Laura Bornmann ist eine gefragte Interviewpartnerin. Nach einer steilen Karriere bei Rewe wechselte Bornmann zu Startup Teens, um junge Menschen früh ans Unternehmertum heranzuführen und Unternehmen dabei zu helfen, junge Talente für sich zu gewinnen. Nebenher ist Bornmann Speakerin und HR-Influencerin.
Frau Bornmann, Sie steuern nach Ihrer Karriere bei Rewe und Startup Teens gerade auf eine kleine Pause zu und wollen sich ein paar Monate für sich nehmen. Wie gelingt das bisher?
Laura Bornmann: Ja, das habe ich mir so gedacht (lacht). In Wahrheit mache ich trotzdem gefühlt tausend Sachen, sitze auch jetzt in vielen Terminen und führe viele spannende Gespräche. Also nach Auszeit fühlt es sich noch nicht an.
Was haben Sie in Ihrer Zeit bei Rewe über das Führen gelernt?
Dass man Mut braucht und Dinge aushalten lernen muss, wenn man etwas Neues schaffen will. Wer sich in neues Terrain vorwagt, wird immer Gegenwind bekommen. Und wenn etwas schiefläuft, muss man das auch mal wegstecken. Gerade im HR-Bereich passiert gerade so viel auf einmal, das ist viel Trial and Error. Manchmal geht es auf – und manchmal eben nicht.
Sie haben einen super Job bei Rewe, eine Leitungsposition, aufgegeben, um im Start-up Generation Teens Jugendliche unternehmerische Skills zu vermitteln und sie mit der Wirtschaft zu vernetzen. Warum?
Viele Menschen haben mich gefragt „Wie konntest du das machen?“ Und andere, die mich besser kannten, die wissen, wie ich mich entwickelt habe, haben das Gegenteil gesagt: „Gut, dass du diesen Schritt gehst.“ Rewe ist ein super Arbeitgeber, darüber lasse ich nichts kommen. Ich hatte das beste Team, einen super Chef.
Gehen, wenn’s am schönsten ist?
Ja. Ich bin damals allerdings durch meine Führungsposition über mich hinausgewachsen und habe gemerkt: Ich will nochmal etwas anderes machen, ein ganz anderes Umfeld kennenlernen. Meine Fähigkeiten, Kompetenzen und mein Netzwerk nochmal erweitern. Ich war neugierig, was es da Draußen sonst noch so gibt.
Wie war der Shift von Unternehmensseite zu einem Start-up?
Der Konzern bietet Sicherheit und viele tolle Möglichkeiten, im Start-up ist man agiler und in manchen Dingen auch freier. Ich konnte im letzten Jahr spannende Medienthemen abhandeln, war bei Markus Lanz. Da hat sich mein Radius stark vergrößert, ich konnte plötzlich mit Unternehmen aus ganz Deutschland zusammenarbeiten. Das ist nochmal ein anderer Impact. Ich habe ein neues Geschäftsfeld aufgebaut, wir haben eine Akademie ins Leben gerufen. Ich konnte meinen Kompetenzkoffer auf inhaltlicher Ebene noch einmal massiv erweitern.
Sie haben bei Startup Teens mit Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen zusammengearbeitet. Was haben Sie da gelernt?
Dass Herausforderungen im Personalbereich überall ähnlich sind. Und das Schöne ist, da auch mal Synergien zu finden, Verbindungen zu schaffen zwischen Unternehmen, die sonst nie voneinander lernen könnten.
Eine Gallup-Studie zeigt, dass 85% der Beschäftigten nicht emotional an ihr Unternehmen gebunden sind. Das führe alleine in Deutschland zu volkswirtschaftlichen Kosten von 118 bis 151 Milliarden Euro aufgrund von Produktivitätseinbußen. Wie ändert man das?
Genau, die Zahlen sind erschreckend. Auf der einen Seite sprechen wir von Arbeitnehmermangel und die Prognosen zum demografischen Wandel sind sehr eindeutig. Unternehmen können die Stellen jetzt schon nicht besetzen und es wird sich in den nächsten Jahren massiv zuspitzen. Die Gallup-Studie ist der Beweis, dass wir sehr, sehr viel Potenzial in den Unternehmen haben, das wir heute nicht nutzen. Menschen, die sich wohlfühlen und emotional gebunden sind, sind auch leistungsfähiger. Es gibt viele Dinge, die man machen kann. Führung ist der Schlüssel und es macht einfach einen Unterschied, wenn es eine Führungskraft ist, die sich für den Menschen als Ganzes interessiert. Bei der man auch mal Dinge ansprechen kann.
Sie beschäftigen sich intensiv mit dem Thema Stärken und Kompetenzen. Was können Führungskräfte hier konkret tun?
Wir brauchen Führungskräfte, die nah an den Menschen sind und erkennen, dass jeder Mensch Talente und Stärken hat. Momentan sehen wir, dass Mitarbeiter:innen noch zu selten gemäß ihrer Stärken eingesetzt werden und der Fit zwischen Anforderungen und Potenzial nicht optimal ist.
Wie können Unternehmen und Führungskräfte das ändern?
Oft sind es nicht nur die Führungskräfte, die etwas ändern müssen – auch die Menschen selbst müssen sich ihrer Stärken bewusstwerden. Bei Rewe haben wir Stärken-Coachings gemacht, aus denen Mitarbeiter:innen zum Teil perplex herausgegangen sind, weil sie sich ihrer Stärken überhaupt nicht bewusst waren.
Unternehmen sollten also mehr Persönlichkeitsentwicklung anbieten? Was haben die Firmen konkret davon?
Am Ende machen Menschen einen besseren Job, sind motivierter und fühlen sich dem Unternehmen stärker verbunden, wenn sie ihre Stärken einsetzen können und wenn sie eine Leidenschaft haben für ihre Arbeit.
Sie gelten als Verfechterin des empathischen Führens. Fällt das eben Genannte darunter?
Empathisches Führen bedeutet, dass sich die Führungskraft erst einmal für den Mensch interessiert und sich in seine Lage versetzen kann. Potenziale erkennt, aber auch mal versteht, wenn man als Mitarbeiter:in gerade eine schlechte Phase durchmacht.
Führungskräfte müssen mehr Verständnis aufbringen, um die Leistung zu steigern?
Es macht einen Unterschied, wenn man eine Führungskraft hat, die sagt, ich glaube an dich, ich glaube an deine Stärken. Es ist so wie in der Schule. Wir alle hatten Lehrer, die richtig cool waren, die an uns geglaubt haben. Und dann gab es Lehrer, die uns so frustriert haben, dass wir dann auch das Fach doof fanden. Wir brauchen also Führungskräfte, die psychologische Sicherheit schaffen, damit wir auch mal ansprechen können, dass wir einen Fehler gemacht haben. Ohne da jetzt groß Ärger zu bekommen. Diese Sicherheit braucht es.
Inwiefern brechen Sie damit auch eine Lanze für die Generation Z, die gerne auch als wehleidige „Snowflakes“ bezeichnet werden, die nichts mehr aushalten, die man nur mehr mit Samthandschuhen anfassen soll?
Empathisches Führen ist kein Selbstzweck. Wir dürfen nie vergessen, dass hinter all diesen Überlegungen natürlich Businessziele stecken. Es geht nicht um Wohlfühl-Oasen und Chillen. Es geht eben darum, so zu führen, dass die bestmögliche Leistung herauskommt, dass der Job gut gemacht wird. Wenn man dabei nicht immer kurz vorm Burnout steht und auch Beruf und Familie vereinbaren kann, ist man zufriedener und leistungsfähiger.
Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich?
Auch diese Diskussion wird mir zu polemisch geführt. Es geht immer noch viel zu stark um den Input als um den Output. Es sollte um Leistung gehen – und wenn ich die in vier Tagen schaffe, warum denn nicht? Sehen wir uns die Burnout Quoten an, die psychischen Belastungen. Irgendetwas dürfte da mit den Arbeitsbedingungen ja nicht ganz passen. Und wenn wir in die Pflege schauen, wo wir einen Fachkräftemangel haben, wo Menschen sich überlasten und früh aus dem Beruf ausscheiden, weil es zu anstrengend ist, dann wäre es sinnvoll, über eine Vier-Tage-Woche zu diskutieren. Weil diese Arbeitskräfte einfach Zeit brauchen, um sich zu erholen. Oder wir verändern eben die Rahmenbedingungen. Abgesehen davon möchte nicht jeder nur noch vier Tage in der Woche arbeiten, das wird gerade sehr verzerrt dargestellt.
Was sagen Sie zur Debatte rund um die hohen Anforderungen die die Generatin Z an ihre Arbeitgeber:innen stellt?
Das wird sehr kontrovers diskutiert. Ja, die Jungen sind heute lauter in dem, wie sie Ansprüche äußern. Auch deshalb, weil es der Arbeitsmarkt eben grade erlaubt. Solange die Forderungen Voraussetzung dafür sind, dass Menschen ihren Job besser machen, sind sie sinnvoll und Unternehmen sollten überlegen, diese auch umzusetzen. Am Ende muss es um bestmögliche Leistung gehen und die Führung muss trotzdem handlungsfähig bleiben. Arbeit muss nicht weniger werden, sie muss besser werden. Harte Entscheidungen und Leistung sind dabei kein Widerspruch.
Das hat auch eine Mentorin einmal zu Ihnen gesagt. Warum?
Weil ich lange auch damit gehadert habe, ob ich eine Führungskraft sein kann. Viele haben mir gesagt: „Du bist zu nett, du kannst keine Chefin sein“. Die Wahrheit ist: Mit Respekt und auf Augenhöhe zu führen, menschlich zu bleiben, steht dem Führen nicht im Weg. Im Gegenteil: Es funktioniert besser, vor allem für Herausforderungen, die wir heute haben.
Nach seinen Talenten und Stärken eingesetzt zu werden, schafft erwiesenermaßen ein Gefühl von Sinnhaftigkeit in der Arbeit. Für die Bindung zum Unternehmen braucht es aber auch so etwas wie Zugehörigkeitsgefühl zur Firma. Wie schaffen Unternehmen das?
Es braucht mehrere Dinge. Die Führung muss unterstützend sein, ich muss gemäß meiner Stärken eingesetzt werden. Ganz wichtig sind das Team und der Zusammenhalt zwischen den Kolleg:innen. Welchen Purpose hat ein Unternehmen, wofür setzt es sich kulturell ein? Und: Zeigt die Unternehmensführung Haltung? Wir haben ganz viele Konflikte auf dieser Welt, das Thema Haltung zeigen ist extrem wichtig geworden. Gerade auch für junge Menschen. Die wollen wissen, ob sich das Unternehmen für die richtigen Dinge einsetzt.
Auch Selbstverwirklichung spielt heute eine wichtige Rolle. Wie ermögliche ich das auf Unternehmensebene?
Wir, und vor allem die Generation Z, sind auch in der Arbeitswelt auf der Spitze der Bedürfnispyramide angekommen. Um Selbstverwirklichung zu ermöglichen, liegt es an der Führungskraft, erstmal einen Handlungsspielraum zu lassen, wirklich auch Verantwortung zu übertragen. Man muss die Menschen erstmal laufen lassen, sodass sie ihren eigenen Weg finden. Fehler anzusprechen muss immer ok sein. Aber eben auf Augenhöhe, und nicht: „Ich sag dir jetzt, wie es hier richtig funktioniert.“ Also da wirklich mal freie Hand lassen, Spielraum lassen. Und Dinge wie der eben angesprochene Purpose des Unternehmens, die Firmenkultur, all das kann viel Sinn geben und dazu führen, dass man sich selbst verwirklichen kann.
Das Nadelöhr in den meisten Unternehmen ist die oft angesprochene Führung. Das muss auch vom Management und reinem Delegieren unterschieden werden. Heute wird die Person Führungskraft, die in ihrem Fachgebiet am besten ist. Die Führung, von der wir sprechen, ist Leadership. Gibt es davon genug?
Ich glaube, dass wir endlich begreifen müssen, dass Führung ein Job ist und dass man das lernen muss. Menschen müssen aufs Führen auch vorbereitet werden, genauso wie sie fachlich vorbereitet und geschult werden.
Wie war das bei Ihnen, als Sie mit Ende Zwanzig eine Führungsposition bekamen?
Ich hatte das Glück, dass rechtzeitig im Voraus vorbereitet wurde. Ich hatte verschiedene Weiterbildungen, einen Coach, hatte selbst eine Coaching-Ausbildung gemacht. Wir müssen heute viel mehr anerkennen, dass Führung anspruchsvoll ist und dass wir dafür eben einen Werkzeugkoffer brauchen. Die meiste Zeit sollen sich Führungskräfte um Führung kümmern, um die Menschen kümmern, um das Potenzial zu heben und das ist heute noch andersrum.
Muss eine Führungskraft also fachlich nicht top sein?
Sie soll imstande sein, sich in Themen einzuarbeiten und einen fachlichen Überblick über den eigenen Bereich zu haben, das schon. Aber eher auf einer Metaebene und nicht im Detail. Sie soll vor allem gut mit Menschen und deren Potenzialen umgehen können. Und um solche Personen zu Führungskräften zu machen, braucht es Mut.
Für Mut sind wir in Österreich nicht unbedingt bekannt.
Wir in Deutschland auch nicht (lacht). Es überwiegt eher die German Angst als der German Mut. Das beginnt schon in der Schule. Bereits da fördern wir auch nicht jene Kinder, die mutig sind.
Was uns stattdessen im Blut liegt, ist das Sudern, das Raunzen und Nörgeln. Das kann Gift für ein Unternehmen sein. Wie gehen Sie mit Nörglern im Unternehmen um?
Menschen, die nur nörgeln, kann ich nicht ernst nehmen.
Gibt es eine Wunderwaffe dagegen? Und wirkt die vielleicht auch gleich gegen Zynismus?
Ja, auf jeden Fall. Also einfach mal den Menschen Verantwortung geben. Betroffene zu Beteiligten machen. Das ist wichtig, damit Menschen nicht nur von außen zusehen, sondern auch committed sind, weil sie dieses Thema verantworten. Also nicht sagen „Beschwer dich nicht“, sondern fragen „Wie würdest du es denn machen?“
Klappt das auch bei alteingesessenen Mitarbeiter:innen? Also was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr – das stimmt so gar nicht?
Meiner Meinung nach kann man immer etwas zum Positiven wenden. Es braucht die richtige Herangehensweise, die richtigen Führungskräfte und das richtige Mindset. Aber man muss die Menschen miteinbeziehen und ihnen Verantwortung zutrauen. Dann bin ich zuversichtlich, dass Dinge sich ändern können.