StartBusinessKarriereLebenslauf-Lüge: Die Zeit heilt alle Wunden außer die temporären Lücken im Lebenslauf

Lebenslauf-Lüge: Die Zeit heilt alle Wunden außer die temporären Lücken im Lebenslauf

Sheconomy Kolumnistin Sophie Marie Werner widmet sich diesmal dem Thema „CV-Tuning“ und stellt dabei die provokante Frage: Wieviel Leben darf ein Lebenslauf offenbaren?

Österreichischer Kürzel-Salat ist höchstens Vitamin B-reich. Von Dipl.-Ing. bis Mag.a. oder iur. ist für jeden Geschmack etwas dabei. Das Menü der akademischen Grade, zum Gustieren bereitgestellt vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung, listet auf vier A4 Seiten ein reichhaltiges Assortiment.

Aber ebenso wenig wie gemischter Satz mit Germanistik zu tun hat, verführt der akademische Grad nicht auf Sparflamme den Gaumen, sondern höchstens das eigene Ego und die oder den eine:n oder andere:n österreichische:n Arbeitgeber:in. Einmal zu oft habe ich auf die Frage “Warum machst du noch einen Master?” die Antwort “Wegen dem Titel”, gehört.

Das soll keine ausschweifende Generalisierung zu Beweggründen für höhere Bildung sein. Harte Arbeit und Durchhaltevermögen werden neben Wissen eben auch mit einem akademischen Grad belohnt. Die Aneinanderreihung von Bildungsgraden und einschlägiger Arbeitserfahrung werden gesellschaftlich wertgeschätzt, nicht ohne Grund. Schlagworte wie Work-Life-Balance oder Sabbatical wirken unter diesen Voraussetzungen allerdings verfehlt — oder vielleicht doch vorteilhaft?

Lange Reise oder Lebenslauflücke

Meine Maturaklasse hatte 25 Absolventinnen und Absolventen. Wie viele davon sich nach dem Abschluss geradewegs für einen Studienlehrgang inskribiert haben, kann ich an einer Hand abzählen. Ob diese zeitlich begrenzte Auszeit, dieser Moment der Selbstfindung, wertvoll für die Karriere oder ein Hindernis bei der Jobsuche ist, bleibt offen.

Die Googlesuche nach “Lebenslauf” ergibt: schriftliche Darstellung, Zusammenfassung der (besonders für die Berufslaufbahn) wichtigsten Daten und Ereignisse des eigenen Lebens (Oxford Language). Die erwähnten Begriffe Daten und Ereignisse sind weder negativ noch positiv konnotiert, folglich sollte es kein Problem sein, wenn man auf der Karrierelaufbahn auch mal eine der Raststettenabfahrten in Anspruch nimmt. Inwiefern man dabei aber den Pannenstreifen kreuzt, lassen Internetportale anklingen.

Die Webseite karrierebibel.de sieht das Ereignis der beruflichen Pause positiv, allerdings unter der Voraussetzung, dass man diese dann auch positiv vermarktet. Eine Reise gäbe es vorteilhaft hervorzuheben mit Begründung, inwiefern man durch die Erfahrung ein:e stärkere:r und bessere:r Arbeitnehmer:in wurde.

Die Phrase “mobile Weiterbildung” fällt im Verlauf des Textes. Es entsteht das Gefühl das es im Lebenslauf weniger um das Leben und mehr um das Lernen geht. Und am Ende des Lernens steht dann die Prüfung. Die Prüfung auf Vollständigkeit des Lebenslaufes durch den oder die Arbeitgeber:in.

Die Tuningszene

Egal ob Ferialjobs, ehrenamtliche Arbeit, außerschulische Aktivitäten (der Golf GTI unter den Arbeitserfahrungen) oder tatsächliche Praxiserfahrung – der Curriculum Vitae wird mit viel Liebe zum Detail getuned. Inwieweit Lebenserfahrung – die während einer Bildungs- oder Berufspause gesammelt wurde – derlei aufpolierte Arbeitserfahrungen ausstechen kann, ist eine Frage für die Human Resources Abteilungen dieser Welt.

Zumindest bei einer davon habe ich aber nachgefragt. Das Ergebnis: “Allgemein kann man sagen, dass die Lücke im Lebenslauf zwar historisch gesehen negativ konnotiert ist, aber durchaus ein Wandel in Richtung einer neutraleren Bewertung dieser festzustellen ist.”

Außerdem ist Lücke nicht gleich Lücke. Die Bewertung erfolgt individuell, wie ich im Gespräch mit einem Personalentwickler erfahre. Erst der Kontext macht die Lücke zur potenziellen Lüge. Gänzliches Weglassen oder Kaschieren erweckt Misstrauen.

Und obwohl mein Gesprächspartner ehrlicherweise erzählt, dass Arbeitnehmer:innen mit der „Soft Skill Lebenserfahrung”  fehlende Arbeitserfahrungen nicht wettmachen können, steht für mich eines fest: vor der Appetitlosigkeit fürs Leben lieber eine Pause machen.

Aus dem Munde des französischen Philosophen Voltaire stammt die Weisheit: “Die Zeit heilt alle Wunden”. Bis die Lücke im Lebenslauf zuwächst, warten wir aber wahrscheinlich etwas länger. Weswegen eine weitere Wortschöpfung Voltaires besseren Trost spendet: „Da es sehr förderlich für die Gesundheit ist, habe ich beschlossen, glücklich zu sein!”

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