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Mit der Freundin gründen – darauf kommt es an

Mit der Freundin ein Unternehmen zu gründen, klingt zunächst verlockend, birgt aber auch einige Herausforderungen. Welche Regeln dabei hilfreich sind, wie sich Business und Freundschaft vereinen lassen und warum Ehrlichkeit der Schlüssel ist, erklärt Co-Gründerin Pia Müller in diesem Gastbeitrag.

Im Januar 2020 haben Marcia und ich gegründet. Rund drei Monate vor dem ersten Lockdown meldeten wir unser Unternehmen forsch&wild an. Direkt im ersten Jahr wurden wir und unser Unternehmen also auf eine harte Probe gestellt. Mit der Gründung direkt ab in die erste Krise: Was uns durch die Zeit gebracht hat, war tatsächlich der Wille, trotzdem ein erfolgreiches Unternehmen aufzubauen. Und es war der Wille, das als Freundinnen zu schaffen.

In den meisten Fällen hört man von Freundschaften, die durch geschäftliche Verstrickungen zu Bruch gegangen sind. Davor hatten auch wir großen Respekt, als wir gemeinsam gründeten. Doch wie kann es funktionieren, ein Business mit einer der besten Freundinnen erfolgreich zu führen? Welche Regeln sollte es geben, und wie geht man damit um, wenn das Leben dazwischenkommt – zum Beispiel in Form einer Schwangerschaft?

Zu zweit gründen hat eine Menge Vorteile

Emotional gesehen ist das Gründen mit einer vertrauten Person eine Stütze. Bedenken, Ängste, Visionen, Freude werden in einer Freundschaft oftmals unverblümter geteilt als in einer reinen Business-Beziehung. Ganz faktisch gesehen, lasten wichtige Entscheidungen nicht nur auf einem Rücken. Das kann Entscheidungsprozesse vereinfachen. Ist eine Person krank oder im Urlaub, kann die andere covern – so sind wirkliche Auszeiten möglich. Und: Von Anfang an können zwei Personen mehr Arbeit abbilden als eine. Das macht flexibler und sorgt für mehr Wachstums-Potenzial. Dennoch: Ein paar Regeln sind wichtig!

Gründung unter Freundinnen: Die Basis ist Ehrlichkeit

Marcia und ich teilen dieselben Werte: Ehrlichkeit, Respekt und Loyalität. Diese Gemeinsamkeiten waren unser Fundament, als wir beschlossen haben, gemeinsam zu gründen. Und sie sind es bis heute. Uns war absolut klar: Eine Gründung auf Basis von Freundschaft allein ist ein wackeliges Konstrukt. Was es braucht, ist eine klare Struktur, die den Geschäftsalltag regelt und gleichzeitig genug Raum für die Freundschaft lässt.

Ehrlichkeit steht an erster Stelle

Von Anfang an haben wir uns verpflichtet, offen und ehrlich miteinander zu kommunizieren – auch (und gerade), wenn es unbequem wird. Denn nichts belastet eine Freundschaft mehr als unausgesprochene Erwartungen oder ungelöste Konflikte. Unsere wöchentliche „Ehrlichkeitsrunde“, bei der wir uns gegenseitig Feedback geben und Sorgen offen ansprechen, ist inzwischen fester Bestandteil unserer Zusammenarbeit. Wenn es um Ratschläge geht, wechseln wir bewusst auch mal die Rollen. Formulierungen wie „als Freundin würde ich dir folgendes (…) raten, als Geschäftspartnerin sage ich dir (…)“, nutzen wir regelmäßig. Sie zeigen: Uns sind in unseren Gesprächen immer beide Rollen bewusst. Das macht Entscheidungen und Feedback für die jeweils andere nachvollziehbarer.

Klarheit über Stärken und Schwächen

Jeder Mensch hat seine individuellen Lieblingsthemen – das gilt auch für uns. Wir kennen unsere jeweiligen Stärken und Schwächen sehr gut und respektieren sie. Deshalb haben wir uns früh entschieden, dass jede von uns ihren eigenen Bereich hat, in dem sie die Hauptverantwortliche ist. Marcia ist unsere Kreativchefin, sie prägt die Ideen und Visionen des Unternehmens. Außerdem ist sie wesentlich strukturierter, wenn es um das Projektmanagement geht. Ich hingegen kümmere mich beispielsweise um den Vertrieb. Mir gefällt dabei der Austausch mit neuen Menschen. Auch das Thema Zahlen liegt bei mir. Da habe ich immer gerne alles im Blick ­– Controlling und die Buchhaltung machen mir mittlerweile sogar ein bisschen Spaß. Durch diese klare Aufteilung vermeiden wir Konflikte und stärken uns gegenseitig den Rücken. Kundenarbeit teilen wir individuell auf, je nachdem, wer von uns mehr Zeit oder aber auch mehr Muße hat.

Zwischen Herz und Vertrag: Klare Regeln für ein gutes Miteinander

Ein weiterer, entscheidender Punkt ist die formale Basis unserer Zusammenarbeit. Ein schriftlicher Gesellschaftervertrag, der alle finanziellen und organisatorischen Aspekte regelt, ist Gold wert. Wir haben für jedes potenzielle Streitthema eine klare Regelung getroffen. „Bei Geld hört die Freundschaft auf“? Nö. Was Marcia und ich uns immer wieder bewusst gemacht haben, ist die Tatsache, dass wir nicht nur Freundinnen, sondern auch Geschäftspartnerinnen sind – und dass beide Rollen eben unterschiedliche Anforderungen und auch Ansprüche mit sich bringen.

Es ist keineswegs „unromantisch“, einen Gesellschaftervertrag zu haben – im Gegenteil. So ein Vertrag schützt das, was uns am wertvollsten ist: unsere Freundschaft. Indem er klare Spielregeln festhält, bewahrt er uns davor, in Krisenzeiten unsicher zu werden und dadurch unsere Beziehung zueinander zu gefährden. Er ist eine Absicherung, die es uns ermöglicht, in stressigen oder schwierigen Situationen einen kühlen Kopf zu bewahren.

Prioritäten verschieben sich – das muss okay sein

Ein Unternehmen zu führen, erfordert viel Zeit und Energie, doch das Leben hält sich nicht immer an Geschäftspläne. Im Juli 2021 wurde Marcia das erste Mal Mama, ich zog im Juli 2023 nach. Bei uns beiden standen in diesen Zeiten nicht mehr Umsatzsteigerungen und Kundenakquise im Vordergrund, sondern schlaflose Nächte und Windelwechsel. Auch das haben wir überlebt – und zwar freundschaftlich und wirtschaftlich. Uns war klar: In dieser Zeit steht eben gerade nicht das wirtschaftliche Wachstum im Fokus, sondern das Hochhalten der Fahne ­– sprich: Eine regelt eine Zeit lang einfach mehr als sonst. So ist das dann eben.

Elternzeit und Geschäftsführung: Geht das überhaupt?

Unsere Schwangerschaften haben uns vor neue Herausforderungen gestellt. Wer kümmert sich um das Tagesgeschäft, wenn eine von uns in Elternzeit ist? Und ganz generell: Elternzeit in der Selbstständigkeit ­– geht das überhaupt? Wie gehen wir mit den finanziellen Auswirkungen um? Und, wie schaffen wir es, dass dabei weder das Unternehmen noch unsere Freundschaft leidet?

Auch hier hat sich unser Gesellschaftervertrag als hilfreich erwiesen. Dort ist geregelt, dass diejenige, die sich in Mutterschutz oder Elternzeit befindet, von ihren Aufgaben freigestellt ist – ohne Anspruch auf Gewinnbeteiligung für diesen Zeitraum. Gleichzeitig ermöglicht der Vertrag eine flexible Rückkehr in den Arbeitsalltag, sodass wir uns individuell auf unsere neuen Lebensumstände einstellen konnten. Wichtig war uns dabei vor allem eines: Die Entscheidung, wie lange und in welchem Umfang die Elternzeit in Anspruch genommen wird, haben wir immer gemeinsam und im gegenseitigen Einvernehmen getroffen. Das mag auf den ersten Blick wie eine Selbstverständlichkeit klingen, ist in der Praxis jedoch nicht immer einfach.

Gerade in puncto Elternschaft ist Flexibilität gefragt: Arbeitsstunden aufwiegen bringt nichts. Auszeiten gegeneinander zu stellen, bringt ebenfalls nichts – Marcia war vier Monate in Elternzeit, ich sechs. Viel wichtiger ist es, gemeinsam zu entscheiden, welche Bedürfnisse hat die jeweilige Person und was ist in Hinblick auf die wirtschaftliche Situation des Unternehmens machbar. 2021, zu Marcias Elternzeit, wäre es nicht möglich gewesen, länger in Elternzeit zu sein. 2023 sah das schon anders aus. Und das war okay. Für uns gilt: Fair sind Entscheidungen dann, wenn sie für alle Beteiligten in Ordnung sind.

Freundschaft und Business: Ein Drahtseilakt, der sich lohnt

Es gibt viele Ratschläge, wie man erfolgreich gründet, doch nur wenige beschäftigen sich mit dem Thema Freundschaft im Business. Dabei sind es oft genau die zwischenmenschlichen Beziehungen, die über Erfolg oder Misserfolg entscheiden. Marcia und ich haben über die Jahre hinweg gelernt, dass es vor allem auf die Kommunikation ankommt. Wir respektieren einander nicht nur als Freundinnen, sondern auch als Geschäftspartnerinnen – und das bedeutet, dass wir uns gegenseitig den Raum lassen, den wir brauchen, sei es im Privaten oder im Geschäftlichen.

Ein Unternehmen zu gründen, ist immer ein Risiko. Das Risiko wird beherrschbar, wenn man jemanden an seiner Seite hat, dem man zu hundert Prozent vertrauen kann. Für uns ist es diese Mischung aus Vertrauen, Ehrlichkeit und einer ordentlichen Portion Humor, die uns bisher verlässlich durch die Höhen und Tiefen des Geschäftslebens getragen hat. So haben wir auch die Herausforderungen der letzten Jahre – Pandemie, Mutterschaft und wirtschaftliche Turbulenzen – nicht nur überstanden, sondern sind daran gewachsen.

Die wichtigsten Tipps für Gründerinnen: Was wir gelernt haben

  1. Kommunikation ist alles. Offen und ehrlich miteinander sprechen – auch wenn es schwierig wird – ist essenziell. Nur so können Missverständnisse vermieden und Konflikte frühzeitig aus dem Weg geräumt werden.
  2. Stärken und Schwächen kennen. Jeder Mensch hat Talente und Bereiche, in denen er sich weniger sicher fühlt. Verantwortungsbereiche sollten so aufgeteilt werden, dass jede Person das tun kann, was sie am besten kann und am liebsten mag.
  3. Klarheit durch Verträge. Ein Gesellschaftervertrag mag unromantisch wirken, ist aber essenziell, um die Freundschaft in Krisenzeiten zu schützen. Er schafft klare Spielregeln und sorgt dafür, dass niemand übervorteilt oder benachteiligt wird.
  4. Respekt. Respekt gegenüber Entscheidungen und Bedürfnissen der anderen Person, auch wenn sie nicht immer mit den eigenen übereinstimmen, ist Basis eines guten Miteinanders.
  5. Flexibilität is Key. Das Leben ist unvorhersehbar, und das gilt besonders für Gründerinnen, die auch noch Familie haben. Es sollte Strukturen geben, die es ermöglichen, flexibel auf neue Lebensumstände zu reagieren, ohne das Unternehmen zu gefährden.

Wenn ich heute auf unsere Gründung zurückblicke, bin ich stolz auf das, was wir erreicht haben – nicht nur als Unternehmerinnen, sondern auch als Freundinnen – und auch privat. Ich möchte allen Frauen, die mit dem Gedanken spielen, gemeinsam mit einer Freundin zu gründen, Mut machen. Ja, es ist eine Herausforderung, und ja, es wird Momente geben, in denen man an allem zweifelt. Aber wenn man es richtig anstellt, kann das gemeinsame Gründen eine unglaubliche Bereicherung sein – nicht nur für das Business, sondern auch für die Freundschaft und für das eigene Privatleben. Wichtig ist, sich gut zu überlegen, mit wem man gründet und vor allem wie. Und: Nicht alles muss bis ins kleinste Detail geplant werden, nicht alles ist planbar. Manche Dinge sollten aber im besten Falle besprochen und festgehalten werden, bevor zu viele Emotionen involviert sind.


Über die Autorin:

Pia Müller bezeichnet sich selbst als norddeutsche Rheinländerin. Bevor sie gemeinsam mit Master-Kommilitonin Marcia Gerwers die Content Marketing Agentur forsch&wild gründete, studierte sie Journalistik (B.A.) und Unternehmenskommunikation (M.A.), arbeitete als freie Journalistin und Autorin und leitete das Content-Marketing-Team einer bekannten Digitalagentur. Sie legt großen Wert auf Ehrlichkeit – auch in der Kommunikation mit ihren Kund:innen. Außerdem setzt sie sich für die Themen Vereinbarkeit und New Work ein. Vor-während und nach der Arbeit ist sie mit Herz und Verstand Mutter einer Tochter und Frauchen eines Dackels. Ihre Freizeit widmet sie meist der Kulinarik.

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