Eine Zugfahrt durch den Norden Deutschlands brachte die Idee: Regisseurin, Produzentin und Autorin Doris Dörrie (bekannt für Filme wie „Männer“ oder Bücher wie „Bin ich schön“) erinnerte sich an ihre Bahnreise vor einigen Jahren, bei der sie im fast gesamten Norden des Landes Kühe auf verdorrtem Gras sah – statt wie sonst auf grünen Wiesen. Mit Blick auf die dramatischen Veränderungen durch den Klimawandel erinnert sich Dörrie in der vergangenen Woche im Rahmen der Konferenz „DLD Circular“: „Das fand ich so erschreckend – ich dachte, ich bin in einem anderen Land.“
In einem Gespräch mit einem Investmentbanker Dörrie erfuhr von einem Modellhof in Brandenburg, der sich der regenerativen Landwirtschaft verschrieben hat: „Gut & Bösel„. Hier ist Benedikt Bösel (39) am Werk – als Pionier für eine neue Form der Landwirtschaft, die unter dem Stichwort „Agroforst“ das Zusammenspiel von Boden, Kompost, Tieren und Bäumen neu denkt und umsetzt. Über ein Jahr hat die Doku „Farm Rebellion“, die von der Münchner Firma megaherz realisiert wurde und auf der Streamingplattform von Disney+ läuft, die Arbeit Bösels und seines Teams verfolgt.
Nicht nur in der Region Brandenburg sorgt der Klimawandel für unberechenbare Verhältnisse und trockene Böden. Ein Umdenken ist nötig, da sind sich Bösel und Dörrie einig. „Wir müssen unser Leben ändern! Und wir müssen unsere Landwirtschaft ändern“, appelliert Dörrie. „‘Gut&Bösel‘ hat uns die Chance geboten, dieses Thema exemplarisch zu erzählen. Wir konnten ihre Versuche und Konzepte einer innovativen Landnutzung über ein Jahr lang begleiten.“
Benedikt Bösel, zog es 2016 von der Finanzbranche zurück auf das Gut der Familie in Alt Madlitz, eine Stunde östlich von Berlin. Geringe Niederschläge, sandige Böden – Bösel, der ein Studium der Agrarökonomie draufsattelt, ist nach zwei Dürresommern vor Ort klar: Es braucht neue Ansätze. Er greift mit seinem Team zurück auf die Arbeit von Pionieren der regenerativen Landwirtschaft. Heute geht es bei Gut&Bösel um ganzheitliches Weidemanagement, über Kompostierung, syntropischem Agroforst und Waldumbau bis zur Entwicklung neuer Software und Technik. Dabei steht der Boden immer im Mittelpunkt.
„Wir sind nicht mehr mit unserem Boden verbunden – das müssen wir ändern“
„Wir sind der Überzeugung, dass Landnutzung der Schlüssel ist, um viele der drängendsten Probleme unserer Zeit zu lösen – vom Klimawandel und dem Verlust der Artenvielfalt bis hin zu Hunger und Chancengleichheit“, so Bösel beim DLD Circular. „Was bei uns funktioniert, kann auch in anderen Teilen Deutschlands – und sogar der Welt – funktionieren. Wir hoffen daher, zukünftig unsere Daten und Erfahrungen zu multifunktionaler Landwirtschaft anderen Landwirt*innen zur Verfügung stellen zu können.“
Doris Dörrie rief beim DLD in München dazu auf, den Boden wieder neu in den Fokus zu rücken. „Wir sind nicht mehr mit dem Boden und der Landwirtschaft verbunden, das müssen wir ändern.“ Mit der Reihe wollte Dörrie auch ihren Studierenden an der Filmhochschule neue Perspektiven eröffnen. „Im Gespräch mit ihnen habe ich so viel Hoffnungslosigkeit gespürt. Die Dokumentation ist zwar kein reiner Spaß, aber sie gibt neue Hoffnung.“
Dabei wird nicht nur die deutsche Sichtweise gezeigt. An über 90 Drehtagen wurde ein Team von Expert:innen aus aller Welt begleitet, das sich den Herausforderungen stellt, denen sich die Landwirtschaft heutzutage gegenübersieht. Mit dabei war unter anderem Dr. Auma Obama, Halbschwester des ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama und Initiatorin und Vorstandsvorsitzende der Sauti Kuu Foundation, die unter anderem nachhaltiges und ökologisches Wachstum in Kenia fördert.