Der Baustoff Holz liegt im Trend und ist gefragt wie nie zuvor, um in vielerlei Hinsicht lebensfreundlichen Wohnraum in Einfamilienhäusern und mehrstöckigen Wohngebäuden zu schaffen. Die Eigenschaften dieses Baustoffs machen ihn ideal, um günstige, leichte und klimafreundliche Bauten zu errichten. In Österreich macht der Holzbau bereits fast ein Viertel des gesamten Bauvolumens aus – Tendenz steigend.
Jeder Kubikmeter verbautes Holz bindet eine Tonne CO2 langfristig. Die in Österreich mit Holz aus österreichischen Wäldern hergestellten Produkte vermeiden durch den Substitutionseffekt jährlich acht Millionen Tonnen CO2. Das entspricht einem Zehntel der gesamten jährlichen Treibhausgasemissionen in Österreich. „Holz ist einer der wenigen im großen Maßstab einsetzbaren Baustoffe, der nachwächst und sich damit selbst erzeugt. Gleichzeitig ist es leicht verarbeitbares Material, Bauelemente oder Raummodule können vorgefertigt werden, was wiederum den Bauablauf beschleunigt. Holzbaustellen sind nicht nur kürzer, sondern auch sauberer und lärmreduzierter“, erklärt Christoph Falkner, Partner bei SWAP Architekten.
Holz wird jedoch nicht nur als Baustoff für Einfamilienhäuser verwendet, sondern es wird auch immer öfter für den Bau von Hochhäusern verwendet. Als eines der ersten Hochhäuser in Holz-Hybrid-Ausführung entstand 2011 etwa der „LifeCycle Tower“ (LCT One) in Dornbirn. Er ist 27 Meter hoch und umfasst acht Stockwerke.
In Wien leistete man Pionierarbeit, als man sich 2013 an die Planung eines 84 Meter hohen Hochhauses aus Holz wagte. Das „HoHo“ in der Seestadt in Wien sollte ein klares Statement für Innovation, Nachhaltigkeit und Modernität sein, indem es die Vision einer ökologischen und zukunftsorientierten Immobilie in einem weltweit einzigartigen Holzhochhaus bündelt. Das Fundament wurde in Stahlbeton ausgeführt, ab dem Erdgeschoß liegt der Holzbauanteil bei 75 Prozent.
„Ich wollte zeigen, was mit Holz alles möglich ist, und der Gesellschaft etwas Nachhaltiges zurückgeben.“
Caroline Palfy war als Ingenieurin und Baumeisterin maßgelblich für die Verwirklichung des „HoHo“ mitverantwortlich und setzte ihre Vision von nachhaltigem Bauen mit weiblicher Kompetenz in der Projektentwicklung um. „Als Projektentwicklerin sucht man immer neue Herausforderungen, zumindest ich. Mit meinem Geschäftspartner Günter Kerbler wollte ich bei diesem Neubauprojekt zeigen, was mit Holz alles möglich ist, und der Gesellschaft etwas Nachhaltiges zurückgeben – für die nächsten Generationen.
Außerdem war es mir als Bauingenieurin schon lange Zeit ein Anliegen, den Werkstoff Holz wieder in den urbanen Raum zu holen“, erklärt Caroline Palfy und weiter: „Mit dem HoHo Wien kam mir die Idee, eine unkonventionelle Immobilie in diesem doch sehr neuen Stadtteil zu entwickeln. So haben wir 2013 (Start der Entwicklungsphase) schon gezeigt, was mit Holz alles möglich ist, und haben sicherlich die nachhaltige Projektentwicklung entscheidend geprägt und damit vorangetrieben. ESG und Taxonomie kannte vor 10 Jahren nämlich noch niemand.“
Akzeptanz von Holzbauten gestiegen
Der Einsatz von Holz als Baustoff für Hochhäuser ist jedoch auch mit Herausforderungen verbunden. „Holz brennt, Holz fault, Holz schwindet. Alles Eigenschaften, die ein natürlicher Baustoff mit sich bringt und die selbstverständlich planerisch herausfordernd sind. Der technologische Fortschritt und die Anpassung gesetzlicher Regelwerke bieten mittlerweile viele Möglichkeiten, Holz auch im Geschoßbau vermehrt einzusetzen.
Leuchtturmprojekte wie Holzhochhäuser mit bis zu 26 Geschossen oder Universitätsbauten wie das Ilse-Wallentin-Haus der Universität für Bodenkultur in Wien führen den Nachweis, was alles möglich ist, und erleichtern Genehmigungsverfahren für zukünftige Projekte“, erklärt Andrea Hlinka-Fröschl von SWAP Architekten.
Das Ilse-Wallentin-Haus ist Österreichs erstes Universitätsgebäude in Holzbauweise und bietet in Seminarräumen, Bibliothek und Lernzonen bis zu 600 Studierenden Platz. „Das klare Konstruktionsraster wird in der Deckenkonstruktion und Fassade lesbar, die Materialen Holz und Sichtbeton im Fluchtstiegenhaus bleiben sichtbar, ebenso wurden die Lüftungs- und Elektroleitungen sichtbar installiert. Durch die großflächigen Fenster entsteht ein Dialog mit den angrenzenden Grünflächen.
Als Planer freut es uns zu sehen, wie die Studierenden sich mit dem identifizieren und sich die unterschiedlichen Räume aneignen. Vor allem freut es uns, dass das Haus nach den ersten vier Betriebsjahren keine Abnutzungserscheinungen hat und immer noch seinen offenen, natürlich-frischen Charakter behalten hat“, erklärt Christoph Falkner und weiter: „Vor dem Hintergrund von klimagerechterem Bauen ist die Akzeptanz von Holzbauten, sowohl bei Wohnbauträgern als auch öffentlichen Bauherren, in den letzten Jahren massiv gestiegen. Nachhaltigkeitskriterien oder CO2-Besteuerung fördern diese Entwicklung.“
„Holz ist einer der wenigen im großen Maßstab einsetzbaren Baustoffe, der sich selbst erzeugt.“
Caroline Palfy und ihr Team wurden bei der Planung und beim Bau des „HoHo“ ebenfalls vor neue Herausforderungen gestellt, da sie sich mit dem 84 Meter hohen Holzgebäude auf noch unerprobtes Terrain gewagt hatten. Learning by Doing war angesagt. „Ich hatte ein super Team, und wir haben uns immer auf das Wesentliche konzentriert und so Schritt für Schritt das Holzhochhaus entwickelt – parallel haben wir den Austausch mit den Behörden gepflegt, um sicherzustellen, dass wir am Ende des Tages auch genehmigungsfähig sind. Hier möchte ich betonen, dass es immer unser Fokus war, einfach zu denken, nichts patentieren zu lassen und unser Know-how zur Verfügung zu stellen – es sollte ja nie bei einem Prototyp bleiben, sondern das Interesse an nachhaltigen Holzhybrid-Gebäuden auslösen“, so Palfy.
Natürlich mussten einige Versuche gemacht werden, ganz besonders betreffend Brandverhalten der Knotenpunkte. Palfy: „Gott sei Dank habe ich immer daran geglaubt, dass wir es schaffen, und so auch bei Rückschlägen den Mut und die Kraft nicht verloren und mein Team weiter motiviert. Heute muss ich sagen, ich wusste damals gar nicht, was wir da für eine Welle ausgelöst haben – ich wollte ja nur zeigen, was möglich ist.“
Von den Erfahrungen und dem Know-how aus Wien hat man auch beim Bau des Holzhochhauses „The Roots“ im Hamburger Hafen profitiert. Das Gebäude ist mit 19 Stockwerken und einer Höhe von 65 Metern das derzeit höchste Holzhochhaus Deutschlands. Verbaut wurden rund 5.500 m³ Nadelholz für die Konstruktion, zuzüglich Fassaden, Fenster und Beläge. „In unserer Projektsituation haben wir oft nach Wien geschaut, und das ‚HoHo‘ wurde zitiert. Österreich ist nicht nur durch die Produktion und die Holzproduktionsfirmen, sondern auch durch die Offenheit gegenüber einem neuen Umgang mit diesem tollen alten Material Holz auf jeden Fall weit vorn“, erklärt Kasimir Altzweig, der das Projekt „The Roots“ mit dem Hamburger Architekturbüro Störmer Murphy and Partners umgesetzt hat.
Aber nicht nur das Know-how für den Bau kommt aus Österreich, sondern auch das Holz. Die tragenden Wände sind aus Fichte mit Anteilen von Kiefer, Tanne und Buche. Fassaden und Terrassen-Beläge bestehen aus Lärche. Das meiste Holz wurde aus der Steiermark in die HafenCity geliefert und von zehn Zimmerleuten verbaut. Durch die Verwendung von Holz als Baumaterial bei „The Roots“ wurden 26.000 Tonnen CO2 gegenüber herkömmlichen Baumaterialien eingespart.
Holz hat aber noch einen weiteren Vorteil als Baumaterial. Denn trotz hoher Festigkeit wiegt es deutlich weniger als Beton (1 Kubikmeter Beton wiegt 2,6 Tonnen, 1 Kubikmeter Fichte 470 Kilo) – so drückt der mehrere Hundert Tonnen schwere Neubau weniger stark auf den Schlick-Untergrund der früheren Hafen-Kaianlagen. „Ein weiterer Faktor, den wir beim ‚The Roots‘ teilweise schon bedacht haben, ist, dass das Baumaterial Holz über den Lebenszyklus des Hauses hinaus verwendet werden kann. Häuser sollen nicht abgebrochen, sondern zurückgebaut und in einzelnen Bestandteilen woanders wiederverwendet werden“, so Altzweig.
Wegen der exponierten Lage im Hamburger Hafen wurde am Hochhausteil eine Glasfassade angebracht. „Der Hauptgrund war, dass in dieser Höhe am Hamburger Hafen immer Wind herrscht. Daher wollten wir auch einen Wintergarten anbieten, um den Außenraum noch besser nutzbar zu machen. Und es hat in dem Fall auch etwas mit Brandschutz zu tun. Die Glasfassade hat eine hemmende Wirkung, sollte mal ein Feuer ausbrechen, kann es nicht einfach auf das nächste Geschoss überschlagen“, erklärt Kasimir Altzweig.
„In unserer Projektsituation haben wir oft nach Wien geschaut, und das ‚HoHo‘ wurde zitiert.“
Ein Leitspruch von Caroline Palfy lautet: „Wenn man in Holz bauen will, muss man in Holz denken“. Was sie damit meint, ist: Holzbau ist genauso vielfältig wie der konventionelle Bau, und da er auch spezifische Eigenschaften hat, sollte beim Entwurf darauf Rücksicht genommen werden. Denn auch bei Holz gilt es, den Baustoff ressourcenschonend einzusetzen, auch wenn er nachwächst.
„Ein weiteres Thema ist, dass bei der Holzbauweise oft automatisch die Qualität der Fenster und Fassade höher ausfällt und auch der Außenbereich hochwertiger gestaltet wird, was dann zur Folge hat, dass die Projekte oft nicht realisiert werden können, daher – weniger ist mehr – genau evaluieren, was man möchte, und dann das Konzept anpassen. Genau auf diese Projektentwicklung habe ich mich jetzt mit meiner neuen Firma „LOUD 4 PLANET“ spezialisiert. Ich möchte Entwickler unterstützen, ihre nachhaltigen Projekte mit allen Qualitäten umzusetzen“, so Caroline Palfy.
In Zukunft nicht nur auf Holz konzentrieren
Durch Österreichs Holzreichtum ist es auch für die Zukunft naheliegend, mit diesem Werkstoff zu bauen. Zudem verfügt Österreich mittlerweile über sehr viel Know-how auf diesem Gebiet, auch die notwendige Industrie ist vorhanden. „Nachwachsendes Material, kreislauffähig, langfristiger CO2-Speicher, alles Vorteile, die für den Baustoff Holz sprechen.
„Holz brennt, Holz fault, Holz schwindet. Eigenschaften, die planerisch herausfordernd sind.“
Die Vision, Häuser in Zukunft nur noch in Holz zu bauen, ist allerdings unrealistisch, selbst bei voller Bewirtschaftung aller vorhandenen Waldflächen der Erde könnte nur ein Bruchteil des Baustoffbedarfs gedeckt werden. Hier müssen neben Holz auch andere klimagerechte Materialien, wie Lehm, Stroh etc., angepasst an lokale Verhältnisse, in die Überlegungen einbezogen werden“, so Andrea Hlinka-Fröschl.
Dem stimmt auch Ingenieurin und Baumeisterin Caroline Palfy zu: „Beim Thema nachhaltiges Bauen können wir uns nicht nur auf Holz konzentrieren beziehungsweise ausrasten, hier brauchen wir noch mehr Innovation beziehungsweise Umdenken, denn für mich ist nachhaltig, wenn ich wenig Material und Zeit im Bau benötige, wenn ich wenig Energie und Ressourcen wie zum Beispiel Wasser im Betrieb benötige und wenn ich die Möglichkeit einer Umnutzung oder Rückbaubarkeit (ReUse) einer Immobilie habe – dafür benötigt es eben in der Entwicklung viel Know-how und Zeit – aber es lohnt sich für die nächsten Generationen und unseren Planeten.“
6 spektakuläre Holzhochhäuser International
Ascent Tower (Milwaukee)
Mit knapp 90 Metern ist der Ascent Tower in Milwaukee das derzeit höchste Holzhochhaus in den USA. Sowohl das Holz als auch die fertigen Bauteile wurden aus Österreich angeliefert.
Canada Earth Tower (Vancouver)
Der Turm soll an die 120 Meter hoch werden und auf 35 bis 40 Etagen Büros, Geschäfte, Restaurants und Wohnungen beherbergen. Das Fundament besteht aus Beton, Wände, Decken und Stützen aus verschiedenen Schichthölzern.
Plyscraper W350 (Tokio)
Der japanische Holzbaugigant Sumitomo Forestry plant in Tokios Geschäftsviertel Maronouchi ein 350 Meter hohes Holzhochhaus. Im Plyscraper (englische Bezeichnung für einen Wolkenkratzer aus Holz) sollen auf 70 Etagen Geschäfte, Hotels, Büros und Wohnungen entstehen. Die Fertigstellung ist für 2041 geplant.
Mjøstårnet in Brumunddal (Norwegen)
Das 84,5 Meter hohe Holzhochhaus wurde am Ufer des Mjøsa Sees in nicht einmal zwei Jahren Bauzeit errichtet. Auf insgesamt 18 Stockwerken finden sich neben Hotelzimmern auch Etagen für Büros, ein Restaurant, ein Veranstaltungssaal, 33 Wohnungen und eine öffentlich zugängliche Dachterrasse.
River Beech Tower (Chicago)
Der modulare River Beech Tower ist ein Wolkenkratzer, der ganz ohne Stahl und Beton Höhen von bis zu 280 Metern mit 80 Geschossen erreichen soll. Der Chicago-Holztower soll Platz für rund 300 Wohnappartements, etagenübergreifende Gemeinschaftszonen sowie gewerblich genutzte Flächen bieten.
Dutch Mountains (Eindhoven)
Die 100 und 130 Meter hohen Türme sollen ein neuer Maßstab im höhentauglichen Holzbau werden. Das Gebäude umfasst Hotels, Büros, ein Geschäftszentrum und Einrichtungen für Wellness und Catering.