StartBusinessMit Wissen als Rohstoff zur Spitzenleistung

Mit Wissen als Rohstoff zur Spitzenleistung

Mit dem Thema Innovation verbinden viele Menschen Begriffe wie New Work und Future Leadership. Der Fokus richtet sich hier allein auf die Gegenwart oder in die Zukunft. Julia Peglow, Expertin für Business Design, Strategieentwicklung und Brand Building, verfolgt einen anderen Ansatz und bezieht die Historie mit ein. Hier verrät sie ihre vier wichtigsten Thesen.

These Nr. 1

„Damit Innovation im Unternehmen möglich ist, muss es strukturell dafür gebaut worden sein.“

Ein Großteil der Unternehmen in Deutschland stammt aus dem Industriezeitalter. „Kreatives und innovatives Denken war in diesen Strukturen nicht vorgesehen“, erklärt Julia Peglow. Im Gegenteil: Die Unternehmen wurden für die massenhafte Reproduktion konzipiert „Jede:r Mitarbeiter:in hatte seine oder ihre festgelegten Aufgaben, niemand sollte aus dieser Blaupause ausscheren. Das Ziel war es, Waren und Güter in gleichbleibender Qualität am Fließband zu produzieren.“ Und das funktionierte – hervorragend sogar. Das Problem dabei: „In Deutschland wird teilweise noch immer in diesen Strukturen gearbeitet und kommuniziert. Klar, dass da Innovationen schwerfallen.“

Was es jetzt braucht: Den Blick auf das große Ganze: „Beim Thema Innovation betrachte ich die Grundstruktur, also den ,Bauplan‘ eines Unternehmens. Dabei gehe ich von einem umfassenderen, tiefergehenden Blickwinkel aus, der auch die Historie einbezieht.“

Wissen und Information: Für Julia Peglow sind das die zentralen Ressourcen und Treiber von wirtschaftlicher Entwicklung.

These Nr. 2

„Wissen ist der wertvollste Rohstoff unserer Zeit.“

Kohle, Eisen, Salz – das waren in der Vergangenheit wertvolle Rohstoffe, die von der Industrie zu Geld gemacht wurden. „Aber jetzt befinden wir uns in einem tiefgreifenden Wandel, der bereits in den 1950er-Jahren seinen Anfang nahm“, erklärt Julia Peglow. In der heutigen Wissensgesellschaft seien nicht mehr Kapital, Boden oder Arbeit die entscheidenden Produktionsmittel, sondern Wissen und Information die zentrale Ressourcen sowie Treiber von wirtschaftlicher Entwicklung. Das werde oft vergessen, meint die Expertin. „Stattdessen sprechen wir von Big Data, Digitalisierung oder Innovation und verwechseln Mittel und Zweck.“

Was es jetzt braucht: Um das Wissen im Unternehmen systematisch für Innovation zu nutzen, sollte Wissen nicht nur auf das Entstehen von Produkten oder die Ausführung von Arbeitsschritten angewendet werden, sondern vor allem, um bestehendes Wissen zu verbessern und neues Wissen zu generieren. Das bedeutet, dass durch die Anwendung vorhandener Informationen und Erkenntnisse auf neue Situationen oder Probleme innovative Lösungen und fortgeschrittenes Verständnis entstehen können. Ein Konzept, das als „Knowledge applied to knowledge“ bezeichnet wird.

These Nr. 3

„Wissen muss aktiv zirkulieren.“

Im heutigen Arbeitsalltag kommt es noch nicht häufig und regelmäßig genug zum Austausch von Wissen. Informationen gehen verloren oder verpuffen, weil sie nicht an die richtigen Stellen weitergeleitet werden. „Viele Innovationsbemühungen werden im hektischen Tagesgeschäft vernachlässigt“, weiß Julia Peglow. Damit Innovation möglich wird, muss der Wissensaustausch zur Maxime werden – jeder Austausch und Kommunikationsstrom dient diesem übergeordneten Ziel.

Was es jetzt braucht: Meetings, die so strukturiert sind, dass Wissen aktiv zirkuliert „Unternehmen sollten sich fragen: Welche regelmäßigen Meetings finden bereits statt? Handelt es sich um Formate, die gezielt dem systematischen Wissensaustausch dienen? Und wie wird sichergestellt, dass dieser Wissensaustausch innerhalb der Meetings geschützt und gefördert wird?“ Außerdem muss implizites Wissen, das auf persönlichen Erfahrungen und Intuition basiert, in explizites Wissen, das dokumentiert werden kann, umgewandelt werden. „Man muss das intuitive Wissen der Mitarbeiter:innen verschriftlichen und dafür niederschwellige Formate schaffen, die aktiv genutzt werden – wie chatbasierte Kollaborations-Tools, Blogs, Wissensdatenbanken oder Prozessbeschreibungen.“

Keine Scheuklappen: Wissen muss laut Julia Peglow aktiv zirkulieren.

These Nr. 4

„Die richtige Strategie ist der Schlüssel zum Erfolg.”

Durch alte Abläufe komme man nicht auf neue Gedanken, betont Julia Peglow. Vielen Unternehmen fehle die Kompetenz zum „Strategy Design“, also ein Ansatz zur Strategieentwicklung, der auf kreativen Methoden und nutzerzentriertem Denken basiere. Der sei die Voraussetzung für Innovation und „passiert nicht, wie in den alten Unternehmen des Industriezeitalters, per Analyse und Excel-Tabelle in der Chefetage“.

Was es jetzt braucht: Den Einsatz von kreativen Methoden wie dem „Design Thinking“ (ein Problemlösungsansatz, der die Bedürfnisse der Nutzer in den Mittelpunkt stellt) für Management und Leadership. „Diese Strategien sollten regelmäßig im Team angewendet werden. Storytelling und Markenbildung spielen ebenfalls eine zentrale Rolle“, sagt Julia Peglow. „Innovation entsteht, indem man darüber spricht. Storytelling ist Prototyping.“ Ihr Rat: Innovationen einen Namen und ein Gesicht geben, damit sie viral gehen können.

Buch-Tipp: „Wir Internet-Kinder: Vom Surfen auf der Exponentialkurve der Digitalisierung und dem Riss in der Wirklichkeit einer Generation“ Verlag Hermann Schmidt, 32 Euro

 


Schon gewusst …?

In jedem Zeitalter gibt es Innovationen, die zeitweise in Vergessenheit geraten, nur um später wieder neu zu erblühen. Zwei Beispiele:

Bereits am Bauhaus (1919–1933) gab es Vegetarier! Die Lehren an der berühmten
Designschule waren auf Ganzheitlichkeit angelegt und beinhalteten Spiritualität, Atemtechniken und vegetarische Diät als Mittel zur Selbstverwirklichung. Nach der
Machtübernahme der Nationalsozialisten verschwanden solche progressiven Denkansätze.

Die feministische Bewegung haben nicht erst die Millennials erfunden! 1903 gründeten Emmeline Pankhurst und ihre Töchter die „Women’s Social and Political Union“ (WSPU), eine entscheidende Kraft in der Geschichte des Frauenwahlrechts, das in zwei Schritten, 1918 und 1928, eingeführt wurde. Durch die Auswirkungen des Zweiten Weltkriegs wurden die Frauen wieder in ein konservativeres Rollenbild gedrängt.


Zur Person:

Julia Peglow lebt in München und arbeitet als Expertin für Business Design, Designstrategie und Brand Building. Nach ihrem Designstudium in Deutschland und England arbeitete sie 25 Jahre lang als strategische Beraterin und Geschäftsführerin internationaler Kreativberatungen, für Kunden wie adidas, BMW, MINI und SAP. Heute lehrt die Autorin an der Hochschule München, an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin und an der Tomorrow Academy Wien kreative Strategieentwicklung, Marketing und Brand Building und gibt digitale Live- und Podcast-Seminare. W&V wählte sie 2022 unter die „100 Köpfe – people to watch“.

Fotomaterial(c) JULIA PEGLOW

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