Vor allem leistungsstarke Frauen neigen oft dazu, ihre Erfolge nicht ihren eigenen Fähigkeiten und Kompetenzen zuzuordnen. Anstatt sich auf die Schulter zu klopfen, schreiben sie positive Ergebnisse externen Faktoren – wie Glück, Zufall oder Hilfe von anderen – zu und führen Rückschläge auf ihre berufliche Unzulänglichkeit zurück. Die beiden Psychologinnen Dr. Pauline R. Clance und Suzanne A. Imes bezeichneten dieses Phänomen im Jahr 1978 erstmals als „Impostor Syndrome“. Sie beschrieben in einem Artikel ihre Beobachtung, dass viele erfolgreiche Frauen glauben, dass ihre beruflichen Leistungen überschätzt werden. Mit anderen Worten: Sie fühlen sich als Hochstaplerinnen – auf englisch: Impostors.
Für die Entstehung dieses Syndroms können familiäre Faktoren verantwortlich sein – etwa hohe Erwartungen der Eltern oder ein falscher Umgang mit Anerkennung. Aber auch Perfektionismus, Introvertiertheit oder ein geringes Selbstwertgefühl sind bekannte Ursachen. In jedem Fall sind die Folgen nicht zu unterschätzen: Das Gefühl, eine Hochstaplerin zu sein, kann nicht nur den Berufsalltag und das Miteinander am Arbeitsplatz erschweren, sondern auch Auswirkungen auf die Gesundheit haben. Studien haben gezeigt, dass das Hochstapler-Syndrom das Risiko für einen Burnout erhöht. Außerdem gilt es als möglicher Auslöser für Angststörungen und Depressionen.
Zum Glück gibt es einige Dinge, die man machen kann, um dem Impostor-Gefühl entgegenzuwirken. Sollten sie nicht ausreichend helfen, empfiehlt sich eine Psychotherapie, bei der man das Problem an der Wurzel packen und langfristig in den Griff bekommen kann.
Darüber sprechen
Selbst die ehemalige US-amerikanische First Lady Michelle Obama hat offen über ihr Impostor-Syndrom gesprochen – und damit gezeigt, dass selbst Menschen, die von anderen als Vorbild wahrgenommen werden, von Selbstzweifeln geplagt sind. Man muss aber gar nicht an die breite Öffentlichkeit gehen. Häufig hilft es schon, das Gespräch mit Personen zu suchen, deren Leistungen man selbst wertschätzt, oder die als Mentoren fungieren. Sie können dabei helfen, die eigenen Leistungen realistisch einzuordnen. Aber auch der Austausch mit Menschen im Freundeskreis kann befreiend sein. Zu erfahren, dass auch andere nicht hundertprozentig von sich selbst überzeugt sind, reduziert den Stress, mit seinen Ängsten allein zu sein.
Komplimente annehmen
Gerade Frauen mit Impostor-Syndrom tun sich damit oft schwer. Deshalb ist es besonders wichtig, bewusst auf Tiefstapeleien zu verzichten. Die Antwort auf ein anerkennendes „Das hast du toll gemacht!“ sollte nicht lauten: „Naja, es hätte noch besser laufen können“. Sondern „Danke, das positive Feedback freut mich!“ Mit ein wenig Übung kann man diese Reaktion verinnerlichen.
Ein Erfolgstagebuch führen
Aufschreiben statt unter den Teppich kehren: Indem man kleine und große Erfolge, Komplimente von Kollegen und Vorgesetzten sowie jedes gute Feedback von Kunden in einem kleinen Büchlein notiert, lernt man seine Fähigkeiten besser kennen und unterstützt das eigene Selbstwertgefühl. Überkommt einen der Selbstzweifel, nimmt man das Tagebuch zur Hand und liest sich durch, was man in den letzten Wochen und Monaten alles geleistet hat. Praktischer Nebeneffekt: Solche Aufzeichnungen können auch für Feedbackgespräche oder Gehaltsverhandlungen nützlich sein.
Perfektionismus ablegen
Fehler sind dazu da, damit man aus ihnen lernt. Deshalb sollte man auch kein Angst vor ihnen haben – sondern Imperfektion als etwas ganz Natürliches ansehen. Dazu ist es zunächst wichtig, das eigene Schwarz-Weiß-Denken zu überwinden – indem man sich klarmacht, dass Dinge, die nicht hundertprozentig super sind, nicht automatisch schlecht sind. In Wirklichkeit sind sie immer noch sehr, sehr gut. Das gilt auch für eigene Leistungen!