Ist New Work noch New? Was macht New Work heute aus, und wo stehen wir?
„New“ ist an „New Work“ kaum mehr etwas – Frithjof Bergmann prägte den Begriff schon in den 80ern als Arbeit, die wir „wirklich, wirklich wollen“. Im Kern geht es dabei um Selbstbestimmung, um Teilhabe und Sinn. Heute wird „New Work“ allzu oft auf Homeoffice, Obstkorb & Co. reduziert. Dabei sollten wir vielmehr die Frage in den Vordergrund stellen, wie Arbeit so gestaltet werden kann, dass Menschen sich als wirksam, kompetent und auch sozial integriert erleben. Die Umsetzung in der Praxis muss dann zur Realität des jeweiligen Unternehmens passen – es gibt keine Standardlösung. Es gilt, sich mit den konkreten Bedingungen vor Ort auseinanderzusetzen. Wir nutzen in unserer Arbeit bei Blackbox/Open fundierte Tools aus der arbeitspsychologischen Forschung, um dabei die richtigen Stellschrauben zu erkennen. So kann der Begriff „New Work“ in jeder Organisation ganz individuell mit Leben gefüllt werden.
Derzeit stehen immer wieder die Forderungen nach mehr Arbeit und Leistung im Raum. Mit Blick auf Deine Gesprächspartner:innen – was sagt die Wissenschaft dazu?
Die Rufe nach mehr Arbeitszeit oder Rückkehr ins Büro werden gefühlt immer lauter, das stimmt. Diese Rufe ignorieren nur häufig, was wir aus der arbeitspsychologischen Forschung wissen: Selbstbestimmung ist für Beschäftigte ein Grundbedürfnis. Flexible Arbeitszeiten oder kürzere Wochenarbeitszeiten schaffen Raum, um einen selbstbestimmteren Alltag zu gestalten. Besonders interessant für Unternehmen und Führungskräfte: Flexibilität wirkt sich positiv auf Gesundheit und Motivation und damit auch auf die Produktivität aus. Schon allein die Möglichkeit, Arbeitsbedingungen und Arbeitszeiten eigenständig zu gestalten hat einen Effekt – selbst, wenn sie nicht immer genutzt wird. Maßnahmen wie gestrichene Feiertage oder strengere Anwesenheitspflichten stehen dem entgegen und basieren auf einem wenig hilfreichen Menschenbild. Leistung entsteht nicht durch Druck und Sanktionen, sondern durch gute und gesunde Arbeitsbedingungen.
Welche neuen Erkenntnisse rund um New Work sind Dir aus der Podcast-Zeit am meisten haften geblieben?
Oh, das sind wahrscheinlich zu viele, um sie hier aufzulisten. Was sich auf jeden Fall durchzieht: Forschung ist oft viel praxisnäher und anwendbarer, als man denkt. Ob zur Wirkung guter Teamprozesse, zu wirksamer Personalauswahl oder zur Gestaltung von Führungsrollen – es gibt fundiertes Wissen, das in Organisationen oft nicht genutzt wird. Gleichzeitig profitieren Forschende davon, wenn sie mit der Praxis im Austausch bleiben und aktuelle Fragestellungen aufgreifen. Genau das will unser Podcast sichtbar machen. Und: Oft braucht es vielleicht gar nicht die großen, alles ändernden Maßnahmen und Kulturprojekte, sondern wir können im alltäglichen Miteinander schon viel Positives in Unternehmen bewirken.
Auch das Thema Muße stand im Mittelpunkt eines Eurer Events und eines Live-Podcasts – ist aktuell die richtige Zeit dazu? Warum und wofür sollten wir uns mit Muße auch in der Arbeitswelt beschäftigen?
Ja – gerade jetzt. Muße bedeutet, nicht unter Druck zu stehen, einen Raum zu haben in dem ich frei bin von dem Gedanken, etwas leisten zu müssen. Das ist selten geworden. Im Gespräch mit Julia Reif ging es darum, ob und wie wir uns solche Räume schaffen sollten – und wie uns neue Technologien dabei helfen können. KI könnte leicht automatisierbare Aufgaben übernehmen und damit neue Freiräume schaffen. Ob wir diese Freiräume tatsächlich auch nutzen und aushalten, ist eine andere Frage. In jedem Fall gilt: Muße kann helfen, Komplexität zu verarbeiten – das ist heute wichtiger denn je.
Wann wird New Work auch für Blue-Collar-Worker möglich? Welche Beispiele gibt es schon?
New Work ist auch auf jeden Fall auch im Blue-Collar-Bereich möglich – wenn man es als Gestaltung von sinnvoller, selbstbestimmter Arbeit versteht. Auf unserer letzten Konferenz, der CoCreationExpo im Mai, haben wir viele konkrete Ansätze gesehen: teilautonome Teams in der Produktion, Gamification zur Prozessverbesserung, gemeinsame Leitbildentwicklung in der Kinderpflege, Shared Leadership oder agiles Projektmanagement in Bildungseinrichtungen, partizipatives Produktivitätsmanagement in Hotel-Teams oder der Montage, flexible Arbeitszeitmodelle im Schichtbetrieb, … – die Liste ist lang. Entscheidend ist: Lösungen müssen zur Lebensrealität der Menschen passen. Nicht von außen „übergestülpt“, sondern im Dialog mit den Menschen vor Ort entwickelt werden. Im Beratungsalltag zeigt sich oft, dass besonders hier, im Dialog, viel psychologisches Feingefühl nötig ist. Doch nur so kann echte Teilhabe entstehen.
Wie können Führungskräfte mit der wachsenden Herausforderung Ambidextrie umgehen?
Ich frage mich manchmal, ob Ambidextrie wirklich so neu ist – letztlich mussten Führungskräfte schon immer Bestehendes weiterentwickeln und gleichzeitig offen für Neues sein. Was sich verändert hat, ist das Umfeld: hohe Dynamik, weniger Planbarkeit, mehr Vernetzung. Damit steigt der Druck, schnell zu reagieren und parallel strategisch zu denken. Um beidem gerecht zu werden, braucht es klare Strukturen. Agile Frameworks wie OKR machen Strategie greifbar und schaffen bewusst Räume für strategische Arbeit im Alltag. Gleichzeitig ist es wichtig, nah an der Organisation zu bleiben, ein Gespür für das operative Geschäft zu behalten und eine Vision so tagtäglich erlebbar zu machen.
Wo sollte Wissenschaft stärker in Unternehmens-Kontexten eingebunden werden?
Ein Thema, das mich da gerade umtreibt, ist die Personalauswahl. Es gibt eindeutige wissenschaftliche Erkenntnisse dazu, was gute Verfahren ausmacht – in der Praxis wird das oft ignoriert. Mein Gespräch mit Uwe Kanning in der aktuellen Episode von „New Work Meets Science“ zeigt: schon einfache Maßnahmen wie strukturierte Interviews können die Passung zwischen Unternehmen und Beschäftigten deutlich verbessern. Auch bei Themen wie Führung, Motivation oder Zielsetzung profitieren Organisationen davon, arbeitspsychologische Erkenntnisse gezielt einzusetzen – das erleben wir auch in unserer Beratungsarbeit regelmäßig. Wenn wir wissenschaftliche Forschung anschlussfähig machen und Organisationen gleichzeitig ihre Erfahrungen einbringen, entsteht ein Austausch, von dem beide Seiten profitieren.
Was treibt Dich bei diesem Thema weiter an?
Ich sehe Wissenschaft und Praxis nicht als Gegensätze. Mich interessiert, wie wir das Wissen, das es bereits gibt, so nutzbar machen, dass es Wirkung entfalten kann. Dafür braucht es keine Brücke zwischen zwei Welten – sondern ein gutes Miteinander. Arbeit gut zu gestalten, ist eine gemeinsame Aufgabe. Statt auf Hochglanz polierten Strategien brauchen wir eine ehrliche Auseinandersetzung mit der eigenen Realität – und die Bereitschaft, Dinge konkret anzupacken. Aus unserer Arbeit wissen wir: Wenn der Funke überspringt und die Leute Lust bekommen, die Ärmel hochzukrempeln und etwas zu verändern, dann zeigt sich auch Erfolg in der Transformation.
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