Der „Gender Investment Gap“ bleibt in Österreich weiterhin groß: Nur 35 der 313 Gründer:innen von österreichischen Start-ups, die 2024 ein Investment erhielten, sind Frauen. Das entspricht einer Frauenquote von elf Prozent. Österreich liegt damit im Mittelfeld des DACH-Raums – in der Schweiz liegt der Anteil der Gründerinnen bei 14 Prozent, in Deutschland leicht unter Österreich bei rund elf Prozent.
Dies sind die zentralen Ergebnisse des aktuellen Female Start-up Funding Index 2024, einer gemeinsamen Studie von Female Founders, Fund F und der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY. In die Analyse flossen Unternehmen mit Hauptsitz in Österreich ein, deren Gründung höchstens zehn Jahre zurückliegt. Die Zahlen verdeutlichen die anhaltende Herausforderung für weibliche Gründerinnen, Zugang zu Risikokapital zu erhalten.
Risikokapital für österreichische Start-ups rückläufig
Während die Diversitätsfrage weiterhin im Fokus steht, hat sich gleichzeitig das allgemeine Marktumfeld für Start-ups 2024 deutlich verschlechtert: Die Zahl der Finanzierungsrunden ging gegenüber dem Vorjahr um 19 Prozent zurück. Mit 149 abgeschlossenen Deals blieb die Anzahl jedoch auf ähnlichem Niveau wie in den Jahren 2020 und 2022.
Das Gesamtvolumen der Investitionen sank um 17 Prozent von 695 auf 578 Millionen Euro – der dritte Rückgang in Folge und der niedrigste Wert seit 2020. Zum Vergleich: Das höchste Finanzierungsvolumen wurde mit gut 1,2 Milliarden Euro im Jahr 2021 realisiert. Während damals vier Abschlüsse im Wert von jeweils mehr als 100 Millionen Euro verzeichnet wurden, gab es 2024 keinen einzigen Abschluss in dieser Größenordnung.
Diese Entwicklung zeigt, dass die Investor:innen insgesamt vorsichtiger geworden sind – ein Trend, der alle Gründer:innen betrifft. Lisa-Marie Fassl, Managing Partner bei Fund F, bewertet die Situation kritisch: „Was man im vergangenen Jahr vielfach gespürt und aus der Start-up-Szene gehört hat, zeigt sich jetzt ganz eindeutig in den Zahlen: Es war ein immens schwieriges Jahr für alle Start-ups und Scale-ups, besonders was das Thema Fundraising betrifft. Ich fürchte, dass wir die Konsequenzen daraus erst in diesem Jahr wirklich sehen werden und frühestens 2026 hoffentlich eine Trendumkehr passiert.“
Kleine Fortschritte bei der Diversität
Trotz des schwierigen Umfelds zeigen sich bei der Geschlechtervielfalt kleine Fortschritte: Unter den 134 österreichischen Start-ups, die 2024 mindestens eine Finanzierungsrunde verzeichneten, hatten vier ein ausschließlich weiblich besetztes Gründungsteam – HeldYn, Matr, myBios und Vienna Textile Lab. Das entspricht drei Prozent und stellt eine leichte Steigerung gegenüber dem Vorjahr dar.
Weitere 28 Start-ups (21 Prozent) hatten zumindest eine Frau im Gründungsteam – ein Plus von sieben Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Insgesamt waren somit bei knapp einem Viertel (24 Prozent) der finanzierten Start-ups Frauen in den Founding Teams vertreten, verglichen mit 17 Prozent im Jahr 2023. Diese Entwicklung signalisiert einen beginnenden Bewusstseinswandel, zeigt aber gleichzeitig, wie viel Potenzial noch ungenutzt bleibt.
„Die heimische Start-up-Szene bewegt sich mit kleinen Schritten in Richtung Diversität“, kommentiert Florian Haas, Head of Start-up bei EY Österreich. Es sei von entscheidender Bedeutung, dass gemischte Founding Teams gefördert werden, weil Vielfalt in der Gründungsperspektive Innovation und neue Lösungsansätze vorantreibe. „Wenn Frauen in der Start-up-Welt genauso sichtbar und gehört werden wie ihre männlichen Kollegen, gibt es auch Fortschritte in der Entwicklung von Produkten und Dienstleistungen, die die Bedürfnisse aller Menschen widerspiegeln“, betont Haas.
DACH-Vergleich offenbart regionale Unterschiede
Die Zahlen im DACH-Vergleich zeigen ein gemischtes Bild: Die Schweiz positioniert sich mit einem Frauenanteil von 14,2 Prozent unter den Gründer:innen an der Spitze – 131 von 921 Personen sind weiblich. Wie in Österreich verfügt jedes vierte Schweizer Gründungsteam über mindestens eine Frau. Rein weibliche Gründungsteams bleiben jedoch in Österreich weiterhin selten: Über drei Viertel (76 Prozent) der Founding Teams in 102 Start-ups waren 2024 ausschließlich männlich besetzt. Deutschland liegt mit einem Frauenanteil von nur 10,6 Prozent hinter Österreich – gerade einmal 181 von 1.703 Gründer:innen sind Frauen. Beim Anteil diverser Teams ergibt sich ein ähnliches Bild: Nur etwa ein Fünftel (21 Prozent) der deutschen Gründungsteams weist mindestens eine Frau auf.
Branchenspezifische Unterschiede zeigen Handlungsbedarf
Besonders die Analyse nach Branchen macht den Gender Gap deutlich: Am höchsten ist der Frauenanteil mit 40 Prozent in den Gründungsteams der AgTech/FoodTech Start-ups. Auf den weiteren Plätzen folgen e-commerce (29 Prozent) und Recruitment (20 Prozent). In den Branchen AdTech, Education, FinTech/InsurTech, Professional Services und Proptech ist gar eine vollständige Abwesenheit von Gründerinnen zu verzeichnen. In diesen Sektoren war bei keiner einzigen Finanzierungsrunde eine Frau im Founding Team vertreten. Diese Diskrepanz zeigt deutlich, dass vor allem in technisch orientierten Branchen noch erheblicher Handlungsbedarf zur Förderung von Diversität besteht.
Finanzierungssummen spiegeln Gender Gap wider
Die Analyse der Finanzierungssummen zeigt zudem, dass der Anteil von Gründerinnen bei kleineren Investments höher ist, während sie bei größeren Finanzierungsrunden nach wie vor stark unterrepräsentiert sind. Am höchsten ist der Anteil an Gründerinnen mit 17 Prozent bei Start-ups mit Finanzierungssummen von bis zu einer Million Euro. Je höher die Investments, desto geringer der Frauenanteil: Bei Jungunternehmen mit Finanzierungssummen zwischen 10,1 und 50 Millionen Euro befand sich unter den 20 Gründern keine einzige Frau.
Ausblick: Pragmatische Maßnahmen zur Förderung der Gleichberechtigung
Trotz der ernüchternden Zahlen gibt es auch Grund zum Optimismus. „Das Positive zuerst: Die Zahlen zeigen, dass Veränderung passiert und die Maßnahmen, die in den letzten Jahren gesetzt wurden, greifen“, erklärt Lisa-Marie Fassl. Ihr Vorschlag für die Zukunft ist pragmatisch: „Die Maßnahmen, die bisher gut funktioniert haben, ausbauen und mit mehr Kapital ausstatten. Das beschleunigt den Weg zur Gleichberechtigung ums Vielfache, auch über die Tech-Welt hinaus.“
Der Female Start-up Funding Index 2024 macht deutlich, dass trotz der ersten kleinen positiven Signale noch ein erheblicher Weg zu gehen ist, um den Gender Investment Gap zu schließen. Die Förderung von Diversität in Gründungsteams bleibt eine zentrale Herausforderung für die Start-up-Landschaft – besonders in einem Umfeld, das für alle Marktteilnehmer:innen zunehmend herausfordernd wird. Denn letztlich geht es in Zeiten fortschreitender globaler Krisen nicht nur um Gleichberechtigung, sondern auch um wirtschaftliches Potenzial von Diversität, das wir uns nicht länger leisten können nicht zu nutzen.