Frau Sporn, viele Entscheider:innen reagieren zunächst skeptisch, wenn es um Digitalisierung geht – besonders in traditionellen Unternehmen. Wie begegnen Sie dieser Ablehnung?
Sehr oft höre ich: „Das brauchen wir nicht“ oder „Wir wollen lieber mit echten Menschen arbeiten.“ Die Vorstellung, dass Technologie den persönlichen Kontakt ersetzt, löst oft Widerstand aus. Ich nehme diesen Vorbehalt direkt auf und erkläre: Es geht nicht darum, Menschen zu ersetzen, sondern Raum für das Menschliche zu schaffen – indem wir Routinen automatisieren, die niemandem Freude machen. Wenn dieser Perspektivwechsel gelingt, erlebe ich oft, wie aus Ablehnung echtes Interesse wird.
Sie bewegen sich zwischen digitaler Innovation und traditionellen Unternehmenskulturen. Wie erleben Sie diesen Spagat?
Ich bin in gewisser Weise Reibungspunkt zwischen zwei Welten – und das ist auch gut so. Viele sehen Technologie noch als Bedrohung. Ich sehe es als meine Aufgabe, diese Angst zu nehmen und das Potenzial aufzuzeigen. Wenn jemand gar nicht offen ist, werde ich persönlich zur Projektionsfläche. Aber wenn ich den richtigen Ton finde, kann genau daraus ein spannender Austausch entstehen.
Gibt es Momente, in denen Sie spüren: Jetzt ist der Funke übergesprungen?
Oft während meiner KI-Schulungen. Da sagen Teilnehmer:innen: „Ich hab mich gerade bei dem Tool angemeldet – das ist genial!“ Oder: „Diese Aufgabe hat mich immer genervt – jetzt macht das der Chatbot.“ Bei größeren Projekten, wo Algorithmen in Systeme integriert werden, dauert es natürlich länger, bis man Ergebnisse sieht. Aber am Ende bringt es immer etwas. Ich habe noch nie erlebt, dass jemand gesagt hat: „Es war genau so, wie du gesagt hast – aber es hat nichts gebracht.“
War diese Verbindung aus Strategie und Umsetzung auch Ihr Antrieb für die Gründung von scitus?
Ja, absolut. In meiner letzten Festanstellung in einer IT-Strategieberatung habe ich Konzepte entworfen, schöne Präsentationen erstellt – und oft nie wieder etwas davon gehört. Das war unbefriedigend. Davor war ich als Data Scientist in einem HR-Start-up, da habe ich nur umgesetzt – ein reiner „Nerd-Job“.
Ein Bekannter sagte: ‚Du kennst dich mit KI aus – schau dir mal meine Firma an.“ Ich habe schnell erkannt, was ineffizient läuft. Weil ich auch die technische Lösung gleich mitdenken konnte, war klar: Genau das brauchen viele Unternehmen – jemanden, der erkennt, was möglich ist, und es dann auch umsetzt. So ist scitus entstanden.
„Ich wollte beides: etwas anfangen, zu Ende bringen und die Ergebnisse sehen.“
Sie schreiben, Sie wollten ein Unternehmen gründen, in dem Sie selbst gerne arbeiten würden. Was meinen Sie damit?
Ich wollte immer in einer Firma arbeiten, die nicht nur plant, sondern auch umsetzt. In meinen früheren Jobs war es entweder das eine oder das andere – ich wollte beides: etwas anfangen, zu Ende bringen und die Ergebnisse sehen.
Bei scitus begleiten wir Projekte bis über die Zielgerade hinaus. Man steckt so viel Energie hinein – da will man auch sehen, was daraus entsteht. Das macht mich am Ende des Tages zufrieden. Und ich glaube, es ist auch wichtig für die Psyche: nicht einfach nur Aufgaben abarbeiten, sondern spüren, dass es Sinn macht.
Sie haben selbst den „Nerd, der codet“ erwähnt. Werden Sie oft mit klassischen Rollenbildern konfrontiert – und sehen Sie in der aktuellen Tech-Entwicklung, insbesondere durch KI, auch eine Chance, solche Klischees aufzubrechen?
Ja, das passiert mir regelmäßig. Wenn ich erzähle, dass ich als Data Scientist gearbeitet habe und mehrere Programmiersprachen kann, kommt oft: „Du, junges Mädel, machst so einen Job?“ Für mich ist das der coolste Beruf überhaupt. Aber viele erwarten wohl, dass jemand, der programmiert, auch entsprechend nerdig wirkt.
Als ich kürzlich eine Projektmanagerin mit technischem Hintergrund gesucht habe, haben sich überraschend viele Frauen beworben. Ich glaube, der KI-Hype hat da viel bewegt. Frauen erkennen, wie zukunftsweisend das Thema ist, und trauen sich eher rein. Vielleicht war genau dieser Schub nötig, um alte Bilder zu hinterfragen. Ich finde das extrem ermutigend.
Werden Sie in Ihrer Rolle oft unterschätzt – und wie schaffen Sie es, sich trotzdem durchzusetzen?
Ja, das passiert mir immer wieder. Wenn ich zu potenziellen Kund:innen komme, fragen manche: „Kommt dein Chef auch noch?“ Ich sehe in den Gesichtern: „Was will die uns jetzt erzählen?“ Aber sobald ich beginne, technische Zusammenhänge verständlich zu erklären, kippt die Stimmung. Wenn dann Rückfragen kommen wie „Das wusste ich gar nicht“ oder „Spannend“, weiß ich: Jetzt habe ich sie erreicht. Mein Wissen habe ich mir über viele Jahre angeeignet – das hat nicht jeder. Ich muss es nur so kommunizieren, dass es als Gewinn gesehen wird, nicht als Belehrung.
„Was es braucht, sind echte Vorbilder. Frauen, die ganz selbstverständlich in Tech arbeiten, ohne dass man daraus ein Leuchtturmprojekt machen muss.“
Was bedeutet für Sie Female Leadership – und was braucht es, um mehr Frauen und Mädchen für technische Berufe zu begeistern?
Für mich bedeutet Female Leadership vor allem eines: frei entscheiden zu können, was man wirklich machen will – ohne in Rollen gepresst zu werden. Ich bin kein Fan davon, Frauen in Positionen zu bringen, nur um eine Quote zu erfüllen. Klar, Studien zeigen, dass gezielte Förderung wirkt, und ich bin froh, dass sich Menschen dafür einsetzen. Aber mein Zugang ist ein anderer: Mach, was dir Spaß macht – und lass dich nicht davon abhalten.
Was es braucht, sind echte Vorbilder. Frauen, die ganz selbstverständlich in Tech arbeiten, ohne dass man daraus ein Leuchtturmprojekt machen muss. Ich finde, es sollte nicht heißen: „Trotz allem hat es eine Frau geschafft“, sondern: „Klar, sie hat gegründet – und es läuft gut.“ Das motiviert mehr als jede Quote.
Wenn man zeigt, dass Tech ein spannendes, kreatives Feld ist, das sich ständig weiterentwickelt, dann werden auch mehr Frauen einsteigen. Und wenn es ihnen nicht gefällt? Dann nicht. Aber wenn doch, dann ist eine mehr dabei – und das ist großartig.
Wo stehen österreichische Unternehmen aktuell beim Einsatz von KI?
Die großen Unternehmen sind bereits aktiv – kleinere tun sich noch schwer. Viele wollen KI einsetzen, wissen aber nicht, wo sie anfangen sollen. Statt zu sagen: „Wir machen jetzt irgendwas mit KI“, sollte die Frage lauten: „Was können wir effizienter lösen – und wie hilft uns KI dabei?“ Oft fehlt es noch an der Basis: an digitalisierten Prozessen und strukturierten Daten.
„Regulierung stärkt Vertrauen, bremst aber auch Innovation.“
Der AI Act ist seit Anfang des Jahres in Kraft. Viele sehen ihn kritisch. Wie beurteilen Sie die Regulierung?
Ich sehe sie mit gemischten Gefühlen. Für junge, kleine Unternehmen wird Innovation dadurch definitiv schwerer – allein wegen der vielen neuen Regeln und Klassifizierungen. Das kann abschrecken, bevor man überhaupt loslegt.
Andererseits ist es wichtig, dass riskante KI-Anwendungen, die etwa massiv ins Leben von Menschen eingreifen, verboten sind. Aber wie so oft: Regulierung stärkt Vertrauen, bremst aber auch Innovation. Wer sich gut auskennt, findet Wege. Doch wer sich unsicher fühlt, lässt es lieber ganz. Und genau das ist schade.
Was müssen Unternehmen heute tun, um zukunftsfähig zu bleiben?
Bevor es überhaupt um KI geht, müssen erst die Grundlagen stimmen. Papierarbeit digitalisieren, Routinen automatisieren, Daten sauber strukturieren – das ist die Basis. Viele Unternehmen sind da noch nicht so weit.
Genauso wichtig: Mitarbeitende sollten lernen, wie sie Tools wie ChatGPT sinnvoll einsetzen. Da steckt enormes Potenzial – wenn man weiß, wie man es richtig nutzt. Der AI Act verpflichtet Unternehmen ohnehin dazu, ihre Teams entsprechend zu schulen. Aber es geht nicht nur um Rechtssicherheit, sondern um echte Effizienzgewinne.
„Redet mit Frauen, die diesen Weg schon gegangen sind.“
Was würden Sie Ihrem jüngeren Ich heute mitgeben – und welchen Rat haben Sie für Gründerinnen, die gerade erst starten?
Ich würde sagen: Bleib dran, nimm Rückschläge nicht persönlich und bleib fleißig. Vieles ergibt erst im Nachhinein Sinn – aber wenn man sich bemüht, kommt alles so, wie es soll.
Mein Tipp für alle, die gründen wollen: Sucht euch Mentor:innen – Menschen mit Erfahrung, die euch verbinden und bestärken. Ich hatte das anfangs nicht, aber es hätte vieles einfacher gemacht. Redet mit Frauen, die diesen Weg schon gegangen sind. Geht auf Events, holt euch Input, tauscht euch aus – und vor allem: einfach machen.