Eines steht fest: Die Versicherungsbranche bildet keine Ausnahme, wenn es um die Verwendung der neuen Technologie geht. Von der Risikobewertung über die Betrugsbekämpfung bis hin zur Kundenbetreuung und Personalisierung – KI-Lösungen werden schon bald in allen Ressorts zum Einsatz kommen.
Vorteile bei der Risikobewertung
Einer der Hauptvorteile von KI in der Versicherungsbranche besteht darin, dass sie helfen kann, Risiken besser einzuschätzen. In der Regel basierten Risikobewertungen und Underwriting auf historischen Daten und menschlichem Fachwissen, was zeitaufwändig und fehleranfällig sein kann. Mit KI-Tools wie neuronalen Netzwerken können Versicherungen große Mengen an Daten analysieren, einschließlich Material aus sozialen Medien, Telematik zur Datenerfassung von Fahrerverhalten, Wetterdaten und sogar Satellitenbilder.
So kann ein Deep-Learning-Algorithmus etwa die Wahrscheinlichkeit vorhersagen, dass ein Kunde einen Anspruch geltend macht – basierend auf seinen demografischen und Verhaltensdaten. Auf diese Weise können Versicherungen fundiertere Entscheidungen treffen und Verluste minimieren. Ein Beispiel für ein österreichisches Start-up, das KI bereits in der Risikobewertung einsetzt, ist riskine.
Neben der besseren Einschätzung von Risiken können Sprachverarbeitungsmodelle den Versicherungsunternehmen dabei helfen, unstrukturierte Texte schnell zu verarbeiten. Durch das Training dieser Modelle lassen sich große Mengen an Texten analysieren und in verständliche Sprache umwandeln.
Diese leichter lesbaren Versionen können in Chatbots, E-Mails oder Berichten weiter benutzt werden. Viele von uns nutzen jetzt schon Tools wie ChatGPT im Alltag oder für professionelle Zwecke. Dadurch könnten Versicherungsunternehmen den Prozess der Suche nach dem richtigen Produkt für die Kunden automatisieren, indem sie die KI Kundendaten sammeln oder beim Ausfüllen der Schadensformulare helfen lassen. Das USA Start-up Lemonade oder deutsche Insurtech-Unternehmen wie Wefox und omni:us haben bereits mithilfe von Machine Learning den Underwriting- und Schadensprozess automatisiert.
KI zur Betrugsbekämpfung
Ein weiterer Bereich, in dem KI eine entscheidende Rolle in der Versicherungsbranche spielt, ist die Betrugsprävention. Laut der Europäischen Föderation der Versicherungsgesellschaften betragen die Betrugskosten in Europa etwa 10% aller Schadensfälle, weltweit sind es jährlich Hunderte Milliarden Dollar. KI-gestützte Betrugserkennungstools erleichtern es den Versicherern, Betrug zu identifizieren und zu verhindern. Zum Beispiel können die Algorithmen Transaktionen identifizieren, bei denen die Auszahlung höher ist als üblich oder auch Ansprüche, die kurz nach Abschluss einer Polizze eingereicht werden. Durch die Reduzierung von Betrugsfällen können Versicherer auch niedrigere Prämien anbieten, was zu einer höheren Kundenzufriedenheit und Kundenbindung führt. Obwohl KI das Potenzial hat, die Versicherungsbranche zu revolutionieren, sollte man eventuelle Herausforderungen berücksichtigen.
Eine der größten Nachteile ist die Datenqualität. KI-Algorithmen werden unter anderem als „Black Box“ bezeichnet, da sie nur so gut sind, wie die Daten, auf die sie trainiert werden. Bei unvollständigen oder ungenauen Daten sind auch die Ergebnisse des Algorithmus fehlerhaft. Darüber hinaus gibt es Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes und der Cybersicherheit, da sensible Kundendaten analysiert und verarbeitet werden müssen. Und es besteht das Risiko, dass unfaire oder diskriminierende KI-Algorithmen Entscheidungen treffen.
Berücksichtigung ethischer Grundsätze
Im Jahr 2021 veröffentlichte die Consultative Expert Group on Digital Ethics in Insurance der EIOPA sechs Grundsätze für den ethischen und vertrauenswerten Einsatz von KI in der Versicherungsbranche. Zu diesen Grundsätzen gehören Fairness & Nichtdiskriminierung, Transparenz & Erklärbarkeit, Datenverwaltung & Aufzeichnung sowie Robustheit & Leistung.
Um die technischen Hürden von KI zu überwinden, sollte jede Finanzinstitution zunächst Validierungstechniken nutzen. Softwareentwickler sind gefordert, zusammen mit Aktuaren verantwortungsbewusste Modelle zu entwickeln und zu testen, um methodologische und technische Fehler zu vermeiden. Es sollte sicherstellt sein, dass diese Modelle keine Schäden in vulnerablen Gruppen verursachen und die soziale Inklusion respektieren.
Im Rahmen einer nachhaltigen Risikoverwaltung haben Versicherer die Möglichkeit, mithilfe großer Datenmengen Versicherungslücken zu identifizieren und angemessenen Risikoschutz zu bieten. Mit fortschreitendem Einsatz der KI wird es interessant sein zu sehen, wie sich die Versicherungsbranche weiterentwickelt. Es ist bereits jetzt offensichtlich, dass der Markt mehr Interpretationsmethoden benötigen wird, damit Nutzer die KI-Techniken verstehen und vertrauen.
Tetyana Kohansal ist seit 2017 Aktuarin bei ks actuaries und auf Software Entwicklung für quantitative Lösungen im Bereich Banken und Versicherung spezialisiert. Als studierte Versicherungsmathematikerin beschäftigt sie sich intensiv mit den Themen Machine Learning Algorithmen und Portfolio Management.