StartMoney„Geduldigere Investorinnen“

„Geduldigere Investorinnen“

Zwei große Investoren haben sich erst vor Kurzem mit 1,4 Milionen Euro an dem Finanz-Start-up FinMarie beteiligt. In SHEconomy spricht CEO und Mitgründerin Karolina Decker über den Trend zu nachhaltiger Geldanlage. Und sie verrät, warum Frauen ihr Geld strategischer anlegen als Männer und derzeit kein Weg an ETFs vorbeiführt.

Warum ist das Befassen mit der finanziellen Zukunft für Frauen besonders wichtig?

Karolina Decker: Finanzielle Unabhängigkeit ist nicht nur ein Frauenthema, aber sie sind von dem Thema stark betroffen, etwa, weil sie in Teilzeit arbeiten oder Angehörige pflegen. Denn statistisch gesehen verdienen Frauen durchschnittlich weniger als Männer und haben weniger Geld zur Verfügung. Je nach Studie sind es zwischen sechs und 20 Prozent, und die Pensionsschere startet bereits mit 36 Jahren. Das zeigt, wie wichtig das Thema der finanziellen Vorsorge ist. Die Frage ist nicht, ob ich mich mit dem Thema Finanzen beschäftigen soll, sondern in welche Asset-Klasse ich gehe – und warum ich nicht schon längst damit begonnen habe.

Welche Rolle spielt FinMarie dabei?

Karolina Decker: Wir helfen Frauen, finanzielle Klarheit zu bekommen, und begleiten sie durch den Dschungel der spezifischen Produkte, damit sie die für sie richtigen Entscheidung treffen können. Dabei arbeiten wir mit verschiedenen Dienstleistern zusammen. Wir sind wie eine kleine Boutique: Wir schauen immer, in welcher Lebenssituation sich die Frau befindet, welche Präferenz sie hat und in welche Richtung sie sich entwickeln möchte. Basierend auf ihrem Feedback suchen wir die passenden Produkte, die auf dem Markt sind. Es geht nicht darum, viele verschiedene Depots zu haben, sondern eine smarte und langfristige Strategie aufzubauen.

Was ist der erste Schritt?

Karolina Decker: Sich zu überlegen: Wo stehe ich finanziell und wieviel Geld möchte ich in der Pension zur Verfügung haben? Was sind meine Vermögensziele? Möchte ich vorrangig Vermögen für meine Kinder aufbauen oder in Immobilien investieren? Welche Anlageform passt zu meinen Zielen? Welches Risiko will ich eingehen, und wieviel möchte ich monatlich investieren? Darauf basierend kann man die nächsten Schritte setzen. Etwa sich mit dem Haushaltsbudget zu beschäftigen oder ein bestehendes Portfolio zu optimieren. Wenn man mit dem Angebot der Produkte überfordert ist, kann man sich auch an unabhängige Berater*innen wenden.

Investieren Frauen anders als Männer?

Karolina Decker: Ja. Sie haben aber meistens weniger Kapital zur Verfügung. Dabei denken sie tendenziell viel langfristiger und strategischer als Männer und legen den Fokus vor allem auf nachhaltige Finanzprodukte. Wenn Frauen mit ihrer Strategie zufrieden sind, wird diese auch nicht so schnell gewechselt – nach dem „Buy and hold“-Prinzip. Frauen sind geduldigere Investorinnen, die mit Risiko bewusster umgehen. Ich sage nicht, dass Frauen risikoscheu sind, im Gegenteil: Sobald sie wissen, was hinter den Finanzprodukten steckt, investieren sie genauso gerne wie Männer.

Die All Time Classics in Sachen Anlage?

Karolina Decker: Sparpläne mit ETF-Portfolio und alles, was sich um das Thema Nachhaltigkeit dreht. Das können nachhaltige ETFs, aber auch nachhaltige Mischfonds sein. Diese sind etwas teurer, weil sie aktiv gemanagt sind, bringen aber auch eine höhere Rendite. Einzelaktien sind weniger beliebt, wobei auffällt, dass sich immer mehr Anlegerinnen trauen, sie zu kaufen. Nur elf Prozent aller Frauen in der DACH-Region investieren in Aktien oder ETFs. Der Rest legt sein Geld auf Sparbüchern oder in Bausparverträgen oder Versicherungen an. Bei den Männern sind es immerhin 23 bis 26 Prozent.

Man hat das Gefühl, dass ETFs derzeit besonders gehypt werden …

Karolina Decker: Wenn man langfristig anlegen möchte, führt keinen Weg an ETFs oder Fonds vorbei. ETFs sind extrem kostengünstig, denn man kann sie für 0,18 bis 0,2 Prozent pro Jahr kaufen. Außerdem haben sie steuerliche Vorteile und sind eine flexible Asset-Klasse. Das bedeutet, dass man sie schnell kaufen und verkaufen kann. Wenn man mit ETFs Geld anlegt, legt man es in breit diversifizierte Portfolios an. Dadurch wird das Risiko breiter gestreut. „Don’t put all eggs in one basket“ trifft hier voll zu.

Was sind klassische Stolperfallen, wenn man mit dem Investieren beginnt?

Karolina Decker: Ich würde die Finger von bezahlten Anlagetipps lassen, bei denen es heißt „Die zehn besten Aktien oder ETFs – die Performance wird fürs nächste Jahr gesichert.“ Diese Rankings sind nicht seriös, weil sich der Markt ständig ändert. Man sollte als Anfängerin auch nicht sofort in Kryptowährungen investieren. Vorab sollte man sich überlegen, welche Ziele man erreichen möchte und wie hoch das Risiko ist. Wenn ich gut schlafen kann, auch, wenn die Volatilität meines Portfolios 30 bis 40 Prozent beträgt, kann ich mein Geld auch risikoreicher anlegen.

Lesen Sie das gesamte Interview mit Karolina Decker in der aktuellen SHEconomy-Ausgabe. Diese steht diesmal unter dem Schwerpunkt Diversity & Gender Parity. Hier geht’s zum Abo-Shop.

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