StartInnovationSchmückt wie gedruckt – wie Marie Boltenstern Code in Gold verwandelt

Schmückt wie gedruckt – wie Marie Boltenstern Code in Gold verwandelt

Zwischen 3D-Technologien und Wiener Tradition entsteht bei Boltenstern eine neue Generation des Schmuckdesigns.

Wenn Marie Boltenstern über ihre Arbeit spricht, fällt häufig ein Wort, das im traditionellen Schmuckhandwerk eher ungewöhnlich ist: Algorithmus. Denn die Designerin denkt ihre Kollektionen nicht in Skizzen – sondern in Formeln. Die Inspiration zu den geometrischen Formationen komme aus der Natur. „Mich fasziniert, wie aus mathematischen Regeln etwas Weiches, Organisches entstehen kann“, erklärt sie. Die Algorithmen, die sie entwickelt, dienen als Bauplan für ihre Entwürfe. Und die entstehen nicht auf dem Werktisch, sondern im 3D-Drucker.

Eine schrecklich kreative Familie

Seit zehn Jahren führt Marie Boltenstern das Unternehmen, das ihr Vater Sven in den 60er Jahren in Wien gegründet hatte. Der war als Vorreiter seiner Zeit bekannt, entwarf große, auffällige Couture-Stücke, Körperschmuck und erfand neue Vertriebskanäle, die heute als „Pop-Ups” durchgehen würden. Der Innovationsgeist liegt der Tochter also im Blut.

Dennoch stand keineswegs fest, dass sie die Schmuckmarke einmal übernehmen würde. Erstmal studierte Marie Boltenstern Architektur, unter anderem in Wien, London und Berlin. Während Ihrer Uni-Zeit stieß sie auf das Thema 3D-Druck und erkannte darin das Potenzial, Schmuck völlig neu zu denken. Den Mut zur Nachfolge schöpfte sie dann aus ihrer Zeit in Deutschland, wo sie miterlebte, wie junge Kreative ihre eigene Wege gingen. Ihr Ziel stand somit fest: ein Schmucklabel aufzubauen, das Technologie und Gestaltung in einer Weise verbindet, wie es zuvor noch niemand getan hatte.

Erst belächelt, dann bestaunt

Doch der Start war nicht einfach: „Es gab eine Werkstatt, ein paar alte Stücke – und eine Struktur, die ich erhalten oder umbauen musste“, erzählt sie. Hinzu kam die Skepsis der Branche: „Juweliere haben mich anfangs nicht ernst genommen.“ Zu futuristisch wirkte ihr Ansatz – und das Material Polyamid, das sie für ihre Kollektion Fabnora einsetzt, galt damals als zu experimentell. Mittlerweile eilt ihr genau dafür der Ruf als Pionierin voraus: „Jetzt heißt es, wir hätten Polyamid salonfähig gemacht“, so die Architektin.

Heute ist Boltenstern eine der ersten Marken weltweit, die 3D-Druck konsequent im High-End-Schmuck einsetzt. Das Besondere: Die Stücke entstehen in einem Guss – inklusive flexibler Elemente und eingefasster Edelsteine. „Diese Präzision und Beweglichkeit wäre mit Handarbeit allein gar nicht möglich“, erläutert die Geschäftsführerin und zeigt einen zarten Armschmuck aus der „Embrace”-Kollektion. Die Steine werden dabei mitgedruckt, die Metallstruktur baut sich Schicht für Schicht darum auf. Und doch bleibt jedes Stück ein Unikat – perfektioniert durch das händische Finishing im Atelier in Wien Hietzing.

Das „Montreal Leaves“- Armband aus der „Embrace“- Kollektion“ ist aus 18kt Gelbgold und mit 140 farbigen Edelsteinen gefertigt (ca. 18.500 €)

Das Verständnis für diese komplexen Systeme ist natürlich ihrem Architekturstudium geschuldet, da hatte sie sich auf digitale Technologien spezialisiert. Aber eben auch schnell gemerkt, dass sie nie klassische Architektur machen werde. Dieses Denken überträgt sie heute auf ihren Schmuck: Trotz klarer Struktur steht das Tragegefühl im Mittelpunkt, ihre Designs sollen sich leicht anfühlen, intuitiv bewegen und durch bunte Farben lebendig wirken. Schmuck wird so zur „Architektur im Kleinformat”, wie sie sagt.

Design mit Haltung

Für die Entwürfe arbeitet das Unternehmen ausschließlich mit recyceltem Gold und langlebigen, ausgewählten Kunststoffen – Nachhaltigkeit zählt zu den Grundprinzipien. Die Produktion erfolgt „on demand“, um Ressourcen zu schonen. Es gehe nicht darum, einfach zu drucken, weil es modern klingt, betont Marie Boltenstern. Es gehe darum, nur das zu machen, was der Drucker besser könne als jeder andere Prozess – und das dann perfekt umzusetzen.

Vom Verkauf der „Essence“- Ohrringe aus der Fabnora-Linie werden 30 Prozent an die UN-Initiative „Orange The World“ gespendet (Polyamid-Anhänger ca. 55 €, Creolen aus vergoldetem Silber ca. 85 €)

Auch gesellschaftliches Engagement ist ihr ein zentrales Anliegen, so unterstützt die Unternehmerin eine UN-Kampagne gegen Gewalt an Frauen. „Ich habe schon vor einigen Jahren begonnen, im kleinen Rahmen Mentoring für junge Frauen zu machen“, erzählt sie. Jetzt, wo das Unternehmen auf stabilen Beinen stehe, sei es ihr wichtig, auch finanziell etwas beizutragen.

Was sie antreibt? „Der Gedanke, etwas ganz Neues zu schaffen, das bleibt. Und dann auch etwas zurückzugeben.“ Inzwischen arbeitet ihr Mann Raoul im Unternehmen mit, deren zwei gemeinsame, kleinen Töchter wachsen inmitten der neuen Boltenstern-Generation auf. „Früher dachte ich, als Mutter werde ich die Firma zurückfahren müssen. Nun wachsen wir schneller denn je“, so die 35-Jährige stolz.

Darüber hinaus steht die Marke Boltenstern für das, was sie selbst „Technology meets Tradition“ nennt – mit einem klaren Blick in die Zukunft. In den nächsten Jahren soll die Produktion komplett nach Österreich verlegt werden, man wolle mehr Wertschöpfung ins Land bringen. Für Marie Boltenstern ist dieser Weg nicht nur unternehmerisch sinnvoll, sondern auch persönlich erfüllend: „Erfolg ist für mich, wenn ich zurückblicke und sagen kann: das hat sich ausgezahlt. Auch wenn’s anstrengend war. Ich weiß, warum ich das mache.“


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