Von verschiedenen Seiten war nun schon zu hören, dass die Corona-Krise einen Rückschritt in Sachen Gleichberechtigung und Gender Equality auslösen oder bedeuten könnte. Sehen Sie das auch so? Was bedeutet das für Frauen in Führungspositionen?

Persönlich hoffe ich, dass es genau umgekehrt ist. Ein Großteil der Systemrelevanten Positionen, die in dieser Krise besonders gefordert waren, im Einzelhandel, im Gesundheitssystem und in vielen weiteren Branchen, sind von Frauen besetzt, die die traditionellen Rollen bezüglich Haushalt, Kinderbetreuung, Home Schooling etc. stärker ihren männlichen Partnern überlassen mussten. Eigentlich sollte diese Ausnahmesituation daher eher einen Schub in Richtung Gender Equality auslösen. Ob das nachhaltig so ist, wird sich allerdings erst zeigen.

Ob man als Frau oder als Mann in einer Führungsposition ist, macht in so einer Situation prinzipiell keinen Unterschied. Hier kommt es eher auf die Rollenverteilung im privaten Umfeld an. Solch eine Situation bedeutet für beide Seiten eine Herausforderung. Beide müssen beispielsweise im Home Office arbeiten, die Versorgung der Kinder organisieren und den partnerschaftlicher Alltag durch enges Zusammensein meistern.

Wie sind Sie mit Ihrer Führungsrolle während dieser Zeit umgegangen?

Mit der Ausbreitung des Virus in Europa war für uns schnell klar, dass wir eine rasche Umsetzung der Maßnahmen in der gesamten Wienerberger Gruppe sicherstellen müssen. Dafür war eine enge Abstimmung zwischen allen Business Units notwendig, ebenso wie eine schnelle Entscheidungsfindung und eine einheitliche und fortlaufende Kommunikation. Aus dieser Überlegung heraus haben wir das Business Resilience Team ins Leben gerufen, eine kleine Taskforce, in der wir die krisenrelevanten Themen in HR, IT, Kommunikation, Einkauf/Beschaffung und Produktion länderübergreifend koordiniert und abgestimmt haben.

Durch meine breite Erfahrung war es mir möglich diverse Problemlösungskompetenzen zu entwickeln. Je schwieriger eine Situation, desto ruhiger und fokussierter werde ich in der Regel. Kurze Kommunikationswege und gute Abstimmung mit dem Team waren in dieser herausfordernden Situation enorm wichtig.

Gab es für Sie ein Key Learning aus den vergangenen Wochen? Auf persönlicher, aber auch auf beruflicher Ebene …

Als der Ausbruch in China startete hatten wir gerade die Resultate 2019 veröffentlicht, das Jahr brachte die besten Ergebnisse in der 200-jährigen Geschichte von Wienerberger. Wir begannen bereits damals die Situation zu beobachten und unsere Kernaktivitäten und -funktionen in Alarmbereitschaft zu versetzen. Corporate Procurement beispielsweise hat eine »Corona Task Force« gebildet und begonnen die Situation zu analysieren, mögliche Abhängigkeiten von Lieferanten in China zu beleuchten sowie Alternativen zu suchen und einzurichten. Durch diesen sehr frühzeitigen, proaktiven Ansatz, konnten wir bis heute kritische Beschaffungsengpässe vermeiden. Der für uns kritischste Moment war in der zweiten Februar-Hälfte, als die italienischen Behörden Covid-19 Fälle in der Lombardei gemeldet hatten. Wienerberger Italien hat sofort begonnen sehr effektive Schutzmaßnahmen in den Produktionsstätten umzusetzen. Darüber hinaus wurden alle Büroangestellten ins Home Office geschickt. Bis heute haben wir aufgrund dieser schnellen Reaktion keinen einzigen Infektionsfall bei unseren italienischen Kollegen.

Die Digitalisierung spielt in so einer Zeit eine ganz besondere Rolle. Sie ermöglicht es trotz Social Distancing Kontakte aber auch Business Prozesse weiterhin effektiv und zum Teil sogar effizienter aufrecht zu halten. Und auf persönlicher Ebene habe ich erneut erkannt, dass mir soziale Kontakte extrem wichtig sin. Diese können zwar nun langsam wieder aufgenommen werden, dennoch haben sie mir sehr gefehlt.

»Karriere machen« war nie ein Ziel an sich für mich, sondern ist eigentlich ein Resultat von guten Ergebnissen.

Denken Sie, dass Mut und Zutrauen in sich selbst wichtiger sind als ein fixer Karriereplan?

Das Wichtigste ist, sich selbst treu zu bleiben. Wer versucht sich längerfristig zu verstellen wird darauf viel zu viel Energie verwenden, um in der Sache erfolgreich zu sein. Es ist wichtig, dass man herausfindet, was einem wirklich Spaß macht. Wer Vergnügen an dem empfindet was er tut, kann auch über sich selbst hinauswachsen und Höchstleistungen erbringen

Hatten Sie immer konkrete Vorstellungen davon, wie Ihr beruflicher Weg verlaufen soll?

»Karriere machen« war nie ein Ziel an sich für mich, sondern ist eigentlich ein Resultat von guten Ergebnissen, erfolgreich gemeisterten Herausforderungen und der Freude daran Neues zu lernen. Wer stillsteht und es sich in seiner Komfortzone zu gemütlich macht, kann sich nicht weiterentwickeln.

Würden Sie sagen, dass Frauen einen anderen Führungsstil pflegen als Männer? Oder ist das eher eine Frage der Einstellung und vielleicht auch eine Frage der Generation?

Topmanagement ist Hochleistungssport. Man muss fachlich, emotional und körperlich 100% fit sein. Das gilt aber genauso für meine männlichen Kollegen. Was den Führungsstil betrifft, gibt es natürlich individuelle Unterschiede. Ich würde es aber nicht generalisieren bzw. auf das Geschlecht einschränken. Viel wichtiger ist es meiner Meinung nach situativ zu führen. Unterschiedliche Situation brauchen einen unterschiedlichen Zugang. Hier ist es sehr wichtig immer wieder zu reflektieren und aus der Erfahrung zu lernen. Sich dabei in unterschiedlichen Ländern und Kulturen zu bewegen, trägt enorm zur Entwicklung als gute Führungskraft bei.

Mir liegt stets sehr viel daran, die Stärken meiner MitarbeiterInnen zu erkennen, zu fördern und sie entsprechend ihrer Stärken einzusetzen.

Wie würden Sie Ihren eigenen Führungsstil beschreiben?

Mir liegt stets sehr viel daran, die Stärken meiner MitarbeiterInnen zu erkennen, zu fördern und sie entsprechend ihrer Stärken einzusetzen. Es ist mir wichtig zuhören zu können, aber auch rasch Entscheidungen zu treffen und diese klar zu kommunizieren. Wenn man verständlich machen kann, warum etwas notwendig ist oder in einer gewissen Weise umgesetzt werden soll, kann man auch den vollen Einsatz der Mitarbeiter erwarten.

New Work und ähnliche Bewegungen und Tendenzen führen momentan dazu, dass Arbeit wie wir sie lange Zeit verstanden haben, immer mehr hinterfragt wird. Wie wirkt sich das auf das Thema Leadership aus?

In Anbetracht der derzeitigen Entwicklungen Richtung Home Office, gilt es auf Distanz zu führen. Das ist natürlich eine Herausforderung und braucht einen sehr proaktiven Zugang der Führungskräfte und die effektive Nutzung digitaler Tools. Da bestehende informelle Kanäle in der gewohnten Form nicht mehr zur Verfügung stehen müssen neue Spielregeln der Zusammenarbeit etabliert werden. Um das Vakuum aus informeller persönlicher Kommunikation zu füllen und keine wertvollen Informationen zu verlieren, erfordert es eine viel engere Abstimmung und die breite Nutzung verschiedener digitaler Kanäle von Chat bis Videokonferenz. Home Office kann dann definitiv auch zu einer Effizienzsteigerung für gewisse Tätigkeiten führen, insbesondere dann, wenn das Umfeld, die Systeme und der Führungsstil passen.

Header © Uwe Strasser / Wienerberger