StartBusinessKopf der Woche: Anette Meister

Kopf der Woche: Anette Meister

Was bringt eine Frau mit Mitte 50 dazu, ihren unbefristeten Job zu kündigen, ihren Lebensmittelpunkt München gegen Hanoi einzutauschen und anstatt weiter erfolgreich für ein renommiertes Museumprojekt zu arbeiten in die Entwicklungszusammenarbeit zu gehen? Anette Meister beantwortet die Frage im Gespräch mit SHEconomy mit ihrem persönlichen Rückblick auf die Pandemie und den Lockdown.

Wie viele andere Arbeitnehmer*innen auch, arbeitet Anette Meister seit März 2020 im Homeoffice. Als Geschäftsleitung eines Fördervereins für ein neues Museumsprojekt ist sie für Fundraising und Mitgliederbetreuung verantwortlich. Sie „brennt“ nach eigenen Worten für ihre Aufgabe und ist begeistert von dem innovativen Konzept des im Aufbau befindlichen Museums und dem bereits geöffneten Experimentier- und Ausstellungsraum. Pandemiebedingt sind ihre Arbeitsbereiche aber quasi lahmgelegt und sie ist unzufrieden, will mehr bewegen.

Anette Meister gegenüber SHEconomy: „Immer häufiger habe ich in den vergangenen Monaten darüber nachgedacht, wie ich mit meinem Wissen und meiner Erfahrung in einem größeren Zusammenhang Wirkung erzielen kann, an welchen Themen ich weiterarbeiten und auch wie ich in den nächsten Jahren leben möchte.“ Nicht reisen zu können, lässt den langgehegten Wunsch, noch einmal im Ausland zu leben und zu arbeiten, lauter werden. Ihr wird klar, dass sie sich beruflich verändern möchte, um Zufriedenheit im Job zu bekommen. Ihr privates Umfeld reagiert erwartungsgemäß: „Von schierem Unverständnis, „dass du dir darüber überhaupt noch Gedanken machst, wo in gut zehn Jahren doch die Rente ansteht“, über „du hast doch einen tollen und sicheren Job, was willst du eigentlich“ bis hin zu „vergiss es, du bist viel zu alt“.

Anette Meister reagiert ihrerseits, fühlt sich angestachelt, denn für sie ist abwarten oder aushalten keine Option. Im Sommer 2020 fängt sie intensiv mit der Recherche nach einer neuen beruflichen Herausforderung an. Sie stößt dabei auf das Konzept des „Beginner Minds“, das seinen Ursprung im Zen Buddhismus hat und eine Haltung beschreibt, Dinge so zu betrachten, als würde man sie zum ersten Mal wahrnehmen: Mit Neugier, Offenheit, Kreativität; ohne Erwartungen und Urteile. „Dem Anfänger geistern viele Möglichkeiten im Kopf herum. Beim Experten sind es nur wenige“, wird hierzu der Zen Lehrer Shunryu Suzuki zitiert. Das Schöne an dieser Geisteshaltung, findet Anette Meister, ist, dass sie sich ideal mit der fachlichen Expertise und mit Lebenserfahrung paaren lässt und damit ein idealer Ausgangspunkt für einen Neustart ist.

Mit diesem Mindset startet die studierte Kulturmanagerin mit einer Zusatzausbildung im Großspenden-Fundraising ihre Jobsuche. Während sie bisher für Stiftungen und Museen an der Schnittstelle von Projektentwicklung und Finanzierung gearbeitet und Bildungsprojekte entwickelt und gemanagt hat, legt sie ihre Suche breiter an. Sie bewirbt sich auf Stellen in Social-Start-Ups und in sozial engagierten Vereinen. Mit jedem Interview kommt sie ihrer Vorstellung von ihrer nächsten beruflichen Herausforderung ein Stück näher, lernt mehr darüber, was sie wirklich will, was sie kann, wo sie noch Lücken hat. Irgendwann sieht sie dann die Ausschreibung für eine Stelle in der Entwicklungszusammenarbeit in Hanoi, die ihre berufliche Expertise, ihre Erfahrung und ihre Lust auf Neues trifft. Sie durchläuft den aufwändigen Bewerbungsprozess und erhält die Zusage.

Aus der dreimonatigen Vorbereitungszeit vor ihrer Ausreise nach Vietnam berichtet sie begeistert. Und auch wenn noch nicht alle Schwierigkeiten rund um das Visum und die strengen Einreiseregelungen geklärt sind, sie noch nicht weiß, wann ihr Partner nachfolgen kann, ist sie glücklich über ihre Entscheidung. Ihr Fazit: Mut in der Jobsuche wird belohnt! Sie wünscht sich mehr mediale Berichterstattung über Frauen, die mit über 50 noch einmal beruflich Neues wagen und dazu beitragen, Frauen in der Lebensmitte sichtbarer zu machen. „Wir sind da! Wir haben eine Menge zu geben! Auf uns kann weder die Wirtschaft noch der dritte Sektor noch die die Gesellschaft insgesamt verzichten.“

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