Kostbare Schmuckstücke stehen für Beständigkeit, sie schenken Outfits den finalen Twist, erinnern an besondere Momente im Leben und können sogar ganze Familiengeschichten erzählen. Aber es gibt eine Kehrseite. Denn der Abbau von Gold ist ein schmutziges Geschäft, das die Umwelt zerstört und Menschenleben gefährdet. Expert*innen und Menschenrechtler*innen schätzen, dass etwa 30 Millionen Menschen, darunter eine Million Kinder, unter gesundheitsschädlichen Bedingungen in kleinen Goldminen auf der ganzen Welt arbeiten.
Die Schmuckdesignerin Guya Merkle will das ändern und die Branche von innen heraus transformieren. Sie sagt: „Der Goldmarkt braucht eine Revolution.“ Und kaum jemand ist besser geeignet, diesen Wandel voranzutreiben, als sie – denn glänzendes Geschmeide liegt in ihrer DNA. Ihr Großvater gründete Ende der 30er-Jahre in Pforzheim eine Schmuckgroßhandelsfirma, die später von ihrem Vater weitergeführt wurde. Nach dessen plötzlichem Tod übernahm Guya Merkle mit nur 21 Jahren das Familienunternehmen. Doch anstatt einfach in die traditionellen Fußstapfen zutreten, denkt sie alles neu. Unter dem Namen VIERI Ethical Fine Jewellery verkauft die Schmuckerbin heute nur noch Designs aus recyceltem Gold.
Im Interview spricht sie über Herausforderungen, zukunftsweisende Projekte und warum Verantwortung über das eigene Produktportfolio hinausgeht.
Frau Merkle, obwohl Ihre Familie seit Generationen im Schmuckgewerbe tätig ist, setzen Sie sich sehr kritisch mit der Branche auseinander und haben 2015 das nachhaltige Schmucklabel VIERI gegründet. Wie kam es dazu?
Ich habe mich zum ersten Mal während meines Studiums in London am GIA (Anm. d. Red.: The Gemmological Institute of America) intensiv mit der Goldgewinnung beschäftigt. Um noch mehr zu erfahren, bin ich nach Peru gereist und habe dort verschiedene Minen besucht. Das war für mich ein life-changing Moment. Denn das, was ich dort erlebt habe, passte nicht zu der glamourösen Welt, die ich kannte.
Was hat Sie besonders beschäftigt?
Die menschenunwürdigen Bedingungen. Für ein paar Euro in der Woche mussten sich die Goldminenarbeiter*innen hochgiftigen Chemikalien wie Arsen oder Zyanid aussetzen, die das Nervensystem und die inneren Organe schädigen. Es gab weder Wasser noch Schutzkleidung – und das toxische Quecksilber, das man braucht, um das Gold aus dem Gestein zu lösen, wurde im Anschluss nicht fachgerecht entsorgt, sondern einfach in Erdlöcher geschüttet. Nach dem Besuch habe ich beschlossen, dass ich die Branche von innen heraus verändern möchte.
Was machen Sie mit Ihrem Unternehmen anders als andere nachhaltige Schmucklabels?
Wir arbeiten ausschließlich mit recyceltem Gold. Das unterscheidet uns noch nicht groß von anderen. Wir übernehmen aber auch darüber hinaus Verantwortung, indem wir uns generell für einen fairen Abbau einsetzen. Gold ist nicht nur ein Rohstoff, aus dem man Schmuck herstellt, es wird auch als Währung gehandelt – besonders in unsicheren Zeiten.
Recyceltes Gold kann den weltweiten Bedarf aber nicht decken. Das heißt: Es wird immer Minen geben, und wir müssen ganz genau hinschauen, unter welchen Bedingungen Menschen dort arbeiten. Um auf das Thema aufmerksam zu machen, habe ich den World Gold Day am 15. November ins Leben gerufen.
Sie sind auch Initiatorin der Earthbeat Foundation. Wie sieht die Arbeit der Stiftung aus?
Von jedem verkauften VIERI-Schmuckstück gehen fünf Prozent an die Earthbeat Foundation. Wir finanzieren damit Projekte in Regionen, in denen Gold abgebaut wird. Aktuell konzentrieren wir uns auf Ost-Afrika. Wir wollen den Menschen vor Ort alternative Einkommensquellen bieten, etwa mit Bienenzucht oder biodynamischer Landwirtschaft. Wir schließen auch Kleinstminen und renaturieren sie. Unsere Projekte werden immer mit finanziellen Bildungsprogrammen begleitet, sodass die Menschen vor Ort lernen, wie sie das erwirtschaftete Geld bestmöglich reinvestieren können.
Mit unseren Partnern der Earthbeat Foundation arbeiten wir zudem an einem Projekt zur Nutzung neuer Technologien für einen nachhaltigen Goldabbau. Mit Krypto-Währung könnte man zum Beispiel mit Gold handeln, ohne es aus der Erde zu holen.
Wirkt sich Ihr soziales Engagement auf den Schmuckpreis bei VIERI aus?
Ein nachhaltig hergestelltes Schmuckstück ist natürlich teurer, wenn man es transparent und richtig macht. Am Ende kommt es aber auf die Perspektive an. Wenn man uns mit einer Internetbrand vergleicht, die in Asien einkauft oder in Indien produziert, dann ist unser Schmuck teurer. Wenn man uns mit einer Luxusmarke vergleicht, sind wir viel günstiger.
Wo produzieren Sie?
Die gesamte Produktion ist in Deutschland. Die Kollektionen werden jährlich erweitert. Unsere Bestseller, den „Golden Cloud Band Ring“ und die „Bellezza Creole Mini“, produzieren wir in größeren Mengen, sodass wir schnell liefern können. Sonst arbeiten wir nur auf Bestellung.
Ist der Kundenkreis von VIERI bewusst auf der Suche nach fair produziertem Schmuck?
Neukund*innen kommen oft, weil sie von uns erfahren haben und aktiv nach nachhaltigem Schmuck suchen. Wir haben aber auch viele Stammkund*innen, die besonders das Design von VIERI mögen und für die Nachhaltigkeit noch ein extra Bonus ist. Es war auch immer mein Anspruch, dass meine Kollektionen nicht nur grün, sondern auch schön sind. Luxus muss nicht nach Öko aussehen.
Sie haben sich nicht nur als Schmuckdesignerin einen Namen gemacht, sondern auch die Modebranche aufgemischt. Sie waren unter anderem Mitbegründerin einer Onlineplattform für nachhaltige Kleidung im Luxusbereich…
Ja, Ich habe mit den Moderedakteurinnen Julia Zirpel und Jennifer Dixen 2018 the wearness gegründet. Wir wollten der Schnelllebigkeit der Mode und den ewigen neuen Trends etwas entgegensetzen und haben nur Brands auf unserer Plattform präsentiert, die unseren strengen Nachhaltigkeitskriterien entsprochen haben. Wir sind sehr erfolgreich in den Markt gestartet, weil zu diesem Zeitpunkt Nachhaltigkeit gerade besonders trendy war.
Dennoch mussten Sie die Plattform im vergangenen Jahr schließen. Warum?
Das Problem bei fair produzierter Mode sind die hohen Herstellungskosten und die viel zu geringe Marge. Kleine Labels können so nicht wettbewerbsfähig bleiben. Teurer können sie aber auch nicht werden, weil sonst niemand die Produkte kauft. Wir befinden uns zurzeit in multiplen Krisen, und gefühlt ist die Wirtschaftslage sehr schlecht. Ich sage absichtlich gefühlt, weil ich glaube, dass die Lage nicht ganz so düster ist, wie wir uns das gerade ausmalen. Wir sind aber gesellschaftlich noch nicht an dem Punkt, wo wir der Nachhaltigkeit den Vorrang einräumen würden. Es wird zwar weiter konsumiert, aber dann doch lieber Fast Fashion, weil es ein bisschen billiger ist. Das hat sich auf unseren Umsatz ausgewirkt.
Wie ging es weiter – und wie soll es weitergehen?
Als der Trend zur Nachhaltigkeit nachgelassen hatte, wurde es immer kostenintensiver, the wearness weiter zu betreiben. Leider konnten wir mit unserem Businessmodell auch keine neuen Investor*innen gewinnen. Ich glaube aber fest daran, dass bei diesem Thema nur die Pause-Taste gedrückt ist und wir wieder zur Nachhaltigkeit zurückfinden werden. Es führt kein Weg daran vorbei. Genauso sehe ich das bei the wearness: das Konzept ist großartig und wichtig, und wir können es jederzeit erneut starten, wenn die Welt wieder bereit ist, in eine grüne Zukunft zu investieren.