Nach Jahren multipler Krisen, technologischer Beschleunigung und veränderter Konsumgewohnheiten kristallisiert sich ein gemeinsames Verständnis heraus, zeigt eine aktuelle Umfrage unter führenden Entscheiderinnen im Handel: Kund:innen erwarten Nähe statt Rabattgetöse. Oder wie es Dr. Anna Weber, Co-CEO von BabyOne, formuliert: „Omnichannel ist kein Buzzword, sondern eine Haltung.“ Kund:innen denken längst nicht mehr in Online oder Offline, sondern erwarteten „nahtlose Erlebnisse zwischen Onlineshop, Social Commerce und stationärem Handel“, so die Expertin für Babyausstattung.
Diese Haltung prägt auch bei anderen Händlerinnen den Blick nach vorn. 2026 wird zum Jahr, in dem Technologie nicht mehr Selbstzweck ist, sondern Mittel zur Vertiefung von Beziehungen. Weber spricht von „Wachstum durch Nähe“ und davon, dass Werte wie Vertrauen, Service und Community „eine Renaissance erleben – getragen von einem technologisch weit höheren Niveau als noch vor wenigen Jahren“. Gerade in herausfordernden Märkten zeige sich, wie entscheidend Differenzierung über Qualität, Beratung und Markenidentität ist.
Auch Astrid Reintjes, Co-CEO von MissPompadour, beobachtet eine klare Verschiebung: „Kundinnen suchen Zugehörigkeit, Authentizität und Austausch.“ Für 2026 rechnet sie mit einer weiter wachsenden Bedeutung von Community und persönlicher Beratung – digital wie stationär. „Marken, die echte Gemeinschaften schaffen, gewinnen an Bindungskraft und Relevanz“, sagt sie. Klassische Rabattlogiken verlören an Wirkung, während „persönliche Erlebnisse, lokale Events und Workshops“ wieder stärker in den Fokus rücken. Nähe werde zum Wettbewerbsvorteil.
Dass diese Nähe nicht im Widerspruch zu Technologie steht, sondern durch sie unterstützt werden kann, zeigt sich bei mehreren Händlerinnen. Hyperpersonalisierung ist eines der meistgenannten Stichworte. Daten sollen 2026 nicht mehr nur gesammelt, sondern sinnvoll eingesetzt werden. BabyOne setzt auf „stärker personalisierte Beratung und datengetriebene Services“, Bears with Benefits, Anbieter von hochwertigen Vitamin-Gummies, auf „Hyper-Lokalisierung“ und individuellere Kundenerlebnisse. Geschäftsführerin Anina Kistner betont: „Wir wollen unsere Marke noch stärker als Love Brand im Bereich Health & Wellness verankern – getragen von Community, langfristigem Markenaufbau und effizienten, datengetriebenen Prozessen.“
Künstliche Intelligenz spielt dabei eine zentrale Rolle – allerdings mit klaren Grenzen. Monika Adler, CEO von benuta, Online-Anbieter von Teppichen und Accessoires, beschreibt KI als „Hilfsmittel“, nicht als Ersatz für das Einkaufserlebnis. Das Unternehmen nutzt KI bereits intensiv in der Content- und Bildproduktion: „Produktbilder werden real fotografiert und anschließend mithilfe von KI in Raumszenen integriert.“ Auch Videos würden bereits KI-gestützt generiert. Gleichzeitig stellt Adler klar: „Die visuelle und emotionale Komponente des Einkaufs – beispielsweise bei der Produktsuche – kann KI nicht ersetzen. Verkaufserlebnisse bleiben ein wichtiger Bestandteil unserer Kundenansprache.“
Diese Rückbesinnung auf das Analoge und Persönliche zieht sich durch viele Ausblicke. Auch benuta plant, die physische Präsenz gezielt auszubauen, weil man überzeugt sei, „dass Online und stationärer Handel voneinander profitieren“. Pop-up-Stores und regionale Expansion mit kuratierten Sortimenten sind Teil dieser Strategie. Auch bei MissPompadour, Online-Fachhandel für Farben und Gestaltung mit Fokus auf Heimwerkerinnen und avonté, der Shop für edle Loungewear aus Deadstock-Material, gewinnen Events, Workshops und Begegnungsformate an Bedeutung – nicht als Marketing-Gimmick, sondern als Beziehungsarbeit.
Auch für Marlene Marx, Gründerin und Co-CEO von avonté, ist 2026 vor allem eine Frage der Authentizität. „Der neue Luxus im Handel ist Menschlichkeit und bewusstes Innehalten“, sagt sie. Kund:innen suchten „echte Erlebnisse, glaubwürdige Marken und Produkte mit Substanz“. Nähe entstehe nicht durch Reichweite, sondern „durch Dialog“. Für die Zukunft sei entscheidend, „diese Nähe nicht zu verlieren – je größer Unternehmen wachsen“. Marken würden zunehmend daran gemessen, „wie glaubwürdig und konsistent sie handeln“.
Ein zentraler Trend ist deshalb die stärkere Einbindung der Kund:innen. Avonté will 2026 „Kundinnen aktiv in die Produktentwicklung einbeziehen“. Zuhören, gemeinsames Gestalten und frühes Verständnis von Bedürfnissen würden immer wichtiger. Gleichzeitig setzt das Label auf Kollaborationen, Pop-ups und „bewusst out-of-the-box entwickelte Formate“ – etwa Lesungen oder Events rund um das Thema Schlaf. Nachhaltiges Wachstum entstehe nicht allein durch Skalierung, sondern „durch Relevanz, Beziehung und Vertrauen“.
Auch bei Bears with Benefits ist diese langfristige Perspektive laut Geschäftsführerin Anina Kistner zentral. Nach starkem Wachstum in internationalen Märkten liege der Fokus 2026 auf „gesundem, nachhaltigem Wachstum über alle Märkte hinweg“. KI soll helfen, „Personalisierung zu verbessern, Kundenerlebnisse zu vertiefen und schnellere, smartere Entscheidungen zu ermöglichen – von Marketing über Produktentwicklung bis Operations“. Entscheidend sei dabei immer die Balance zwischen Effizienz und Markenwert.
Über alle Statements hinweg zeigt sich ein gemeinsames Bild: 2026 wird kein Jahr der radikalen Umbrüche, sondern der bewussten Entscheidungen. Technologie wird weiter integriert, aber reflektierter. Community wird nicht mehr als Kampagne verstanden, sondern als langfristige Beziehung. Und Omnichannel ist endgültig Alltag – als technische Infrastruktur, aber auch als Instrument, um die Menschen wieder mehr ins Zentrum zu rücken.