Sich an ein eigenes Unternehmen zu wagen, ist für Frauen noch immer nicht selbstverständlich. Laut dem Startup Monitor 2023 sind lediglich 17 Prozent aller österreichischen Gründer*innen weiblich. In Deutschland betrug der Frauenanteil in der Gründerszene nicht einmal 21 Prozent. Zudem gründen Frauen anders als ihre männlichen Kollegen. Denn für Gründerinnen ist nicht nur der finanzielle Erfolg von Bedeutung, sondern vor allem auch der gesellschaftliche und ökologische Nutzen.
Wer jedoch als Gründerin eines nachhaltigen Startups nur Frauen frisch von der Uni oder der Ausbildung im Kopf hat, wird überrascht. Denn immer mehr Frauen, die bereits Karriere in der Wirtschaft und im Finanzwesen gemacht haben, also mit beiden Beinen erfolgreich im Businessleben stehen, setzen ihre Interessen und beruflichen Erfahrungen dazu ein, nachhaltige Startups zu gründen. Und drei davon stellen wir Ihnen hier vor.
Schöne Nägel ohne Gift
Eine dieser Gründerinnen ist Jennifer Baum-Minkus. Bei einem Abendessen mit Freunden, so erzählt sie, fragte jemand in die Runde, was man machen würde, wenn man keine materiellen Sorgen hätte. Sie dachte sofort: Glitzernagellack – und setzte ihre Idee in die Tat um. Die Personal- und Marketingexpertin kündigte ihren Job bei Coca-Cola Deutschland und machte sich selbstständig.
2019 brachte sie den nachhaltigen Nagellack gitti auf den Markt. „Das war tatsächlich eine Bauchentscheidung. Ich höre schon immer stark auf meine Intuition. Mir war klar, dass ich etwas Eigenes schaffen wollte, etwas mit einem klaren Fokus auf meine Werte und Impact. Natürlich war es auch ein Sprung ins Ungewisse, aber Mut hat mich schon immer wachsen lassen“, erklärt Jennifer Baum-Minkus. Nachhaltigkeit war von Anfang an nicht nur wichtig, sondern zentraler Baustein. „Wir wollten nicht nur innovative Produkte entwickeln, sondern Alternativen bieten, die einen echten Unterschied machen. Etwa durch unsere sorgfältig ausgewählten und vormerklich natürlichen Inhaltsstoffe, veganen Formeln und nachhaltig gestalteten Verpackungslösungen“, erläutert die Gründerin.
Von Anfang an konnte sie auf die Unterstützung einer starken Community zählen, und so waren die ersten Produkte innerhalb weniger Stunden ausverkauft. Ist sie mit dem Erfolg von gitti und ihrer zweiten Karriere zufrieden? „Ja, definitiv. Wobei es mir wichtig ist, Erfolg als eine Reise zu betrachten, nicht als ein Ziel. Es ist ein unglaublich erfüllendes Gefühl, zu sehen, wie gitti sich entwickelt, wie unsere Vision andere begeistert und wie wir den Wandel in der Beauty-Branche vorantreiben. Das motiviert mich, immer weiterzumachen. Mein Ziel ist es, gitti als internationale Marke weiter auszubauen und dabei unseren Werten treu zu bleiben.
Neues Leben für alte Säcke
Der Weg zu ihrem Startup Refished begann für die Wienerin Sissi Vogler im Jahr 2012, als sie eine Auszeit von ihrem Marketing-Job nahm, um Südostasien zu bereisen. Dort fielen ihr die farbenfrohen Säcke für Fischfutter und Zement auf den Straßen auf. Diese inspirierten sie dazu, eine eigene Upcycling-Kollektion zu entwickeln. „Es war der Beginn einer Reise, auf der ich herausfinden wollte, wie ich meine Begeisterung für nachhaltige Mode in die Tat umsetzen kann“, erklärt sie.

Die Gründung von Refished ging Vogler dabei behutsam an. Sie entschied sich, ihren Traum neben ihrer Anstellung bei einem Wiener Schmuckunternehmen zu verwirklichen, um das Label schrittweise aufzubauen. „Die Entscheidung fiel mir nicht schwer, weil ich einen sicheren Weg gewählt habe. Ich wollte alles von Anfang an richtig machen und mein Unternehmen so gründen, dass es einen positiven Einfluss auf die Welt hat“, erzählt sie.
Nachhaltigkeit war von Beginn an ein Grundpfeiler ihres Unternehmens. „Ich wollte sicherstellen, dass bei allem, was ich erschaffe, niemand zu Schaden kommt. Im Gegenteil,
ich wollte einen Wandel herbeiführen – weg von einem konsumgetriebenen, preisorientierten Markt hin zu einer bewussten Kaufentscheidung für qualitativ hochwertige, langlebige Produkte“, so Sissi Vogler. Heute ist das Label Refished im deutschsprachigen Raum nicht nur für die nachhaltigen Kollektionen, sondern auch für seine fairen Arbeitsbedingungen bekannt.
Brot und Biodiversität
Barbara van Melle (u.) war 25 Jahre lang als Gestalterin und Moderatorin für TV-Formate des ORF tätig. Die Arbeit am Buch „Der Duft von frischem Brot“ (Brandstätter, 32€), das zum Bestseller wurde, machte sie zur leidenschaftlichen Hobbybäckerin und inspirierte sie dazu, sich für das österreichische Bäckerhandwerk einzusetzen.

2017 rief sie die Kruste&Krume GmbH ins Leben und organisierte das erste Brotfestival in Wien. 2018 folgte die Gründung ihres Brotbackateliers, in dem sie nun Workshops anbietet. Später kam noch eine Greißlerei dazu, in der sie Zutaten fürs Brotbacken verkauft. „Die Gründung war keine spontane Entscheidung, sondern ein Prozess, der sich über die Zeit entwickelte. Mir ist wichtig zu betonen: Der wirtschaftliche Erfolg war nie das Hauptziel. Es ging immer um die Leidenschaft für das, was wir tun“, erklärt Barbara van Melle.
Bei Kruste&Krume setzt sie auf Biodiversität und arbeitet mit kleinen, traditionellen Mühlen zusammen, die mit alten Getreidesorten produzieren, die ansonsten fast verschwunden wären. „Alles, was wir tun, basiert auf dieser Idee der Nachhaltigkeit – das ist der Kern unserer Arbeit.“ Mittlerweile beschäftigt sie 15 Mitarbeiter*innen und führt das Unternehmen mit Tochter Jelka, die ebenfalls ihren sicheren Management Job an den Nagel gehängt hat. Der Mut zum Neuanfang scheint in der Familie zu liegen.