StartBusinessLaw#MeToo: Tonaufnahmen vor Gericht zulässig

#MeToo: Tonaufnahmen vor Gericht zulässig

In Österreichs größtem #MeToo-Fall wurde vergangene Woche ein Urteil bewirkt, das für Betroffene sexueller Belästigung ein Game-Changer sein könnte: das Anfertigen und Veröffentlichen von Audio-Mitschnitten, die die Belästigung beweisen, ist zulässig. Wie kam es zu dem Urteil, welche Bedeutung und welche Folgen hat es?

Mehrere Jahre dauert der Rechtsstreit zwischen der ehemaligen Oe24-Angestellten, Katia Wagner, und ihrem einstigen Chef, Wolfgang Fellner, bereits an. Wie auch andere Ex-Mitarbeiterinnen wirft sie dem österreichischen Medienmanager – zu Recht, haben Gerichte entschieden – sexuelle Belästigung vor. Insgesamt sechs Klagen konnte Wagner bereits erfolgreich gegen Fellner durchsetzen, darunter auch die Darstellung Wagners als Lügnerin in Fellners Medien. Zuletzt erwirkte sie mit ihrem Anwalt, dem Medienrechtler Michael Rami, ein erstinstanzliches Urteil, das über ihren individuellen Fall hinaus Wirkung entfaltet: Opfer sexueller Belästigung dürfen heimlich aufgenommene Audio-Mitschnitte als Beweismittel vor Gericht vorlegen und in den Medien veröffentlichen.

Grundsätzlich ist es nämlich streng verboten, Personen ohne ihre Einwilligung zu Filmen oder Tonaufnahmen anzufertigen. Bei der Anfertigung von heimlichen Tonaufnahmen besteht sogar ein strafrechtliches Verbot. Nach §120 des Strafgesetzbuches kann die Anfertigung mit einem Jahr Haftstrafe oder einer Geldstrafe von bis zu 720 Tagessätzen bestraft werden. Weiters können die Aufnahmen die Persönlichkeitsrechte der betroffenen Person verletzen – denn §16 des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch schützt die Persönlichkeitsrechte, darunter auch das Recht des Sprechers oder der Sprecherin am eigenen Wort. Nachdem es sich bei der Stimme einer Person auch um ein personenbezogenes Datum handelt, können auch Teiler der Datenschutzgrundverordnung verletzt werden.

Da in #MeToo-Prozessen meist Aussage gegen Aussage steht, geraten Opfer sexueller Belästigung oft in Beweisnotstand. Katia Wagner legte im Prozess gegen Wolfgang Fellner eine Audio-Aufnahme vor, die sie bei einem gemeinsamen Geschäftsessen mit Fellner im Jahr 2015 (?) angefertigt hatte. Darin ist zu hören, wie Fellner sie „Schatz“ nennt und ihr sagt, wie verliebt er in sie sei. Sie erwiderte die Avancen nicht. Seine Reaktion darauf: „Was soll dieser komische Blick? Hallo? Da erwarte ich schon eine entsprechende Reaktion, wenn ich sowas sage.“ Später klagte Fellner gegen Wagner, sie hätte mit der heimlichen Aufnahme in seinen höchstpersönlichen Lebensbereich eingegriffen und seine menschliche Würde verletzt. Der Zivilrichter Ulrich Pesendorfer urteilte am Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien nun jedoch anders. Fellners höchstpersönlicher Lebensbereich sei durch die Aufnahme und Weitergabe „nicht berührt„. Die Aufnahme sei ein gelindes und geeignetes Mittel gewesen, um „die verbalen Belästigungen des Klägers zu dokumentieren“, argumentiert der Richter, „weil nur auf diesem Weg die Aussagen als sichere Beweismittel festgehalten werden konnten.“

„Das besondere an der aktuellen Entscheidung ist, dass klar festgestellt wird, dass hier eben eine Person des öffentlichen Lebens vorliegt und deshalb das Interesse, diese Missstände aufzuzeigen, höher waren als das Interesse des Klägers auf Achtung seiner Persönlichkeit, des Datenschutzes und das Interesse, die verbalen Belästigungen unbewiesen zu belassen“

“Grundsätzlich gab es schon länger die Judikatur, dass bei einem Beweisnotstand eine Güterabwägung und Interessenabwägung vorzunehmen ist“, erklärt die auf Zivil- und Familienrecht spezialisierte Anwältin Susanna Perl-Lippitsch gegenüber SHEconomy. „Das Besondere an der aktuellen Entscheidung ist, dass klar festgestellt wird, dass hier eben eine Person des öffentlichen Lebens vorliegt und deshalb das Interesse, diese Missstände aufzuzeigen, höher waren als das Interesse des Klägers auf Achtung seiner Persönlichkeit, des Datenschutzes und das Interesse, die verbalen Belästigungen unbewiesen zu belassen“, so Perl-Lippitsch. Sie hält das Urteil für „richtig und wichtig“.

Freilich kann eine allgemeine oder vereinfachte Zulassung von heimlich hergestellten Video- oder Tonaufnahmen als Beweismittel auch zu Problemen führen. Expert:innen sind sich einig, dass ein Punkt, der dagegen spricht die Straftatbestände sind, die eine heimliche Video- oder Tonaufnahme bei nicht Anerkennung als Beweismittel nach sich ziehen können. Zum anderen wäre auch der Eingriff in den höchstpersönlichen Lebensbereich sowie die Verletzung der Datenschutzgrundverordnung – wie oben bereits erwähnt – weitere Punkte, die gegen eine Veränderung sprechen.

Eine Garantie, dass auch in Zukunft heimlich aufgenommene Tonaufnahmen vor Gericht als Beweise zulässig sind, ist das Urteil jedoch nicht. Die Zulässigkeitsgrenzen um Ton- oder Videoaufnahmen als Beweismittel an das Gericht heranzutragen sind sehr eng und werden wohl auch in Zukunft die Gerichte beschäftigen. Ob eine Aufnahme zulässig ist oder nicht lässt sich in einer Vorabprüfung durch die Person, die die Aufnahme erstellt hat, kaum durchführen. Somit bleibt es – bis das Gesetz angepasst wird – eine riskante Angelegenheit, Tonaufnahmen heimlich zu erstellen und vor Gericht als Beweismittel anzubringen.

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