, zur Teufelin, das alles? Dahinter steckt, eben, die patriarchale Ordnung unserer Gesellschaft, die stets darauf bedacht ist, Frauen ihren Platz zuzuweisen. Und das geht so: Erstens hält uns der Perfektionismus klein. Angesichts dieser fantastischen Messlatte ziehen wir uns beschämt zurück und zerfleischen uns mit Selbstkritik. Am besten funktioniert
… ist seit 25 Jahren als strategische Beraterin und Führungskraft im internationalen Design-Business tätig. Sie ist Hochschuldozentin für Brand Building, Speakerin und Autorin („Wir Internetkinder“, Verlag Hermann Schmidt). Derzeit gründet sie THE SKILL – Denkschule und Beratung für Kreativität und KI der Perfektionismus als Selbstsabotage: Wenn ich/mein Aussehen/meine Arbeit nicht perfekt sind, bin ich also nicht gut genug für nichts, fange ich besser erst gar nicht an, sage ich lieber nichts, bewerbe ich mich eher nicht, bitte ich doch nicht um eine Gehaltserhöhung. Zweitens: Der Perfektionismus hält uns busy. Wer die ganze Zeit damit beschäftigt ist, perfekt zu sein, hat keine Zeit für die wirklich wichtigen Dinge. Die da unter anderem wären: Einfluss zu haben, strategisch zu denken und kritische Fragen zu stellen.
Um innovativ, mächtig und erfolgreich zu werden und zu bleiben, müssen wir von ganz anderen Paradigmen ausgehen: Innovation entsteht nicht durch Perfektion, sondern durch Mut zur Imperfektion! Die besten Ideen entstehen im „Trial & Error”, im Prototyping, im „Fail fast, learn faster“. Marie Curie rührte jahrelang in einem zugigen Schuppen mit primitiven Mitteln radioaktive Substanzen zusammen – alles andere als perfekte Umstände, aber sie führten zu zwei Nobelpreisen. Coco Chanel entwarf ihre revolutionären Kleider nicht am Reißbrett, sondern probierte sich und sie direkt an lebenden Mannequins aus, verwarf, begann neu. Beide haben nicht gewartet, bis alles perfekt war – sie haben einfach GEMACHT.
Die rebellische Formel gegen den Perfektionismus, der „Gut genug“-Standard sieht demnach so aus: 80 Prozent einer Perfektionistin sind oft besser als 100 Prozent der meisten anderen! Eure (vermeintlich) unperfekte Ideen sind brillanter als das, was andere für genial halten. Aber das werdet ihr nie erfahren, wenn ihr nicht den Mut fasst, sie zu teilen. Haut das Konzept, an dem ihr seit Monaten feilt einfach raus! Die Welt wartet nämlich nicht auf eure Perfektion, sondern auf eure Ideen. JETZT ist besser als perfekt.
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